Deister- und Weserzeitung ,
14.03.2020 :
Neuer Bückeberg-Streit spaltet Politik
Trotz Kompromiss: CDU und FWE wollen Projekt über das Baurecht behindern
Von Christian Branahl
Emmerthal. Eine weitere politische Kontroverse zum geplanten Dokumentations- und Lernort Bückeberg als Austragungsstätte der früheren NS-Propagandaveranstaltung "Reichserntedankfeste" ist in Emmerthal entbrannt. Die Gruppe aus CDU und FWE sieht rechtliche Bedenken und fordert deshalb ein Bauleitverfahren mit dem Ziel, das Projekt zu behindern. SPD-Bürgermeister Andreas Grossmann konterte, dass damit "alle Gräben und Wunden wieder aufgerissen werden". Dabei sei auf Initiative von Rudolf Welzhofer (CDU) und Ernst Nitschke (FWE) ein Kompromiss zum Bückeberg mit dem Landkreis ausgehandelt und vom Rat mehrheitlich unterstützt worden. "Ich bin erschüttert", sagte Grossmann. Gruppensprecher Rolf Keller - als CDU-Fraktionsvorsitzender auch Nachfolger von Welzhofer - hingegen bezeichnete es als "unverschämt, wie der Bürgermeister Politiker angreift".
Formal ging es im zuständigen Fachausschuss des Emmerthaler Rates darum, eine Stellungnahme zu den für den Dokumentations- und Lernort notwendigen Bauarbeiten abzugeben. Bekanntlich sind auf dem Gelände aber keine Gebäude vorgesehen, sondern lediglich Informationsinseln mit Aussichtssteg und -plattform. Die sie verbindenden Wege sollen nicht einmal befestigt werden, ebenfalls ein Ergebnis des Kompromisses. Hinzu kommen im Zugangsbereich WC-Anlagen sowie Stellplätze für Fahrräder und Autos.
Der Landkreis als zuständige Bauaufsichtsbehörde hatte dazu die Gemeinde gebeten, das so genannte "Einvernehmen" herzustellen. Eher ein aus vielen Paragrafen bestehender Vorgang, wobei laut Verwaltung nur geringe Einflussmöglichkeiten gegeben sind. Mit anderen Paragrafen hingegen lehnt die Gruppe aus CDU und FWE nun aber ab, das erforderliche Einvernehmen herzustellen - was sie am Ende mit einer Mehrheit mit der AfD gegen die Stimmen von SPD und Grünen auch durchsetzte.
"Unverschämt wie der Bürgermeister Politiker angreift."
Rolf Keller, Gruppensprecher CDU / FWE
Keller führte mehrere Punkte auf - von der Niedersächsischen Kommunalverfassung bis zum Baurecht. In einem Bereich sprach er von einem "Rechtsverstoß", der möglich sein könne. Deshalb sei eine Änderung des Flächennutzungsplanes notwendig, wobei die Kosten der Bauherr zu tragen habe. Erster Gemeinderat Elmar Günzel rechtfertigte das formale Vorgehen mit einer Ausnahme, bei der er zu einem Ratsbeschluss noch Klärungsbedarf sieht. Allerdings ging es in der Debatte aber um Grundsätzliches. "Ich bin enttäuscht von der Gruppe", meinte Ruth Leunig (SPD), dass auf Initiative von CDU und FWE hin schließlich die Änderungen zu den Bückeberg-Plänen ausgearbeitet worden seien. "Schade - wir waren auf einem guten Weg", meinte sie.
Bekanntlich hatten Welzhofer und Nitschke, eigentlich selbst Kritiker des Projektes, mit dem Landkreis einen Kompromiss durchgesetzt. Dabei hatten sie Ende 2018 selbst betont, nicht nur Punkte der Gegner in der Einwohnerschaft aufgegriffen zu haben, sondern auch Vorteile für die Gemeinde herausgeholt zu haben. Im Rat hatten anschließend auch zahlreiche Vertreter von CDU und FWE für das Papier gestimmt.
