Westfalen-Blatt / Bad Oeynhausener Zeitung ,
09.03.2020 :
Ein Zeichen gegen Rassismus
VHS erinnert an jüdische Fußballlegenden
Von Alicja Grüllenberger
Bad Oeynhausen (WB). Die Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball" ist jüngst in der Volkshochschule (VHS) Bad Oeynhausen eröffnet worden. Sie erinnert an die Erfolge und Schicksale jüdischer Fußballer, Trainer, Journalisten und Funktionäre vor dem Zweiten Weltkrieg. Auch auf das heutige Rassismus-Problem wird hingewiesen.
Die Ausstellung wurde von VHS-Geschäftsstellenleiterin Gabriele Ujvári vorgestellt. In ihrem Vortrag setzte sie ein Zeichen gegen Antisemitismus. "Nationalität hat auf dem Fußballfeld keine Rolle gespielt", sagte sie. Die Juden hätten sich als Deutsche gefühlt, die auch nur Fußball spielen wollten. Zusätzlich seien sie stets um Integration bemüht gewesen.
Es wurde aber nicht nur der damaligen Opfer gedacht, sondern auch der heutigen. "Antisemitismus und Rassismus sind immer noch Themen", sagte Gabriele Ujvári. Genau deshalb wollte sie im Rahmen dieser Veranstaltung ein Zeichen gegen Ausgrenzung setzen. In der VHS sei kein Platz für Intoleranz.
Entstanden sei das Projekt eher zufällig. Der Verein "NRWeltoffen" habe die Veranstaltung schon lange in Bad Oeynhausen umsetzen wollen, jedoch fehlten ihm die passenden Räume. Da die VHS gerade eine Ausstellung abgebaut hatte, passte es perfekt. "Wir sind ein Pädagogen-Team aus unterschiedlichen Fachrichtungen, deshalb hat uns dieses Projekt um so mehr gefreut", sagte die VHS-Leiterin. Ob Geschichte, Kultur oder Politik - diese Ausstellung vereine alle Fachbereiche.
Die Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball" wurde vom Centrum Judaicum in Berlin konzipiert. Kurz nach der Weltmeisterschaft 2006 wurde sie erstmals gezeigt. Die Reproduktion der Ausstellung wurde von der DFB-Kulturstiftung finanziert. Über die evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau kann sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Um einen möglichen Bezug zu Bad Oeynhausen herstellen zu können, hatte Gabriele Ujvári das Stadtarchiv kontaktiert. Leiterin Stefanie Hillebrand hatte sich daraufhin sofort auf die Suche gemacht und war tatsächlich fündig geworden: Die fußballbegeisterten Brüder Siegfried und Manfred Berlinger haben in Bad Oeynhausen gelebt.
Siegfried Berlinger wurde 1920 geboren. Sein Bruder war fünf Jahre jünger. Gemeinsam gingen sie auf das ehemalige Realprogymnasium in Bad Oeynhausen. Zeitzeugen berichteten, dass die Brüder gute Fußballspieler waren. Eventuell habe Siegfried im jüdischen Fußballverein "Hellmannia Minden" gespielt. Bis zur mittleren Reife habe er noch die Schule besuchen können.
Der Vater der Jungen war Prokurist in einem jüdischen Textilhaus, bevor es 1937 arisiert wurde. 1942 wurde die vierköpfige Familie samt Großmutter Rosa Berlinger in das Ghetto Warschau deportiert. Dort verlor sich ihre Spur.
Durch die Verlegung von Stolpersteinen für die Familie Berlinger schuf Pfarrer Lars Kunkel 2011 eine Erinnerung. Der Verein "Stolpersteine" will mit diesen ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen und der Opfer gedenken. Ein Stein wurde auch schon dem VHS-Gründer Ludwig Louis Back gewidmet. Er war ebenfalls ein Jude. 2013 wurde der Stein in der Wiesenstraße 1 verlegt.
Noch bis Freitag, 27. März, kann die Ausstellung im Foyer der VHS, Kaiserstraße 14, besucht werden. Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 8.30 bis 12.30 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 14.30 bis 17 Uhr.
Bildunterschrift: Geschäftsstellenleiterin Gabriele Ujvári hat die Ausstellung im Foyer der VHS mit einem Vortrag eröffnet.
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Mindener Tageblatt, 12.02.2020:
Pioniere des Fußballs
1933 endeten die erfolgreichen Karrieren vieler jüdischer Sportler schlagartig / Eine Ausstellung im Rathaus ruft das Kapitel in Erinnerung
Ulrich Westermann
Petershagen. "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball" heißt eine Ausstellung, die im Erdgeschoss des Rathauses Petershagen eröffnet worden ist. Mit Bildern, Schlagzeilen, Biografien und Texten wird auf die Bedeutung der Juden für den deutschen Fußball hingewiesen. Jüdische Spieler, Trainer, Journalisten und Funktionäre wurden umjubelt und verehrt. Ab 1933 veranlassten die Nationalsozialisten, dass die Juden aus Vereinen ausgeschlossen, verfolgt und zum Teil in Konzentrationslager deportiert wurden.
