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Deister- und Weserzeitung , 09.03.2020 :

"Lieber Flüchtlinge als Rassisten"

Schüler und Erwachsene protestieren vor Schulmensa gegen AfD / Vermietung durch die Stadt verwundert

Von Carlhermann Schmitt und Juliane Lehmann

Bad Pyrmont. "Zu Risiken und Nebenwirkungen von Rechtspopulisten lesen Sie ein Geschichtsbuch oder fragen Sie ihre Großeltern" steht auf einem Plakat von Schülern des Bad Pyrmonter Humboldt-Gymnasiums, die sich der Vereinnahmung ihrer Schule widersetzen, die für Offenheit, Toleranz und Mitmenschlichkeit steht.

Sie hatten sich am Samstagabend vor der Mensa des Schulzentrums versammelt, die von der AfD für einen Wahlkampfauftritt ihres Landratskandidaten Christopher Emden von der Stadt angemietet worden war, an der auch die AfD-Landesvorsitzende Dana Guth teilnahm. Während drinnen rund zwei Dutzend Interessierte der Veranstaltung folgten, ließen draußen weit über 100 Schüler und Erwachsene keinen Zweifel, was sie vom Gedankengut der Blauen halten. Mit Plakaten wie "Wohl in Geschichte nix gerAfD", "Menschenrechte statt rechter Menschen" machten sie deutlich, dass sie sich ein anderes Deutschland wünschten, als das was die AfD anzubieten habe. Mit Buh-Rufen und Musik wiesen sie Emden und dessen Anhänger darauf hin, dass sie die rechte Partei mit einem Aus für Demokratie gleichsetzen und dass Rassismus töte.

Die Polizei hatte leichtes Spiel. Weder die Jugendlichen noch die Erwachsenen waren auf Krawall gebürstet. Sie wollten nur deutlich machen, "dass sie Rassisten gerne gegen Flüchtlinge eintauschen" würden. Dass die Abschlussveranstaltung des AfD-Landratswahlkampfs überhaupt in einem städtischen Gebäude stattfinden durfte, wunderte so ziemlich alle, die - weil keine AfD-Sympathisanten - erst kurz vor der Veranstaltung von dem bis dahin konspirativ geplanten Termin erfuhren. Auf der Facebook-Seite der AfD wurde der Termin erst am Freitagmittag bekannt gegeben. "Sonst werden wir immer über externe Veranstaltungen informiert, die bei uns stattfinden. Aber über diese AfD-Kundgebung hat uns die Stadtverwaltung nicht informiert", erklärt eine Pädagogin aus dem Pyrmonter Schulzentrum, die ungenannt bleiben möchte. Aus Angst vor Repressalien, wie sie sagt. Sie habe sich "tierisch aufgeregt", als sie zufällig erfahren habe, dass die Stadt der rechtspopulistischen und in Teilen sogar rechtsextremen Partei die Mensa überlasse. "Andere Kommunen schaffen es doch auch, sich dagegen zu wehren", sagte die Lehrerin.

Befremdlich erscheine ihr und anderen die Vermietung der Mensa an die AfD auch vor dem Hintergrund, "dass sich gerade in diesem Raum die ganze Woche über Kinder und Jugendliche aufhalten, deren Familien aus unterschiedlichsten Ländern stammen". Und auch die Reinigungskräfte, die den Raum säuberten, kämen aus unterschiedlichen Kulturen.

Apropos Mensa: Auf ihrer Facebook-Seite erklärt die AfD den Raum fälschlicherweise zur "Mensa des Humboldt-Gymnasiums". Obendrein wird das Gymnasium, das als "Schule gegen Rassismus - Schule mit Courage" zertifiziert ist, auch noch als Werbeträger der Partei vereinnahmt. So hat die AfD den Facebook-Auftritt des Gymnasiums auf ihrer eigenen Facebook-Seite verlinkt. Zudem ging damit eine Vermischung der parteieigenen Bildergalerie mit diversen Fotos aus dem Schulleben des Gymnasiums einher. So konnte der Eindruck einer Zusammenarbeit mit der Schule entstehen. Rektorin Dr. Barbara Conring reagierte auf diesen von der AfD erweckten Eindruck befremdet. "Eine Verbindung zwischen der Veranstaltung und dem Humboldt-Gymnasium ist in keiner Weise gegeben", betonte sie auf Anfrage.

Bürgermeister Klaus Blome sagte, er habe keine Möglichkeit gesehen, der AfD die Mensa, die regelmäßig für Veranstaltungen vermietet wird, zu verweigern, erklärte er am Freitag. Er berief sich auf einen Erlass des Kultusministeriums, nach dem Politiker jeweils vier Wochen vor einem Wahltag lediglich nicht am Unterricht teilnehmen dürfen. Zudem dürfe der Schulunterricht nicht von Veranstaltungen beeinträchtig werden. "Das ist nicht der Fall, denn am Samstag gibt es keinen Unterricht", so Blome. (mit uk)

Bildunterschrift: Weit über 100 Schüler und Erwachsene protestierten vor der Mensa des Schulzentrums gegen die AfD und hielten Transparente und Schilder an die Fensterscheiben.


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