Keller - bekennender Bückeberg-Gegner und seit dem Vorjahr neuer Fraktionsvorsitzender und Gruppensprecher als Nachfolger von Welzhofer - setzt nun hingegen auf das Baurecht wie es schon einmal Thema zu früherer Zeit gewesen ist. "Das Einvernehmen wollen wir nicht herstellen, weil dafür rechtlich ein geänderter Flächennutzungsplan notwendig ist", sagte der Christdemokrat. Das sei auch in anderen Fällen wie beim Grohnder Fährhaus üblich, wo ebenfalls der Investor für die Kosten aufkommen müsse.
Rückendeckung bekam Keller von AfD-Ratsfrau Delia Klages. "Wer einen Antrag stellt, kann nicht davon ausgehen, dass er positiv beschieden, sondern ergebnisoffen bearbeitet wird", argumentierte sie. Und Klages kritisierte ebenfalls den Bürgermeister dafür, über zwei Ratskollegen - Welzhofer und Nitschke - zu sprechen, die nicht bei der Sitzung dabei seien. Ohnehin sei der Kompromiss "hinter verschlossenen Türen zustande gekommen", übte Klages ihrerseits Kritik an den beiden Ratsherren - "während wir eine Bürgerbefragung gefordert haben". Klages: "Das wäre eine Möglichkeit zur Befriedung gewesen."
"Rein inhaltlicher Angriff - und der ist berechtigt."
Andreas Grossmann, Bürgermeister (SPD)
Der Bürgermeister sagte, dass er weder Welzhofer noch Nitschke kritisiere, sondern die neue Haltung der Gruppe aus CDU und FWE. Sie wolle nun ein früheres Ergebnis konterkarieren und die Pläne verhindern. Es sei ein "rein inhaltlicher Angriff - und der ist berechtigt". Die Gemeinde stehe durch die neue Situation als "unzuverlässiger Partner da". Die Gruppe versuche, nicht Sand, sondern "große Kieselsteine im Getriebe" zu sein, sagte Grossmann. Keller hingegen begründete das Vorgehen auch damit, dass der Landkreis den Kompromiss nicht einhalte. Was er damit meint, das ließ er trotz zweimaliger Nachfragen offen.
Bildunterschrift: Überwiegend Informationsinseln sollen das Gelände der früheren NS-Propagandaveranstaltung "Reichserntedankfeste" prägen.
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Deister- und Weserzeitung, 07.01.2020:
Bückeberg-Projekt noch mit vielen Fragezeichen
Geschäftsführer: Dokumentations- und Lernort weiter im Planungsstadium / Warum Kritiker sich in ihrer Ansicht bestätigt sehen
Von Christian Branahl
Die Umgestaltung des Bückeberges als Dokumentations- und Lernort zur Geschichte der frühen NS-Zeit soll in diesem Jahr sichtbare Ergebnisse bringen. Das Ziel des Vorjahres hat Bestand - allerdings mit Fragezeichen versehen. Woran es hakt? Und warum die Kritiker der Pläne sich dadurch bestätigt sehen, dass unnütz viel Zeit verstreicht.
Emmerthal. Als Kritiker der Bückeberg-Pläne zeigt Timo Schriegel im Prinzip wenig Interesse, dass auf dem Gelände der früheren NS-Propaganda-Veranstaltungen "Reichserntedankfeste" sich etwas verändert. Dennoch äußert sich der Emmerthaler Sprecher der Gegner verwundert, dass noch keine Arbeiten zu erkennen sind für den umstrittenen Dokumentations- und Lernort. Mit Alexander Remmel sei seit einem Jahr ein Geschäftsführer im Amt, ohne dass es Fortschritte gebe, meint er. "Steuerverschwendung", argwöhnt Schriegel.
"Es ist nichts, aber auch gar nichts passiert."
