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Mindener Tageblatt , 13.03.2020 :

Jubiläumsfeier verschoben

Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit wollte in der Woche der Geschwisterlichkeit ihr 60-jähriges Bestehen feiern / Das Corona-Virus macht einen Strich durch die Rechnung

Jürgen Langenkämper

Minden. Mit einem Festakt in der Petrikirche wollte die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) Minden am kommenden Sonntag, 15. März, ihre Gründung vor 60 Jahren begehen. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren - auch noch, nachdem der Deutsche Koordinierungsrat (DKR) als Dachorganisation die zentrale bundesweite Eröffnung am vergangenen Sonntag in Dresden wegen des Corona-Virus abgesagt hatte. Auch die Mindener waren dabei, die Risiken abzuwägen. Am Donnerstag teilte die geschäftsführende Vorsitzende Nina Pape mit: "Heute hat sich die Sache quasi von selbst entschieden, denn Dervis H1zarc1 rief mich an und sagte mir, er sei krank."

Sein Arzt hatte dem Antisemitismus-Beauftragten der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie entschieden davon abgeraten, mit der Bahn nach Minden zu fahren. "Ohne Hauptredner die Veranstaltung stattfinden zu lassen und das gesundheitliche Risiko einzugehen, halten wir für nicht richtig", so Pape weiter. "Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir das Jubiläum allerdings definitiv feiern."

Den Anlass dazu, verbunden mit einem Rückblick und einem Ausblick, bietet die Gründung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Februar 1960, zwölf Jahre nach der Entstehung der ersten Gesellschaften, die - noch vor Gründung der Bundesrepublik - den Dialog zwischen Christen und Juden fördern wollten. Minden gehörte zu den ersten und auch kleineren Städten, in der sich Christen beider großen Konfessionen und Juden zu gemeinsamem Handeln zusammenfanden. Maßgeblicher Motor und Initiator war Max Ingberg seitens der Jüdischen Kultusgemeinde.

Jugendaustausch mit Israel wegen Corona für dieses Jahr ausgesetzt

Im Vorstand der GCJZ vollzieht sich gerade ein Generationswechsel. Jüngstes Beispiel dafür ist die Neuwahl des katholischen Vorsitzenden. In der Jahreshauptversammlung trat Ulrich Stadtmann die Nachfolge von Dr. Raimund Renner an, der nach zehn Jahren sein Amt aus persönlichen Gründen zur Verfügung gestellt hatte. Bereits vor zwei Jahren war Nina Pape Nachfolgerin von Pastor Andreas Brügmann auf evangelischer Seite geworden, der das Ehrenamt von 2016 bis 2018 von Pastor Bernhard Speller übernommen hatte. Seitens der Jüdischen Kultusgemeinde hatte Sarah Cohen die Nachfolge des 2011 verstorbenen Kurt Scheurenberg angetreten.

2011 markierte zugleich die bundesweite Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit in Minden im Beisein der damaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft - in Vertretung des Bundespräsidenten - das nach außen herausragende Ereignis der zurückliegenden Dekade (MT vom 14.03.2011). "Die Ausrichtung wird im Koordinierungsrat immer noch hoch anerkannt und gelobt", berichtet Nina Pape, die sich im Vorstand des Koordinierungsrat als bundesweiter Dachorganisation der GCJZ und im neu gegründeten Forum Junger Erwachsener (FJE) engagiert (MT vom 23.10.2019). Das Forum hatte junge Menschen aus ganz Deutschland im vergangenen Jahr in Minden zusammengeführt. Als geschäftsführende Vorsitzende hat die Historikerin aber auch in Minden die Ärmel hochgekrempelt und viel frischen Wind mitgebracht.

Ablesbar ist dies auch an der Mitgliederentwicklung. Aktuell gibt es 151 Mitglieder, zum Jahresende 2018 waren es 117 gewesen. "Ich drücke jedem einen Aufnahmeantrag in die Hand", sagt die Vorsitzende mit einem Schmunzeln. Ohne Scheu geht sie vor allem auf Jüngere zu und erweitert dadurch den Kreis derjenigen, die sich für Toleranz und Dialog zwischen den Religionen einsetzen.

Mehrere Jugendliche arbeiteten über einen längeren Zeitraum in Gedenkstätten

Früchte trägt auch der Jugendaustausch heimischer Gymnasien mit dem israelischen Giv’ataijm seit 2018, den die Gesellschaft in Kooperation mit der AG Alte Synagoge Petershagen initiiert hat. "Für dieses Jahr war wieder eine Fahrt geplant, die Partner wollten", sagt Pape, "aber das israelische Bildungsministerium hat derartige Reisen für dieses Jahr ausgesetzt". Grund ist die Corona-Pandemie. Doch der Austausch soll aufrechterhalten werden und nächstes Jahr möglichst wieder aufleben.

Auch in der Vergangenheit schon hatte der Besuch von Gedenkstätten Jugendliche dauerhaft vom Versöhnungsgedanken überzeugt. "Einige haben mit Aktion Sühnezeichen über einen längeren Zeitraum in Gedenkstätten gearbeitet", sagt Bernhard Speller, der die Arbeit als Mitglied im erweiterten Vorstand nach wie vor unterstützt.

Über seine Vorstandsarbeit für das Katholische Bildungswerk ist auch Ulrich Stadtmann zur GCJZ gekommen, sodass er sich jetzt bereit erklärte, die Verantwortung eines katholischen Vorsitzenden in dem dreiköpfigen Gremium zu übernehmen. Neben Katholiken und Alter Synagoge Petershagen gehören auch das Evangelische Bildungswerk und die Volkshochschule zu den beständigen Kooperationspartnern der Gesellschaft ebenso wie die KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica. Als Einzelperson hat der gebürtige Mindener Wolfgang Hempel, der bundesweit bestens vernetzt ist, wertvolle Kontakte zu Fachleuten und Referenten ermöglicht, sodass die Mindener Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit großem Elan in ihr siebtes Jahrzehnt geht.

Dass mit Nina Pape und Sarah Cohen zwei Vorsitzende Frauen sind, ist nur ein Zeichen. Auch unterstreicht die Benennung als Woche der Geschwisterlichkeit zusätzlich die Öffnung für Frauen. "Mit dem Namen nimmt Minden eine Vorreiterrolle ein", sagt Nina Pape selbstbewusst.

Der Autor ist erreichbar unter Telefon (0571) 882168 oder Juergen.Langenkaemper@MT.de.

Bildunterschrift: 60 Jahre Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit: Bernhard Speller (von links), Nina Pape, Sarah Cohen und Ulrich Stadtmann gehören dem Vorstand an.


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