Mindener Tageblatt ,
13.03.2020 :
Auf dem Weg zum sicheren Hafen
Mehr Geflüchtete, als die Quote vorgibt: Viele Portaner Politiker können sich vorstellen, einen humanitären Beitrag zu leisten / Nur einer schlägt quer
Thomas Lieske
Porta Westfalica. Die Stadt Porta Westfalica könnte sicherlich ein "sicherer Hafen" für Geflüchtete werden. Und wohl auch mehr Menschen aus unsicheren Herkunftsländern - vor allem unbegleitete Minderjährige und Frauen - aufnehmen, als die Quote vorgibt. In diesem Grundsatz ist sich die überwältigende Mehrheit der Vertreter des Haupt- und Finanzausschusses des Rates sicher und bekundete am Mittwochabend ihre grundsätzliche Zustimmung zum Antrag des Vereins "Hilfe für Flüchtlinge".
Doch bei allem guten Willen gibt es Informationsbedarf bei den Stimmträgern. Offene Fragen will Bürgermeister Bernd Hedtmann (parteilos) bis zur nächsten Ratssitzung Ende März klären. Dazu zähle vor allem die Tatsache, dass unbegleitete Minderjährige nicht in Asylunterkünften der Stadt unterkommen dürften, "sie brauchen eine Rundum-Betreuung", betont Hedtmann. Das müsse mit Sozialarbeitern geklärt werden. Zudem wolle er sich mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auseinandersetzen.
Dessen Mitarbeiter Tobias Glombeck, Mitglied der Grünen ist, meldet sich als Bürger zu Wort, als es um die Frage der Finanzierung geht. Er stellt klar, dass die Aktion "sicherer Hafen" eine symbolische sei. Sollte sich der Rat der Stadt Porta Westfalica tatsächlich dazu entschließen, mehr Geflüchtete aufzunehmen als die Quote vorgibt, werde diese faktisch erhöht. So sei im Anschluss auch die Finanzierung dieser Bereitschaft gesichert.
Für Dirk Rahnenführer (SPD) und seine Fraktion ist der Antrag des Vereins im Grundsatz unterstützenswert. "Bei den aktuellen Bildern aus Lesbos wird einem mehr als übel", sagt er. Die SPD wünscht sicher allerdings noch eine Stellungnahme der Verwaltung, was die Entscheidung für einen "sicheren Hafen" bedeutet. Marc Weber (Grüne) sieht bei der Stadt Porta eine "humanitäre Verantwortung. Die Fraktion sieht den Antrag sehr positiv." Ähnlich äußern sich auch CDU und FDP.
Der Bürgermeister will einige offene Fragen bis Ende März klären
Nur ein Mitglied vertritt eine andere Meinung. Für den Republikaner Volker Marsch ist der Antrag des Vereins "nicht griffig". Die Entscheidung, mehr Geflüchtete aufzunehmen als die Quote vorgibt, sei eine "außenpolitische Angelegenheit des Bundes, nicht die einer Kommune in der Haushaltssicherung". Seiner Ansicht nach sei Syrien "zu 95 Prozent sicher - und die Mehrheit sind Sozialmigranten". Marschs Äußerungen bleiben unkommentiert. Die einen schütteln den Kopf, die anderen hören kaum hin, während der Republikaner seine Worte von einem vorgeschriebenen Zettel abliest.
Tatsächlich hält das Auswärtige Amt seit Jahren für Syrien eine Reisewarnung aufrecht. Die politische Lage in dem Land sei instabil. Terroristische Strukturen gebe es "in allen Bereichen des Landes". Diese amtliche Einschätzung steht im krassen Kontrast zu den Worten des Republikaners.
Fernab dieses kurzen Exkurses wünscht sich Vereinsvorsitzender Hellmut Hiese im Rat eine breite Zustimmung zu seinem Antrag. 15 bis 20 zusätzliche Geflüchtete könnten nach seiner Ansicht nach Porta kommen, wenn die Stadt zum "sicheren Hafen" wird. Die Zustimmung des Rates gilt bereits heute als ziemlich sicher.
