Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung ,
16.03.2020 :
"Juden-Hass ist heilbar"
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, referiert im Forum Jacob Pins und verbreitet Zuversicht in einer eher düsteren Gegenwart
Burkhard Battran
Höxter. Es war womöglich die vorerst letzte zugelassene öffentliche Veranstaltung für lange Zeit. "Der Saal wäre sogar bis auf den letzten Platz voll besetzt gewesen, allerdings hat eine Gruppe von 40 jungen Leuten aus dem Landschulheim Holzminden abgesagt, weshalb der Veranstaltungsraum jetzt nur zur Hälfte gefüllt ist. Wir haben einige Stühle beiseite gestellt, um etwas mehr Platz zwischen den Teilnehmern zu lassen", begrüßte Bärbel Werzmirzowsky, Geschäftsführerin der Höxteraner Jacob-Pins-Gesellschaft am Freitag die rund 40 Teilnehmer.
In diesem Jahr wird dem 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedacht. Ein Anlass, sich einmal dezidiert mit der Frage des Juden-Hasses in der heutigen Zeit auseinanderzusetzen. "Die Jacob Pins Gesellschaft hat es sehr begrüßt, dass die Bundesregierung 2018 einen Beauftragten für Antisemitismus-Fragen und jüdisches Leben in Deutschland ernannt hat und wir freuen uns, heute mit Felix Klein diesen Beauftragten bei uns im Forum Pins für einen Vortrag zu Gast zur haben", sagte der Vorsitzende Fritz Ostkämper.
Auch nach dem Holocaust und der Befreiung von Auschwitz gäbe es seit 75 Jahren einen latenten Antisemitismus von rund 20 Prozent in der Bevölkerung, beklagte Werzmirzowsky. Eine Zahl, die auch der Antisemitismus-Beauftragte bestätigte. Allerdings ist Felix Klein der Überzeugung, dass Juden-Hass heilbar ist. "Wenn wir heute auf das freundschaftliche Verhältnis mit dem ehemaligen Erbfeind Frankreich oder die Ökumene zwischen evangelischen und katholischen Christen blicken, ist es kaum vorstellbar, dass noch vor wenigen Jahrzehnten tiefe Gräben vorhanden waren, Ich glaube fest daran, dass auch der Antisemitismus überwunden werden kann", sagte Klein.
Als Beauftragter der Bundesregierung verfolgt Klein dabei zwei Strategien. "Zum einen brauchen wir ein klares Handeln des Staates, Antisemitismus strafrechtlich zu ahnden, und wir brauchen zum anderen Einrichtungen wie das Jacob Pins-Forum, die jüdisches Leben und Kultur als Bereicherung in die Gesellschaft hineintragen", sagte Klein. Insbesondere in einem Umfeld wachsenden Juden-Hasses, der mit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle einen traurigen Höhepunkt erfahren habe.
Während die allgemeine Kriminalstatistik generell einen Rückgang politisch motivierter Straftaten aufweist, ist die Anzahl antisemitischer Straftaten im vergangenen Jahr um knapp 20 Prozent auf rund 1.800 zur Anzeige gebrachten Fälle angewachsen. 90 Prozent dieser Straftaten würden von Vertretern rechtsradikaler Gruppen verüb, so Klein. Felix Klein (52) ist übrigens kein Jude, sondern ein im christlichen Glauben erzogener Darmstädter und auf Völkerrecht spezialisierter Jurist. Bevor er vor zwei Jahren zum ersten Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus ernannt wurde, war Klein als Diplomat für das Auswärtige Amt tätig. Klein war vom Zentralrat der Juden in Deutschland für die Position des Antisemitismus-Beauftragten vorgeschlagen worden.
Die kommenden Termine der regelmäßigen Diskussionsrunden im Jacob Pins-Forum "Bücher im Gespräch" (Mittwoch, 18. März) und "Bilder im Gespräch" (Dienstag, 31. März) entfallen. Das für Sonntag, 29. März, vorgesehene Benefiz-Konzert des Kammerton-Ensembles wird auf einen späteren Termin verschoben, der noch bekanntgegeben werden soll.
Studienfahrt
Im kommenden Jahr unternimmt die Jacob Pins Gesellschaft zum zehnten Mal eine Studienfahrt nach Israel "Auf den Spuren von Jacob Pins". Sie findet statt vom 21. Februar bis zum 3. März. Weitere Informationen zum Reiseinhalt und zur Anmeldung gibt es auf der Homepage www.jacob-pins.de.
Bildunterschrift: Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein (Mitte), mit den Vorständen der Jacob Pins Gesellschaft Bärbel Werzmirzowsky und Fritz Ostkämper.
Bildunterschrift: Die Vortragsdiskussion im Forum Jacob Pins am Freitag war vorläufig die letzte öffentliche Veranstaltung in der Stadt Höxter.
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www.jacob-pins.de
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