In der Ausstellung ist ein Plakat dem Sturmduo Fuchs und Hirsch gewidmet. Mit diesen Torjägern gewann der Karlsruher FV im Jahr 1910 die Deutsche Fußballmeisterschaft. Zwischen 1911 und 1913 wurden Gottfried Fuchs und Julius Hirsch in der Nationalmannschaft eingesetzt. Beim 5 : 5 in Zwolle gegen Holland im Jahr 1912 erzielte Hirsch vier Tore, eine bis zu diesem Zeitpunkt in der deutschen Länderspielgeschichte nie erreichte Leistung. Eine neue Bestmarke stellte Gottfried Fuchs bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm auf. Ihm gelangen beim 16 : 0-Sieg der Fußballnationalmannschaft gegen Russland nicht weniger als zehn Treffer, ein bis heute gültiger nationaler Rekord.
Als der FC Bayern München im Jahr 1932 zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte den deutschen Meistertitel errang, übte Kurt Landauer das Amt des jüdischen Vereinspräsidenten aus. Auch der Bayern-Trainer Richard "Little" Dombi war ein Jude. Beide wurden in München nach dem Titelgewinn gefeiert. Julius Hirsch ist 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.
Gottfried Fuchs gelang es 1937, sich und seine Familie in der Schweiz in Sicherheit zu bringen, 1940 folgte die Ausreise nach Kanada. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Fuchs nur noch aus beruflichen Gründen nach Deutschland. Kontakte und Ehrungen seines früheren Vereins lehnte er ab. Seine Begründung war: "Weil sie den Julius Hirsch ermordet haben". Seit 2005 zeichnet der Deutsche Fußballbund mit dem Julius-Hirsch-Preis jedes Jahr Vereine, Initiativen und Einzelpersonen aus, die sich gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus einsetzen.
In der Ausstellung werden 14 Plakate gezeigt. Die Fachstelle NRWeltoffen des Kreises Minden-Lübbecke hat die Exponate von der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau ausgeliehen, um sie den Besuchern zu präsentieren.
Die Eröffnung nahm der Leiter der Sozial- und Schulverwaltung, Detlev Scheumann, vor. Dank richtete er an Daniel Kapteina von der Fachstelle NRWeltoffen, der die Ausstellung in den Mühlenkreis holte. Die Stadt beteilige sich an diesem Netzwerk, um mit den demokratischen Partnern der Zivilgesellschaft Strategien und Handlungsoptionen für den Umgang mit Rassismus und Rechtsextremismus zu finden.
Bereits im vergangenen Jahr habe es Schulungsangebote und Veranstaltungen wie den "Tag der offenen Gesellschaft" in Petershagen gegeben. "Auch in unserer ländlichen Region ist kein Platz für Intoleranz, Menschen- und Demokratie-Feindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Wir setzen uns ein für eine offene und tolerante Gesellschaft", bekräftigte Scheumann.
Die Ausstellung beleuchte Erfolge und Schicksale großer jüdischer Sportler. Zudem biete Petershagen Orte der Erinnerungskultur und zur Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus oder der Ideologie des völkischen Nationalismus an. In diesem Zusammenhang nannte Scheumann die Stolpersteine zur Erinnerung an deportierte jüdische Einwohner, die alte Synagoge und die Aufarbeitung weiterer geschichtsträchtiger Orte.
Der frühere Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Minden, Harald Scheurenberg aus Frille, erinnerte an den Rabbiner Julius Hellmann, der 1934 in Minden den jüdischen Sportverein "Hellmania" für Fußball, Leichtathletik und Turnen ins Leben gerufen habe. Die braunen Machthaber hätten den Sportverein nur einige Jahre, bis 1938, geduldet.
In der Ausstellung geht es darum, dass Juden nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder eine vergleichbare Rolle im deutschen Fußball wie in den Jahren zwischen 1910 und 1932 spielen sollten. Auf einigen Exponaten geht es um Hakoah Berlin. Im März 1947 fanden sich einige jüdische Überlebende in Berlin zusammen und gründeten eine Sportgemeinschaft, anknüpfend an die Tradition des neun Jahre zuvor verbotenen Sportvereins.
Zu den Spielern gehörte der Rundfunkjournalist und spätere "Dalli-Dalli"-Quizmaster Hans Rosenthal. Auf Bildern ist er im Sportdress mit dem brasilianischen Fußballstar Pele und bei einem Spiel auf dem Sportplatz Grunewald 1947 zu sehen. Rosenthal hatte die Nazi-Verfolgung in einem Versteck in Berlin überlebt. Da viele Juden nach Israel oder in die USA auswanderten, musste Hakoah seine Aktivitäten einstellen. Erst 1970 gelang es, mit der Gründung des Turn- und Sportvereins TuS Makkabi Berlin an die Tradition anzuknüpfen.
Öffnungszeiten
Die Ausstellung ist bis Freitag, 28. Februar, geöffnet. Schulklassen, Mitglieder von Sport-vereinen und weitere Besucher sind montags bis freitags von 8.30 bis 12.30 Uhr sowie montags und donnerstags von 14 bis 17 Uhr willkommen.
Bildunterschrift: "Kicker, Kämpfer und Legenden - Juden im deutschen Fußball" heißt eine Ausstellung, die im Rathaus in Petershagen eröffnet worden ist.
Bildunterschrift: Das Plakat "Fuchs und Hirsch" erinnert an das frühere Sturmduo.
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www.minden-luebbecke.de/Service/Integration/NRWeltoffen/
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