Der Autor ist erreichbar unter Telefon (0571) 882267 oder Thomas.Lieske@MT.de.
Bildunterschrift: Die Lage in den Flüchtlingslagern auf Lesbos ist derzeit angespannt. Die Stadt Porta wird sich wohl Ende März dazu bereiterklären, als "sicherer Hafen" mehr Geflüchtete aufzunehmen, als die Quote vorgibt.
Kommentar / Willkür der Populisten
Thomas Lieske
Dass Rechtspopulisten in Asyl-Fragen immer wieder mit Behauptungen um sich werfen, die Stimmung gegen Geflüchtete machen, verwundert längst nicht mehr. Dass diese in öffentlichen Gremien aber immer häufiger unkommentiert stehen bleiben, ist fatal. Vor allem die Äußerungen des Republikaners Volker Marsch im jüngsten Haupt- und Finanzausschuss müssen eingeordnet werden.
Syrien sei zu 95 Prozent sicher, behauptet der Rechts-Konservative. Und die Mehrheit der Geflüchteten aus Syrien seien Sozialmigranten. Worauf er diese Zahlen und Behauptungen stützt, sagt er nicht. Umso absurder erscheinen die Äußerungen, wenn man die Aussagen des Auswärtigen Amtes dagegen hält: "Die fortgesetzte Präsenz terroristischer Zellen in allen Landesteilen sorgt dafür, dass die terroristische Gefährdung akut bleibt." Die 95 Prozent sicheres Land bröckeln massiv - eine willkürlich gegriffene Zahl, um Stimmung zu machen. Und angesichts der massiven Gefahr - "Der IS ist nach wie vor in der Lage, überall im Land Anschläge zu verüben" - von einer "Mehrheit von Sozialmigranten" zu sprechen, ist menschenverachtend.
Die Einschätzung einer Staatsbehörde zur Sicherheitslage in Syrien, die permanent Beobachter vor Ort hat, sollte überzeugender sein als die eines Republikaners, dessen Partei die Abschaffung des Asylrechts fordert und mit ihrer Auffassung am Grundgesetz rüttelt. In Zeiten, in denen Populisten immer mehr Zulauf bekommen, müssen solche Aussagen öffentlich zurecht gerückt werden. Immer wieder.
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Mindener Tageblatt, 13.03.2020:
Porta Westfalica / Politiker wollen mehr Infos zum "sicheren Hafen"
Womöglich erklärt sich die Stadt Porta Westfalica Ende März zu einem „sicheren Hafen“ für Geflüchtete und wird mehr Flüchtlinge aufnehmen, als die bisherige Quote vorschreibt. Eine jetzt anberaumte Entscheidung wurde vertagt, weil Infos fehlen.
Seite 11
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Mindener Tageblatt, 11.03.2020:
Wird Porta zum sicheren Hafen?
Ein Verein beantragt die Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge über das Pflichtkontingent hinaus / Das Vorbild ist Minden
Dirk Haunhorst
Porta Westfalica. Porta Westfalica soll dem Beispiel Mindens und weiterer Städte folgen und zum "sicheren Hafen" werden. Das beantragt der Verein Hilfe für Flüchtlinge. Der Haupt- und Finanzausschuss wird sich in der heutigen Sitzung, die um 17 Uhr im Ratssaal beginnt, mit dem Thema befassen.
"Ich finde es beeindruckend, dass der Stadtrat Minden mit überwältigender Mehrheit erklärt hat, geflüchtete Menschen zusätzlich zu den Schlüsselzuweisungen aufzunehmen", sagte Hellmut Hiese gestern gegenüber dem MT. Der Vereinsvorsitzende möchte die Idee der Initiative heute im Ausschuss vorstellen. Hiese selber hält für denkbar, dass Porta sich an dem Mindener Kontingent orientiert und entsprechend der Größe der Städte gut ein Drittel der Mindener Zahl zusätzlich aufnimmt.
