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Westfalen-Blatt / Zeitung für Gütersloh, Verl, Harsewinkel, Rheda-Wiedenbrück und Rietberg , 09.03.2020 :

Der Platz ist begrenzt

Politik und Verwaltung äußern sich zum Bündnis "Sicherer Hafen"

Von Siegfried Scheffler

Gütersloh (WB). Kann und will die Stadt Gütersloh das leisten, was sie sich laut Ratsbeschluss vom September 2019 auf ihre Fahnen geschrieben hat? Ein "sicherer Hafen" für aus Seenot gerettete Flüchtlinge, insbesondere Kinder und Jugendliche. Genau diesen Namen trägt das Bündnis von inzwischen mehr als 100 Kommunen, in dem Gütersloh Mitglied ist. Die Verpflichtungen daraus wurden zuletzt von etlichen Verbänden, Vereinen und politischen Parteien angemahnt.

Der Oberbürgermeister der Stadt Hamm, Thomas Hunsteger-Petermann (CDU), ist in die Offensive gegangen und stellte mit Blick auf die deprimierenden Vorgänge an der türkisch-griechischen Grenze fest, kurzfristig 300 bis 500 Plätze in Wohnungen oder Übergangswohnheimen für die Unterbringung von Flüchtlingen bereitstellen zu können. Kann Gütersloh Ähnliches leisten? Diese Zeitung fragte bei der Stadt nach.

"Die Unterbringungskapazitäten finden schnell ihre Grenzen, ohne dass wir die Möglichkeit haben, diese absehbar zu erweitern."
Susanne Zimmermann, Stadtverwaltung Gütersloh

"Wir sind organisatorisch und personell aktuell gut aufgestellt und können mit steigenden Zuweisungen umgehen", sagte Stadtsprecherin Susanne Zimmermann, schränkte indes ein: "Die Unterbringungskapazitäten finden schnell ihre Grenzen, ohne dass wir die Möglichkeit haben, diese absehbar zu erweitern." Zur Zeit verfüge die Stadt rechnerisch über 63 freie Plätze in den dafür geschaffenen Unterkünften. Die freien Kapazitäten verteilten sich über das gesamte Stadtgebiet.

Laut Auskunft der Stadtverwaltung lebten aktuell 787 Menschen in diesen Unterkünften, die als Geflüchtete Gütersloh zugewiesen worden seien. Zusätzlich würden in den nächsten zwei Wochen 16 neu zugewiesene Personen untergebracht. Der Wegfall der Parseval-Siedlung am Flughafen Ende des Jahres wirke sich nicht erschwerend aus, so die Verwaltung. Die Stadt stehe in Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), dass die Familien aus der Parseval-Siedlung an andere Wohnstandorte im Bima-Eigentum umziehen könnten. Diese Wohnungen seien bei den vorgenannten freien Platzkapazitäten nicht berücksichtigt.

Die Stadt Gütersloh betont, "im Rahmen ihrer solidarischen Verpflichtung bereitwillig ihren Beitrag zu leisten, den Menschen, die der Bund nach Deutschland aufnimmt, Schutz, Sicherheit und Hilfe zu leisten". Aber die Ratsmitglieder hätten nach dem Beitritt ins Bündnis "Sicherer Hafen" bisher keine Entscheidung darüber getroffen, ob und wie viele Menschen zusätzlich zur regulären Zuweisung aufgenommen werden könnten - weder für aus Seenot Gerettete, noch für Personen aus Auffanglagern in Griechenland oder anderen Orten. "Wir gehen seitens der Stadt davon aus, dass sich der Rat in seiner nächsten Sitzung am Freitag, 27. März, mit dieser Frage beschäftigen wird", sagt Susanne Zimmermann.

CDU

Heiner Kollmeyer: "Wir haben im September den Beitritt zum Bündnis "Sicherer Hafen" abgelehnt, weil wir keine falschen Signale setzen wollten, dass wir unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen könnten. Wir selbst haben in Gütersloh genug Probleme, was Wohnungssuchende angeht. Eine Einquartierung in Turnhallen wie 2015 darf sich nicht wiederholen. Das war eine zu große Belastung für die Sportvereine. Dass die Situation der Flüchtlinge auf Lesbos und in anderen Lagern unmenschlich und erbärmlich ist, ist gar keine Frage, aber wir müssen es handeln können. Eine kleine Gruppe von 20 bis 25 Menschen aufzunehmen, das ginge wohl."

SPD

Thomas Ostermann: "Wir haben im September 2019 den Antrag "Sicherer Hafen" auf den Weg gebracht und sind der Meinung, die Stadt Gütersloh hat noch die Möglichkeiten, Flüchtlinge auch über den Verteilungsschlüssel hinaus aufzunehmen. Da sind wir noch nicht zu 100 Prozent ausgelastet. "Sicherer Hafen" heißt, dass aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufgenommen werden. Unserer Auffassung nach gilt das auch für Menschen, die auf den griechischen Inseln untergebracht sind. Aber wir können nur dann aufnehmen, wenn es das Innenministerium beschließt. Das ist bis jetzt nicht der Fall."

Grüne

Birgit Niemann-Hollatz: "Es ist sehr richtig, dass der Entschluss "Sicherer Hafen" gefasst wurde. Bei vielen ist die Bereitschaft groß zu helfen. Es ist wichtig, besonders unbegleitete Kinder und Jugendliche aufzunehmen, auch über die Quote hinaus. Wir sind auch dafür, dies nicht nur auf die aus Seenot geretteten Flüchtlinge zu begrenzen. Deren Situation ist unerträglich. Man kann Griechenland damit nicht allein lassen. Wir dürfen nicht nur zuschauen. Wie die Unterkunftsmöglichkeiten in Gütersloh aussehen, ist mir nicht bekannt. Eine begrenzte Anzahl von Flüchtlingen können wir aufnehmen."

