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Westfalen-Blatt , 09.03.2020 :

Aus Briefen an die Redaktion / Beschämend

Zum Rückkauf des Nolde-Gemäldes "Der Rentner":

Mit Erstaunen las ich vom Rückerwerb des "Rentners" von Emil Nolde für die riesige Summe von 680.000 Euro durch die Kunsthalle Bielefeld. Im Artikel taucht nur ganz am Rande auf, was eine Ausstellung im Hamburger Bahnhof in Berlin im Sommer 2019 beleuchtete: den nicht nur latenten Antisemitismus von Emil Nolde und seine Verehrung dieser braunen Pest von Nazis, seiner Denunziation anderer Expressionisten wie Pechstein. Als alter Bielefelder finde ich es sehr beschämend, wie unsensibel auch die Leitung der Kunsthalle (die noch nicht lange her den Namen des SS-Mitgliedes Kaselowsky ablegte) mit dieser Problematik umgeht.

Peter Vahle
33098 Paderborn

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Westfalen-Blatt, 20.02.2020:

Verschollenes Nolde-Gemälde zurück in Bielefeld

Von den Nazis als "entartet" beschlagnahmt - Sponsoren ermöglichen Kauf

Von Burgit Hörttrich

Bielefeld (WB). "Nun ist er da, unser "Rentner"", freute sich Dr. Jutta Hülsewig-Johnen, stellvertretende Leiterin der Kunsthalle Bielefeld über die Heimkehr von Emil Noldes Gemälde "Der Rentner", gemalt vor genau 100 Jahren. Die Nazis hatten das Werk, seit 1929 im Eigentum der Kunstsammlung der Stadt, 1937 als "entartet" beschlagnahmt, es mit 135 anderen Kunstwerken nach Berlin geschafft und es als "international verwertbares Kunstwerk" dem Kunsthändler Bernhard A. Böhmer übergeben. Bis 1961 war der Verbleib bekannt, dann verloren sich die Spuren. Bis 2018, als das Bild im Kunsthandel auftauchte; letzter Eigentümer war seit 2003 ein englischer Sammler. Der Kunsthändler bot das Bild der Kunsthalle Bielefeld an - die jedoch kein Geld hatte. "Der Rentner" sollte daraufhin in New York verkauft werden. Der damalige Kunsthallen-Direktor Dr. Friedrich Meschede ließ den Händler dennoch wissen: "Ja, wir kaufen es."

Daraufhin stellte der es als Leihgabe für die Ausstellung zum 50-jährigen Kunsthallen-Bestehen zur Verfügung, während Meschede nach möglichen Geldgebern suchte. Innerhalb von zehn Tagen habe er dann soviel Geld zusammen gehabt, um auf dieser Basis einen Förderantrag bei der Kulturstiftung der Länder stellen zu können. Dass diese den Rückkauf mit 227.000 Euro unterstütze, sei eine "Auszeichnung für die Kunsthalle". Die Stadt Bielefeld gab Geld dazu, der Großteil aber stammt von privaten Spendern, darunter Unternehmer Arend Oetker (unter anderem Hero AG) und dessen Frau Brigitte. Das Ehepaar, das in Berlin lebt, sammelt nicht nur selbst Kunst, es beteiligte sich an jedem Ankauf, den die Bielefelder Kunsthalle in den letzten Jahren getätigt hat, mit einer Spende.

Dr. Jutta Hülsewig-Johnen verwies auf die Bedeutung des Bildes zum einen wegen seiner wechselvollen Geschichte - die Provenienz ist inzwischen lückenlos geklärt -, aber auch, weil es "überragend" sei in der Reihe von Noldes "Charakterköpfen". "Der Rentner" nämlich sei eine "Fantasie des Malers über sein eigenes Alter". Es sei zudem geeignet, sich mit den "Brüchigkeiten und Widersprüchen" in Noldes Leben zu befassen. Weil Nolde auch überzeugter Antisemit war, hatte Kanzlerin Angela Merkel Noldes Gemälde "Brecher" aus ihrem Büro entfernen lassen. Hülsewig-Johnen: "Hitler mochte ihn nicht, seine Kunst galt als entartet und trotzdem hoffte Emil Nolde, zum Staatskünstler ernannt zu werden."

"Der Rentner" ist ab sofort im 1. Obergeschoss der Kunsthalle zu sehen - auch während der nächsten Ausstellung "Antonius Höckelmann - Alles in allem" ab 4. April.

Der Rückkauf

Das Gemälde "Der Rentner" von 1920 wurde über den Kunsthandel zurück erworben. Letzter Besitzer (seit 2003) war ein englischer Sammler. 1948 hatte der Nordwestdeutsche Museumsrat festgelegt, dass "als entartet beschlagnahmter Museumsbesitz" nicht einfach zurück gefordert werden dürfe. Mit Blick auf private Sammler steht in dem Beschluss der Satz: "Geschehenes Unrecht sollte nicht durch neues Unrecht "wieder gut gemacht" werden." Für den Rückkauf des Nolde-Gemäldes wurden 680.000 Euro gezahlt, die Kulturstiftung der Länder übernahm davon 227.000 Euro.

Bildunterschrift: Dr. Friedrich Meschede, ehemaliger Direktor der Kunsthalle Bielefeld, und seine Stellvertreterin Dr. Jutta Hülsewig-Johnen holten Emil Noldes Gemälde "Der Rentner" zurück nach Bielefeld. Es war 1937 beschlagnahmt worden.

Bildunterschrift: Erste Amtshandlung: Christina Végh, neue Chefin der Kunsthalle, nennt die Rückkehr des "Rentners" ein "Glück".


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