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Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger , 13.03.2020 :

Generalstreik gegen Putschisten

Vor 100 Jahren: Der Kapp-Putsch gegen die junge Weimarer Republik dauerte nur wenige Tage / Für Kämpfe waren radikale Rechte und Linke in Herford zu schwach

Robin Butte

Herford. Aus dem Chaos des Ersten Weltkriegs entstand im Jahre 1919 die erste deutsche Demokratie, die Weimarer Republik. Die Folge war eine tiefe Spaltung der Gesellschaft. Während sich die Linke eine sozialistische Räterepublik erträumte, ersehnte die Rechte eine starke Regierungsgewalt jenseits parlamentarischer Zankereien. Dieses Sehnen feierte einen ersten Triumph vor genau 100 Jahren, im März 1920.

Auslöser war die von der Reichsregierung - bestehend aus SPD, katholischer Zentrumspartei und linksliberaler DDP - verlangte Reduzierung des deutschen Heeres. Dies ging einigen hohen Militärs dann doch zu weit, und so wurde Berlin am 13. März besetzt, die Reichsregierung vertrieben und der nationalkonservative Wolfgang Kapp zum Reichskanzler ausgerufen. Die Frage war nur: Wie würde Deutschland reagieren?

In Herford, in dem die SPD die stärkste Fraktion bildete, gab es zunächst auf Anregung des Oberbürgermeisters Wilhelm Busse einen amtlichen Aufruf gegen Kapp und für ein allgemeines Ruhebewahren. Ein umstrittener Aufruf, dem die radikale Schwester der SPD, die USPD, nur mit der Bemerkung zustimmen konnte, der geflohenen Reichsregierung keine Träne nachzuweinen.

Arbeiterausschuss forderte ein hartes Vorgehen

Die bürgerlichen Parteien stimmten in ihrer Mehrheit zu, konnten den Putschisten, wie sich noch zeigen sollte, aber auch durchaus Positives abgewinnen. Zunächst kamen jedoch die Arbeiterparteien SPD und USPD zum Zuge. Sie schlossen sich am 14. März mit Gewerkschaftern zusammen, um sich am reichsweiten Generalstreik gegen Kapp zu beteiligen. Ein angesichts der Kappschen Kriminalisierung jeglicher Streikbewegung verständliches, aber nicht ganz ungefährliches Vorgehen. Einen gewaltsamen Zusammenstoß hat es dann allerdings nicht gegeben. Zu schwach waren radikale Linke und Rechte in Herford. So wurden zwar einige bürgerliche Zeitungen, die der Nähe zu den Putschisten bezichtigt wurden, kurzzeitig am Erscheinen gehindert, aber der Streik mit dem Scheitern Kapps gleich am 18. März für beendet erklärt. Zum Schluss forderte der Herforder Arbeiterausschuss dann noch ein hartes Vorgehen gegen die Putschisten, um ähnliche Vorfälle zu vermeiden.

Dem konnten die Herforder Presseorgane der nationalliberalen DVP und der nationalkonservativen DNVP nun nicht zustimmen. Zwar stellten sie den Kapp-Putsch auf eine Stufe mit der Abschaffung der Monarchie im Gefolge des Weltkriegs, was ebenfalls Hochverrat gewesen sei. Der Reichsregierung gaben sie durch ihre Misswirtschaft allerdings eine Mitschuld am Putsch, und insbesondere sei der Generalstreik eine unverhältnismäßige Aktion und ein Fanal für Ausschreitungen der radikalen Linken gewesen. Daher sei es nun nötig, sich um die am Putsch beteiligten Soldaten zu bemühen, um sie gegen die revoltierende Linke im Reich einzusetzen. Eine Maßregelung von Putsch-Sympathisanten sei hingegen staatsgefährdend. Der Stand der deutschen Dinge wurde in die eingängige Formel gefasst: "Hier Bolschewismus, dort Antibolschewismus!"

Bildunterschrift: Der Magistrat der Stadt Herford richtete eindringliche Worte an die Bevölkerung.

Bildunterschrift: Oberbürgermeisters Wilhelm Busse rief zur Ruhe auf.

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