Timo Schriegel, Bückeberg-Kritiker
Dass es ohnehin erst für 2020 vorgesehen gewesen sei, das Gelände für Besucher zu erschließen, darauf verweist Remmel. Allerdings, so räumt er ein: Einen Terminplan dafür gebe es nicht. Dafür ursächlich sei ein umfangreiches Antragsverfahren mit den unterschiedlichsten Stellen, die Fördergelder in Aussicht gestellt hätten. Den Vorwurf der Steuerverschwendung weist er von sich. Außerdem, so erklärt der Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft für den Dokumentations- und Lernort, bewege sich das Projekt im Rahmen der zuvor veranschlagten Kosten.
"Es ist nichts, aber auch gar nichts passiert", meint Schriegel nach einem Besuch am Bückeberg-Gelände. "Kein Schild, keine Infotafel, es wurde noch nicht mal was aufgeräumt oder freigeschnitten" - er frage sich, was Remmel in all den Monaten geleistet habe. Außer der Nachricht, dass nun der Kreis ein zinsloses Darlehen in Höhe von 125.000 Euro an die Gesellschaft gewähren wolle, gebe es keine Neuigkeiten, wundert sich Schriegel. Dass diese Summe Wasser auf den Mühlen der Kritiker sein könnte, habe er befürchtet, entgegnet Remmel. Allerdings sei dabei ganz klar vom Landkreis deutlich gemacht worden, dass es sich um eine Vorfinanzierung handele für EU-Zuschüsse, die erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt würden. Keinesfalls handele es sich um zusätzliche Gelder, noch würden sie derzeit benötigt.
Derzeit bearbeite die Gesellschaft parallel verschiedene Förderanträge und die konkreten Planungen. Wesentlicher Punkt: Bislang habe es einen Siegerentwurf für das Konzept am Bückeberg gegeben. Der Entwurf sei überarbeitet worden mit "deutlichen Veränderungen" auf der Grundlage von Wünschen etwa aus der Bevölkerung, aber auch durch den Kompromiss, den Emmerthaler Politiker von CDU und FWE mit dem Landrat ausgehandelt hätten. Inzwischen würden in der nächsten Stufe konkrete Entwurfsplanungen vorliegen - mit genauen Kostenberechnungen statt wie bislang nur Schätzungen. "Ganz wichtig", sagt Remmel: Die Investitionssumme von insgesamt 1.336 Millionen Euro werde eingehalten, der finanzielle Anteil des Landkreises bleibe unverändert. "Das ist die zentrale Botschaft."
"Natürlich wäre ich gerne schon weiter, möchte zügig beginnen", räumt der Geschäftsführer zur konkreten Umsetzung am Bückeberg ein. Er bleibe zuversichtlich, dass es in diesem Jahr losgehen werde. Wie viel umgesetzt werden könne, hänge jedoch von den einzelnen bewilligten Geldern ab - "und wann wir den Startschuss setzen".
"Ein sehr komplexes Verfahren, natürlich wäre ich gerne schon weiter."
Alexander Remmel, Geschäftsführer
Insgesamt sechs Stellen gebe es, die Zuschüsse gewähren wollten - von kleineren Summen (16.300 Euro) bis hin zu dem größten Block des Bundes (725.000 Euro). Nicht nur liefen überwiegend die Antragsverfahren, auch untereinander müssten die Schritte immer wieder neu abgestimmt werden. "Ein sehr komplexes Verfahren", erklärt Remmel - und das Bückeberg-Projekt mit seinen besonderen Voraussetzungen bilde dabei nicht unbedingt das Tagesgeschäft der Geldgeber. Da passten manche Überlegungen noch nicht ins Raster von bisherigen Förderrichtlinien. Als Beispiel nennt er ein EU-Programm, das eher vorhandene Gebäudesubstanz im Denkmalschutz fördere. Beim Bückeberg, ebenfalls unter Denkmalschutz, gehe es hingegen um gestaltete Landschaft. Weiterer wesentlicher Punkt: Das 15 Hektar große Areal befinde sich im Eigentum des Landes, von dem aber nur ein kleiner Teil benötigt werde. Dabei gehe es um eine langfristige Nutzungsvereinbarung, die in Aussicht gestellt, jedoch noch nicht vertraglich geregelt sei. "Diese Sicherheit brauchen wir aber für die Planung", sagt der Geschäftsführer. Solange nicht alle Anträge bewilligt seien, könne nicht mit den Arbeiten begonnen werden. Deshalb habe es bislang nur vorbereitende Untersuchungen am Gelände gegeben. Trotz aller Unwägbarkeiten würden aber alle Beteiligten zu ihren Zusagen stehen und das Bückeberg-Projekt weiter unterstützen. Remmel: "Das ist keine Selbstverständlichkeit."
