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Neue Westfälische Online , 21.03.2020 :

Corona-Virus bringt viel Ungewissheit für Asylbewerber in OWL

Corona und die Folgen

Auch die Behörden stellen derzeit ihre Arbeitsweise um. Doch was genau ändert sich alles? Für die Betroffenen ist diese Frage existenziell. Doch die Antworten dringen nur langsam an die Öffentlichkeit.

Lieselotte Hasselhoff

Bielefeld. Was bedeuten die zunehmenden Einschränkungen gegen die Verbreitung des Corona-Virus für Asylsuchende? Das fragen sich nicht nur die geflüchteten Menschen selbst, sondern auch ihre Berater, Anwälte und auch die Mitarbeiter der zuständigen Behörden.

Eine wichtige Entscheidung hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) jetzt bekannt gegeben: Asylsuchende, deren Verfahren noch am Anfang steht, erhalten auf schriftlichen Antrag hin eine Aufenthaltsgestattung. Das weitere Verfahren wird auf Grund der Corona-Pandemie vorerst aufgeschoben. Sie dürfen mit dieser Aufenthaltsgestattung mindestens solange in Deutschland bleiben, bis das Asylverfahren abgeschlossen ist.

Was wird aus den laufenden Anträgen, wenn Behörden schließen?

Doch es gibt auch diejenigen, die bereits einen Aufenthaltsstatus haben. Für Frank Gockel vom Verein Flüchtlingshilfe Lippe lautet eine Frage allerdings: Wie lange noch? In Detmold musste die Ausländerbehörde wegen eines Corona-Falls schließen. Sämtliche Anträge werden jetzt vom Ausländeramt des Kreises bearbeitet. Gockels Sorge: Fristen zum Beispiel für die Verlängerung von Aufenthaltsgenehmigungen oder Duldungen könnten nicht eingehalten werden. Denn: "Entfällt die Aufenthaltsgenehmigung, entfällt gleichzeitig die Arbeitserlaubnis", nennt Gockel ein Beispiel.

Die Pressestelle des Kreis Lippe verweist auf Anfrage dieser Zeitung auf eine Allgemeinverfügung, die der Kreis am 19. März veröffentlicht hat. "Aufenthaltstitel von Ausländern, die sich rechtmäßig im Zuständigkeitsbereich des Kreises Lippe aufhalten und dort gemeldet sind" bleiben demnach vorläufig weiterhin gültig - allerdings nur, wenn die Frist nicht schon vor Bekanntgabe der Verfügung abgelaufen war. Aufenthaltsgestattungen und Duldungen, die zwischen dem 18. März und dem 19. April ablaufen, werden bis zum 20. April verlängert.

Hilfeverein: Abschiebehaft vorläufig aussetzen

Gockel bleibt kritisch: "Immer mehr Länder schließen ihre Grenzen. Abschiebungen zum Beispiel nach Italien oder Marokko sind nicht mehr möglich. Die logische Konsequenz ist, Abschiebehaft zu beenden und auszusetzen." Laut BAMF werden Abschiebungen - soweit möglich - weiterhin durchgeführt. "Angesichts der vorrangigen Schutzaufgaben der Polizeien für die Bevölkerung im Zusammenhang mit der Verhinderung der regionalen Verbreitung des Corona-Virus kann es dabei zu weiteren Einschränkungen kommen", schreibt die Behörde auf Anfrage dieser Zeitung.

"Das größte Problem ist, dass niemand informiert wird", sagt Gockel. Er steht unter anderem auch im engen Kontakt mit den Insassen der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren. "Ich habe Fälle erlebt von Angehörigen, die über hunderte von Kilometern angereist sind, um Insassen in Büren zu besuchen. Erst vor Ort wurde ihnen erklärt, dass Besuche zur Zeit nicht erlaubt seien." In der Tat fehlen auf der Internetseite der Bezirksregierung Detmold jegliche Hinweise.

Auch unter den Insassen selbst herrscht Unruhe. Innerhalb der Einrichtung soll das Gerücht über einen möglichen Corona-Fall kursieren. Die Sorge der Insassen wird - zum Ärger von Gockel - durch Ungewissheit verstärkt: "Das Gerücht hat die UfA gegenüber den Gefangenen weder bestätigt noch dementiert."

Bildunterschrift: Das Dokument wurde dieser Frau von der Ausländerbehörde für die Dauer einer Ausbildung, die drei Jahre dauert, ausgestellt.

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Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung, 19.03.2020:

Abschiebungsstopp in der Corona-Krise gefordert

Der Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren nennt Gründe

Büren. Der Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren fordert, die Abschiebehaft in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren während der Corona-Krise auszusetzen. Vereinssprecher Frank Gockel nennt auch einige Gründe: "Zum einen sind aktuell immer weniger Abschiebungen möglich, zum anderen verschlechtern sich die Bedingungen der Gefangenen."

Immer mehr Länder schließen, genauso wie die Bundesrepublik, ihre Grenzen. Somit seien Abschiebungen zum Beispiel nach Italien oder Marokko nicht mehr möglich. Die geplante Abschiebung sei der alleinige Grund, warum die Menschen inhaftiert seien, so Gockel.

Er rechnet damit, dass die Inhaftierten Wochen oder Monate auf ihre Abschiebung warten müssen, ohne dass sie dieses verschuldet haben. Zwar sehe der Gesetzgeber vor, dass jederzeit Ausländerbehörden und Gerichte die Haft auf ihre rechtliche Grundlage hin prüfen müssen, das jedoch passiere in der Praxis nicht, heißt es in der Mitteilung des Vereins. "Die logische Konsequenz ist daher, Abschiebehaft zu beenden und auszusetzen", fordert Frank Gockel die Landesregierung auf, zu handeln und einen entsprechenden Erlass herauszubringen.

Zwischenzeitlich soll die Gefängnisleitung einigen Besuchern den Zugang verweigert haben. Ob es sich um einen kompletten Besuchs-Stopp handele, sei aber nicht bekannt.

Gefangene unzureichend über die Situation informiert

"Es ist nicht das erste Mal, dass das Gefängnis den Zugang sperrt, ohne hierüber zu informieren", behauptet Gockel. Er kritisiert, dass in solchen Situationen nicht über die Internetseite informiert werde. Auch seien die Gefangenen unzureichend über die momentane Situation wegen des Corona-Virus informiert. Die Gesundheit der Inhaftierten und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müsse in der aktuellen Lage oberste Priorität haben.

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