Die Mindener Stadtverordneten hatten Anfang Februar für die zusätzliche Aufnahme von 30 Geflüchteten plädiert und damit die zunächst angedachte Zahl sogar verdoppelt. Insbesondere soll unbegleiteten Kindern und Jugendlichen sowie Schwangeren oder kranken Menschen aus den völlig überlasteten Aufnahmelagern in Griechenland geholfen werden.
Ganz so viele wie in dem aktuellen Antrag des Portaner Flüchtlingsvereins dargestellt - nämlich 40 - nimmt Minden aber nicht auf. Sollte sich Porta an der Nachbarstadt orientieren, dürfte die zusätzliche Aufnahme bei ungefähr zehn Geflüchteten liegen. Aber das sei natürlich Sache der Politik, sagt Hiese. Wie berichtet, mischt der frühere Vorsitzende des SPD-Ortsvereins parteipolitisch nicht mehr mit. Hiese war im vorigen Jahr nach inhaltlichen Auseinandersetzungen über die Umwelt- und Klimapolitik aus der SPD ausgetreten.
Die kommunale Flüchtlingspolitik und der Antrag des Portaner Vereins wurden auch am vergangenen Donnerstag in der Bürgermeisterkandidaten-Runde im Bahnhof gestreift. Anke Grotjohann (parteilos) plädierte dafür, dass Porta Verantwortung übernehmen müsse. "Selbstverständlich bin ich dafür, dass man in Porta Flüchtlinge auch über die Schlüsselzuweisung hinaus aufnimmt." Ähnlich äußerten sich ihre Konkurrenten Jörg Achilles (SPD) und Uwe Siemonsmeier (parteilos).
Wie viele Menschen mit Fluchthintergrund zur Zeit in Porta Westfalica gemeldet sind, werde statistisch nicht erfasst, teilt die Verwaltung mit. "Der Aufenthaltsstatus dieses Personenkreises ist sehr unterschiedlich, nicht alle Zahlen liegen der Stadt vor, zum Beispiel nicht für anerkannte Flüchtlinge, die Hartz 4 beziehen", schreibt die Stadt. Darüber hinaus änderten sich die Lebensverhältnisse der Einzelnen entsprechend ihres Aufenthaltsstatus, was nicht nachgehalten werden könne, etwa wenn anerkannte oder sich im Asylverfahren befindende Geflüchtete eine Arbeit aufgenommen hätten.
Eindeutig ist hingegen die Zahl der Zuweisungen. 2018 wurden Porta Westfalica 56 Asylbewerber zugewiesen und im Jahr 2019 waren es 37 Personen. In diesem Jahr wurden bislang zehn Menschen aufgenommen. Die Aufnahmequote sei aktuell zu 99,8 Prozent erfüllt, teilt die Verwaltung mit.
Annähernd 140 Städte gehören in Deutschland inzwischen zu den Initiativen "Seebrücke / Sichere Häfen". Diese Kommunen sind bereit, über den ursprünglichen Anteil an der Flüchtlingsaufnahme hinaus Menschen aufzunehmen - insbesondere im Mittelmeer Gerettete. Die Zahl der zusätzlichen Plätze legt jede Kommune allerdings selbst fest.
Der Autor ist erreichbar unter Telefon (0571) 882164 oder Dirk.Haunhorst@MT.de.
Bildunterschrift: Seit Wochen gibt es Demonstrationen für die Aufnahme minderjähriger Geflüchteter aus griechischen Flüchtlingslagern. Diese Aufnahme entstand am 8. Februar in Berlin.
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Mindener Tageblatt, 11.03.2020:
Porta Westfalica / Verein möchte Porta zum "sicheren Hafen" machen
Porta Westfalica soll sich an der kommunalen Initiative "Sichere Häfen" beteiligen. Das beantragt der Verein Hilfe für Flüchtlinge. Demnach könnte Porta über die Schlüsselzuweisungen hinaus ungefähr zehn besonders Schutzbedürftige aufnehmen.
Seite 11
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