Bildunterschrift: Bislang gab es nur diesen Siegerentwurf zum Bückeberg. Nun liegt eine konkretisierte Entwurfsplanung vor, die Änderungen beinhaltet. Dazu gehören die Wünsche aus der Bevölkerung sowie der Kompromiss mit Emmerthaler Politikern.
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Deister- und Weserzeitung, 02.01.2020:
Bückeberg-Broschüre liegt auf Eis
Warum die Emmerthaler bisher keine Informationen zu den Plänen erhalten haben
Von Christian Branahl
Emmerthal. Die angekündigten Informationsbroschüren zu den Bückeberg-Plänen, die längst in den Briefkästen der Emmerthaler Haushalte stecken sollten, lassen weiter auf sich warten. Und: Derzeit ist sogar völlig offen, ob sie überhaupt noch verteilt werden, damit sich die Einwohner auf diesem Wege ein Bild von dem geplanten Dokumentations- und Lernort zum Geschehen der NS-Propagandaveranstaltung "Reichserntedankfeste" machen können. Anscheinend haben sich die Beteiligten in eine Sackgasse manövriert - wohl an wenigen Tausend Euro könnten Druck und Versand scheitern.
"Eine komplette Hängepartie", meint Bürgermeister Andreas Grossmann, der dafür auch die Ratspolitiker von CDU und FWE in der Verantwortung sieht. Ein Dilemma? Das weist der neue Gruppensprecher Rolf Keller, erklärter Bückeberg-Gegner, weit von sich. "Kein Dilemma", kontert der CDU-Fraktionsvorsitzende, der jüngst diesen Posten von Rudolf Welzhofer übernommen hat. Welzhofer und Ernst Nitschke (FWE) haben bekanntlich mit dem Landkreis einen Kompromiss zu dem in Emmerthal umstrittenen Vorhaben ausgehandelt. Verworren stellt sich die Situation derzeit aber allemal dar.
"Wenn jemand diesen Knoten lösen kann, dann nur einer derjenigen, die den Kompromiss ausgehandelt haben."
Andreas Grossmann, Bürgermeister (SPD)
Ein Blick zurück: Vor gut zwei Jahren war der Ärger in der Gemeinde groß - mehr als 2.000 Einwohner sprachen sich bei einer Unterschriftensammlung gegen das Projekt am Bückeberg aus. Die Pläne bestimmten die Schlagzeilen und die politischen Debatten. Auf Antrag der AfD unterstützten später CDU und FWE sogar die Forderung nach einer Einwohnerbefragung. Davon nahm die Ratsgruppe im Sommer schließlich wieder Abstand. Sie blieb zwar auf Distanz zum Dokumentations- und Lernort, sah aber keinen Sinn mehr in der Befragung, die ohnehin nicht bindend gewesen wäre. Hinzu kam, dass zuvor Nitschke und Welzhofer mit dem Landkreis den Kompromiss erzielt hatten - auch mit dem Ziel, die Spaltung in Emmerthal zu überwinden. Was blieb und vom Gemeinderat so im Juni verabschiedet wurde: Alle Einwohner sollten die Informationsbroschüren zum Projekt erhalten, denen die Eckpunkte des Kompromisses als zusätzliches Papier beigefügt werden sollten.
