Westfalen-Blatt / Höxtersche Zeitung ,
16.03.2020 :
"Juden-Hass überwinden"
Bundesbeauftragter Dr. Felix Klein besucht Forum Jacob Pins
Von Michael Robrecht
Höxter (WB). In Zeiten des Coronavirus haben es Redner zur Zeit schwer, ein Publikum zu finden. Dr. Felix Klein hatte Glück, dass im Forum Jacob Pins in Höxter eine letzte Abendveranstaltung vor Inkrafttreten des generellen Höxteraner Veranstaltungsverbotes möglich war. 50 Zuhörer waren am Freitag gekommen.
"Juden-Hass ist in Deutschland (wieder) weit verbreitet. Anfeindungen im Internet, offen antisemitische Aussagen in der Öffentlichkeit, Angriffe auf offener Straße - für die Mitglieder jüdischer Gemeinden in Deutschland ist das trauriger Alltag", schilderte Klein. Er wolle mit seinem Wissen dazu beitragen, Handlungsfelder gegen Juden-Hass zu identifizieren und jüdisches Leben in Deutschland sichtbarer zu machen. Der Deutsche Bundestag habe deshalb 2018 das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus geschaffen, berichtete der Gast aus Berlin. Der Kampf gegen Antisemitismus sei nicht nur Aufgabe des Staates, sondern auch der Zivilgesellschaft.
Der 52-Jährige selbst tue, was er kann. Wann immer ein antisemitischer Zwischenfall wie in Halle durch die Medien geht, beziehe er dazu klar Stellung. Auf allen größeren Demonstrationen und Feierlichkeiten die verlangen, dass hier ein Vertreter der Bundesregierung eine Position einnimmt und sich sehen lässt, sei er zu sehen und mit Nachklang zu hören. Auch das Amt selbst, mit eigenem Büro im Bundesinnenministerium, aber weder weisungsbefugt noch weisungsgebunden in dessen Hierarchie integriert, ist umsichtig definiert. Zusätzlich zum "Kampfauftrag" hat der Beauftragte ein auf Dauer ausgerichtetes positives Ansinnen: jüdisches Leben in Deutschland zu fördern.
Klein, der mit seiner Frau, einer Schauspielerin, schon einmal zu Gast im Pins-Forum in Höxter war, wies darauf hin, dass Juden-Feindlichkeit nicht nur ganz rechts und ganz links und im islamistischen Milieu zu finden sei, sondern auch in der bürgerlichen Mitte immer noch vorhanden sei. In Deutschland habe der Antisemitismus auch bei den großen Namen Luther, Kant oder Fallersleben Tradition gehabt. 20 Prozent der deutschen Bevölkerung hege Antisemitismus, 40 Prozent sogar israelbezogenen Juden-Hass. 30 Prozent der Bevölkerung würden laut einer Umfrage sogar glauben, jüdische Menschen würden von der ständigen Erinnerung an den Holocaust profitieren.
"20 Prozent der Bevölkerung hegt Antisemitismus, 40 Prozent israelbezogenen Juden-Hass."
Dr. Felix Klein
2019 habe es 1.800 judenfeindliche Delikte in Deutschland gegeben, vermutet werde laut Klein eine noch höhere Dunkelziffer. Schlimm sei, wenn die Juden-Feindlichkeit salonfähig werde und Opfer zu Tätern gemacht würden. Taten müssten angezeigt werden. Klein fordert eine Taten-Meldepflicht für Schulen. Deutschland ohne Antisemitismus? Das sei eine Illusion. Wichtig sei, über das Judentum zu informieren und aktiv einzuschreiten, wenn sich jemand judenfeindlich äußere. Es müsse doch wie bei der Überwindung der Erbfeindschaft mit Frankreich oder dem Gegensatz katholisch-evangelisch auch ein Ende des Antisemitismus geben können. Der sei eine Gefahr für die demokratische Kultur und öffne auch anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit das Tor.
Klein sprach sich für ein bundesweites dezentrales Meldesystem aus, das nicht nur antisemitische Straftaten, sondern auch antisemitische Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze verzeichnet. Als Definition von Antisemitismus führte Klein den "Hass gegenüber Juden" sowie diesbezüglich motivierte Angriffe auf Personen oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Institutionen und Einrichtungen an.
Bildunterschrift: Dr. Felix Klein (Bundesbeauftragter für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Mitte) mit Fritz Ostkämper und Bärbel Werzmirzowsky vom Pins-Forum. 50 Zuhörer füllen den Saal, in dem es einige Corona-Vorsichtsmaßnahmen gibt.
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www.jacob-pins.de
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