BfGT

Nobby Morkes: "Wir haben den Beschluss "Sicherer Hafen" mitgetragen, doch erst mal müssen die Bedingungen geschaffen werden, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Wir wissen nicht, welche Kapazitäten zur Verfügung stehen. In Gütersloh liegen 2.260 Fälle vor, in denen Menschen wegen verschiedenster Umstände Wohnraum benötigen. Wenn wir also sagten, wir nähmen mehr Flüchtlinge auf, als die Quote verlangt, bekämen wir ein Riesenproblem. Weil dann viele Menschen fragen würden: "Warum bekommen wir keine Wohnung?" Wir müssen eine Gleichgewichtung hinbekommen, erst dann kann man handeln."

Bildunterschrift: Bereit für steigende Zuweisungen von Flüchtlingen ist die Stadt laut Aussage der Verwaltung. Es stünden noch 63 Plätze zur Verfügung, davon würden in Kürze 16 gebraucht. Die Konsequenzen aus dem Beitritt zum Bündnis Sicherer Hafen bleiben unklar.

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Westfalen-Blatt / Zeitung für Gütersloh, Verl, Harsewinkel, Rheda-Wiedenbrück und Rietberg, 09.03.2020:

Heute im Lokalteil / Sicherer Hafen mit 63 Plätzen

Seit dem Ratsbeschluss im September 2019 ist Gütersloh Mitglied im Bündnis "Sicherer Hafen" für Flüchtlinge. Die Stadt gibt aktuell 63 freie Aufnahmeplätze an. Ob das Ratsgremium mehr fordern wird, ist noch unklar.

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Neue Westfälische - Gütersloher Zeitung, 16.09.2019:

Gütersloh erklärt sich zu einem "Sicheren Hafen"

Votum: Stadt verpflichtet sich, Seenot-Flüchtlinge aufzunehmen / Alle sind dafür, bis auf die CDU

Gütersloh. Auch Gütersloh wird, wie bereits 60 andere Kommunen, zu einem "Sicheren Hafen". Dafür sorgten im Stadtrat SPD, Grüne, BfGT, Linke, UWG und FDP gegen das Votum der CDU. Damit erklärt sich die Stadt einem Antrag der SPD und der Evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh zufolge bereit, aus Seenot gerettete, übers Mittelmeer nach Europa fliehende Menschen direkt aufzunehmen und unterzubringen.

In der Begründung des Antrags stellte Volker Richter gleich klar, dass die Ursache der Probleme, vor denen Menschen flüchten, nicht in Gütersloh lägen und hier auch nicht gelöst werden könnten. Er nannte Korruption, Gewalt, Konflikte, auch falsche Entscheidungen europäischen Politik. Aber: "Hier geht es um Menschen in akuter Notsituation." Richter führte das Gleichnis vom barmherzigen Samariter an. Die SPD betrachte "Gütersloh als weltoffene Stadt", das "eint uns mit der Evangelischen Kirche und vielen Menschen in dieser Stadt". Es gehe im Übrigen "nicht um Aufnahme von Flüchtlingen in der Größenordnung von 2015".

"Selber Quartier schaffen, statt an die Stadt zu delegieren"

"Gütersloh ist ein sicherer Hafen", begann der CDU-Fraktionsvorsitzende Heiner Kollmeyer seine Gegenrede. Und dankte für das, was bisher für Flüchtlinge in der Stadt geleistet worden sei. Man wolle sich "nicht als unmenschlich bezeichnen" lassen, wenn man den Antrag ablehne. Es sei "unmenschlich, was sich abspielt auf dem Mittelmeer". Aber für die CDU ist laut Kollmeyer der die Zuweisung von Geflüchteten in die Kommunen regelnde "Königsteiner Schlüssel" ein bewährtes, ausreichendes Instrument. Würde der Antrag beschlossen, wäre das "eine große Herausforderung für die Stadt".

Kollmeyer verwies auch auf "kritische Leserbriefe" nach Bekanntwerden des Antrags. Außerdem: "Jeder von uns könnte was tun." Es gebe in den Häusern so manches freie Zimmer, die Evangeliumskirche stehe leer. Hier könne man Quartier schaffen, "statt an die Stadt zu delegieren". Die CDU sehe den Antrag "sehr kritisch", jedoch "nicht, weil wir unmenschlich sind".

"Beitritt zum Städte-Bündnis ist ein wichtiges Signal"

Für die Grünen sagte Birgit Niemann-Hollatz, die Stadt verfüge über die notwendigen Ressourcen und könne eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung leisten. Mit dem Beitritt zum Bündnis "Städte Sicherer Häfen" könne man "ein wichtiges Signal setzen und einen Beitrag leisten zu einem menschlichen Umgang mit geflüchteten Menschen". Weiter: "Wir können und sollten hier vor Ort handeln - im Rahmen unserer Möglichkeiten."

Bürgermeister Henning Schulz erklärte indes, dass solche Hilfe "in den bestehenden Systemen möglich ist". Es wäre "klug", diese zu nutzen, so Schulz. Denn von dem Geld, das die Stadt für jeden Flüchtling pro Jahr aufwende, erhalte sie (nur) dann etwas erstattet. "Was Sie inhaltlich wollen, machen wir in bestehenden Systemen."

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www.seebruecke.org/safe-havens/guetersloh


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