Die Broschüre war inhaltlich längst fertig, auch von den beiden Emmerthaler Politikern abgesegnet. Bereits Ende Juni stellte Alexander Remmel als Geschäftsführer der Dokumentations- und Lernort Bückeberg gGmbH die Anfrage ans Rathaus mit der Bitte, den Druckauftrag für 6.200 Exemplare entsprechend der Zahl der Haushalte zu erteilen. Der Bürgermeister sah darin zunächst kein Problem. Immerhin sei diese Information günstiger als eine - auf 10.000 Euro Kosten geschätzte - Einwohnerbefragung, erklärt er. Doch seine Verwaltungsspitze machte Grossmann auf eine Tücke aufmerksam, nach der die Gemeinde die Finanzierung nicht übernehmen könne: Anfang 2018 habe es schließlich auf Antrag von CDU und FWE den Mehrheitsbeschluss gegeben, dass die Gemeinde gegenüber Landkreis und Dritten "von jeglichen direkten und indirekten finanziellen Belastungen" durch die Gestaltungsmaßnahme am Bückeberg freizustellen sei. Konsequenz: Für Druck und Verteilung der Broschüre steht in Emmerthal kein Geld zur Verfügung.
"Was wollen wir mit der Broschüre anfangen? - Jeder Euro dafür ist ein Euro zu viel."
Rolf Keller, CDU-Fraktionsvorsitzender
Trotz der geringen Summe: Der SPD-Bürgermeister wollte "keine unnötigen neuen Angriffsflächen bieten", wie er erklärt. Deshalb bat er die CDU / FWE-Gruppe um einen entsprechenden Antrag, bevor das Geld von der Gemeinde freigegeben werde. Im November gab es schließlich einen Beschluss der Fraktionen - eine Absage. "Daraufhin habe ich dem Bürgermeister mitgeteilt, dass es keinen Antrag der CDU / FWE-Gruppe auf Kostenübernahme von Verteilkosten der Broschüre oder Ähnlichem geben wird", erklärt ihr Sprecher Keller.
Er rückt von inhaltlichen Vorgaben aus dem Sommer ab. Keller verweist selbst darauf, dass es nun nach dem Amtsverzicht von Welzhofer Änderungen an der Spitze von CDU-Fraktion und Gruppe gegeben habe. Die Broschüre - von seinem Vorgänger akzeptiert - hält Keller für "Meinungsmache", in der es "nicht ein kritisches Wort gibt". Für die Broschüre solle es kein Geld der Gemeinde geben, da sich dadurch ohnehin nichts am Beschluss des Kreistages zum Bückeberg ändere. "Was wollen wir also damit anfangen?", meint Keller. "Jeder Euro dafür ist ein Euro zu viel."
Ohne "politische Legitimation" will der Bürgermeister kein Geld bereitstellen. "Wenn diesen Knoten jemand lösen kann, dann nur einer derjenigen, die den Kompromiss ausgehandelt haben", meint Grossmann an die Adresse von CDU und FWE sowie den Landkreis. "Das ergibt keinen Sinn mehr", sagt nun aber auch Welzhofer, der sich im Oktober in einer Mail noch etwas zielstrebiger geäußert hatte. Er trage den Beschluss der Gruppe mit, selbst wenn er bei der Sitzung nicht dabei gewesen sei. Mit den Informationen zum Bückeberg sei bereits zu viel Zeit verstrichen. Welzhofer sagt, auch mit Blick auf die Stimmung der Einwohner: "Darüber ist jetzt Gras gewachsen."
Bildunterschrift: Die Emmerthaler sollten eine Informationsbroschüre zu den Plänen für den Dokumentations- und Lernort Bückeberg erhalten - das ist bislang nicht geschehen.
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Deister- und Weserzeitung, 30.12.2015:
NS-Feierstätte als Ort des Lernens
Zweijähriges Projekt startet am Bückeberg / Gelderblom: "Ambitionierter Zeitplan"
Von Christian Branahl
Emmerthal. Nach jahrelangem Ringen um die Aufarbeitung der Geschichte des Bückebergs als Ort der NS-Propagandaveranstaltungen "Reichserntedankfeste" soll das Gelände nun erschlossen werden. Anfang des Jahres startet der "Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln" mit dem Projekt, das Areal in Emmerthal als "Dokumentations- und Lernort Bückeberg" zu etablieren. Die Finanzierung des auf zwei Jahre angelegten Projektes ist nun gesichert. Mit 60.000 Euro bezuschusst die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten die Hälfte der Gesamtkosten. Erleichtert über den offiziellen Startschuss zeigt sich der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom, der sich seit Jahren dafür eingesetzt hat. Er spricht bewusst von einer Konzeptphase, die nun beginne - allerdings "mit einem ambitionierten Zeitplan", der sichtbare Ergebnisse bringen solle. Dazu zähle ein Informationssystem auf dem Bückeberg als Rundweg etwa mit Text- und Bildtafeln. Weitere Schwerpunkte sind Bildungsarbeit besonders mit Schulen, Öffentlichkeitsarbeit und das Ziel, archivalische und museale Überlieferungen zum Thema zu sammeln und zu erfassen.
Mit jeweils einer halben Stelle widmen sich Dr. Martin Hellmold und Dr. Mario Keller-Holte der Aufbauarbeit. Bekanntlich hatte sich zuletzt die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten mit dafür starkgemacht, einen angemessenen Umgang mit dem Bückeberg als schwierigem Erbe aus der NS-Zeit zu finden. Das wurde auch bei einem Workshop der Stiftung 2013 mit zahlreichen Experten zu dem 2010 unter Denkmalschutz gestellten Festgelände deutlich: Der Bückeberg "als historischer Ort von exemplarischer, nationaler Bedeutung sollte zu einem zentralen Ort der Aufklärung über den Nationalsozialismus entwickelt werden", lautete damals eine Kernforderung. Wie kaum anderswo böten "die Ereignisse der Reichserntedankfeste die Möglichkeit, die Entwicklung und Funktionsweise der NS-Herrschaft in den Vorkriegsjahren ab 1933 aufzuzeigen", heißt es in einem Papier der Stiftung, die nun das Projekt in Emmerthal auch finanziell fördert. Auf Nachfrage erläutert deren Geschäftsführer Dr. Jens-Christian Wagner: Die NS-Verbrechen könnten "ohne ihren gesellschaftlichen Rahmen gar nicht erzählt und auch nicht verstanden werden". "Bergen-Belsen und der Bückeberg gehören zusammen, sind Teil eines Systems", erläutert Wagner (siehe Text unten). Auch der Landkreis fördert das Projekt mit 20.000 Euro. Aus Sicht von Landrat Tjark Bartels entsteht mit der Umsetzung dieses geschichtlichen Forschungsprojektes ein Ort des Hinschauens, Aufklärens und Lernens - "insbesondere um zu lernen, wie Verführung passiert und was es mit den Menschen machen kann". Bartels: "So hat der Bückeberg als Ort der Reichserntedankfeste in der NS-Zeit auch das Weserbergland geprägt."
Das einst unter der Regie von NS-Stararchitekt Albert Speer gestaltete Gelände mit Teilen der Infrastruktur ist weitgehend erhalten geblieben. Allerdings: Bislang finden die Besucher dort keine Hinweise darauf, dass sie sich an einem historischen Ort mit unrühmlicher Geschichte befinden, wo einst bis zu einer Million Menschen Adolf Hitler zujubelten.
Das soll sich ändern. Erste Ideen für den Rundweg basieren auf einem Konzept von Gelderblom. "Er darf nicht auf dem Niveau eines Waldlehrpfades sein", setzt er dafür das Ziel, dass der Aufbau eines Dokumentations- und Lernortes den Ansprüchen der bedeutenden Gedenkstätten entsprechen müsse. Dazu ist im Frühjahr ein Workshop geplant. Auch die Entwürfe von Studenten der Fakultät für Architektur und Landschaft der Universität Hannover, wie das Gelände am Bückeberg landschaftsplanerisch gestaltet werden kann, sollen darin einfließen. Außerdem liegen die Ergebnisse einer Bachelorarbeit zum Thema Audiostationen am Bückeberg vor. Der Workshop will Kriterien für einen Wettbewerb entwickeln, wie ein Rundweg samt Informationssystem gestaltet werden kann. Die Ausschreibung soll im nächsten Jahr erfolgen, bevor 2017 mit der Realisierung begonnen werden soll.
Bildunterschrift: Das kleine historische Foto zeigt den Blick auf den "Führerweg" von der Rednertribüne aus. Auf dem Bückeberg versammelten sich in den Jahren 1933 bis 1937 zu NS-Propagandaveranstaltungen 500.000 bis eine Million Menschen. Das Gelände soll als Dokumentations- und Lernort gestaltet werden.
"Ort nationalsozialistischer Selbstinszenierung"
In der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten begrüßen (und kofinanzieren) wir nun den beschlossenen Weg einer kritischen Vor-Ort-Dokumentation des Bückebergs als überregional wichtigem Ort nationalsozialistischer Selbstinszenierung. Die NS-Verbrechen, für die Orte wie Bergen-Belsen, Salzgitter-Drütte, Sandbostel und viele andere in Niedersachsen stehen, fanden im Kontext der von den Nationalsozialisten propagierten "Volksgemeinschaft" statt, die radikal rassistisch formiert war.
Das bedeutet, dass die Verbrechen ohne ihren gesellschaftlichen Rahmen gar nicht erzählt und auch nicht verstanden werden können: Bergen-Belsen und der Bückeberg gehören zusammen, sind Teil eines Systems.
Wer über die Versprechen spricht, muss zwingend auch über die Täter und die Mitmachbereitschaft in der Bevölkerung sprechen - und diese wurde nicht zuletzt durch "Artfremde" und "Gemeinschaftsfremde" ausgrenzende Integrationsdiskurse ermöglicht. In der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten vertreten wir deshalb einen integralen Ansatz der Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen, einen Ansatz, der sowohl Leidens- und Tatorte als auch Täterorte und Stätten nationalsozialistischer Selbstinszenierung wie überhaupt den gesellschaftsgeschichtlichen Kontext des Nationalsozialismus in den Blick nimmt.
Bildunterschrift: Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten in Celle.
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Am 12. März 2020 lehnten CDU / FWE, "AfD" ein Einvernehmen, Baumaßnahme am Dokumentations- und Lernort Bückeberg, im Ausschuss für Ordnung, Liegenschaften, Brandschutz und Bauen, in Emmerthal, ab.
Am 13. März 2018 stimmte der Kreistag im Landkreis Hameln-Pyrmont, mit Mehrheit, für den zukünftigen Dokumentations- und Lernort Bückeberg - die Fraktionen von CDU und "AfD" votierten gegen das Projekt.
Am 22. Februar 2018 stimmten CDU / FWE im Rat der Gemeinde Emmerthal für den Antrag von der "AfD" zu dem zukünftigen Lern- und Erinnerungsort Bückeberg eine Befragung der Einwohnenden - abzuhalten.
Am 30. Januar 2018 stimmten CDU / FWE im Fachausschuss der Gemeinde Emmerthal für den Antrag der "AfD" - zum künftigen Lern- und Erinnerungsort Bückeberg eine Befragung der Einwohnenden abzuhalten.
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www.bueckeberg-ggmbh.de
www.dokumentation-bueckeberg.de
www.geschichte-hameln.de
www.initiativegedenkortbueckeberg.wordpress.com
14./15.03.2020
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