Neue Westfälische - Verler Tageblatt ,
07.03.2020 :
Rechtes Statement auf dem Lastwagen
Lkw-Aufkleber mit völkisch-nationalen Sprüchen haben beim Truck-Treff 2019 ebenso für Ärger gesorgt wie ein Stand mit Reichskriegs-Flaggen / Der Veranstalter trifft Vorsorge, dass sich das nicht wiederholt
Roland Thöring
Verl-Kaunitz. Ist es Unwissenheit, gepaart mit schlechtem Geschmack, oder ein völkisch-nationales Statement? Immer wieder taucht der Aufkleber an Lastwagen auf, provoziert und sorgt für Entsetzen: "Führerhaus - Fahrer spricht Deutsch", steht auf der Fahrerkabine, ausgerechnet in Frakturschrift, die - wenngleich historisch nicht ganz korrekt - den Stempel der Nazi-Schrift trägt, da sie ab 1933 in Deutschland eine Renaissance erlebte und von Neonazis bevorzugt genutzt wird. "Führerhaus - Fahrer spricht Deutsch" stand auch auf der Fahrertür eines Lastwagens, der im vergangenen Sommer beim Truck-Treff in Kaunitz auftauchte. Das hat jetzt Konsequenzen.
Ein Mitglied der Antifaschistischen Aktion Werne hat diesen und weitere fragwürdige Aufkleber fotografisch dokumentiert und die Bilder der NW zur Verfügung gestellt. "Klagt nicht, kämpft!" fordert an der Windschutzscheibe des Lastwagens einer Spedition aus Telgte ein von zwei Eisernen Kreuzen eingerahmter Schriftzug.
"Die Aufkleber sind klar rechts einzuordnen"
Als "Deutscher Asphaltkrieger" bezeichnet sich der Fahrer einer anderen Zugmaschine. Ein dritter verkündet "Meine Ehre heißt Treue". In beiden Fällen wieder Frakturschrift, wieder das Eiserne Kreuz. Strafbar ist das nicht, aber die geweckten Assoziationen sind wohl beabsichtigt.
Jannik Kohl von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus OWL in Herford ordnet solche Sticker als "klar rechts" ein. Selbst wenn sie nicht nur in rechten Shops vertrieben werden. Den "Führerhaus - Fahrer spricht Deutsch"-Aufkleber kann man sogar bei Amazon bestellen.
Bei Truckern tauchen diese Dinge inzwischen häufiger auf, sagt Kohl. Für Schlagzeilen sorgten beispielsweise zuletzt Lastwagen eines Gerüstbauers aus Neukloster in Mecklenburg-Vorpommern sowie von Baufirmen aus Hannover und Niederösterreich. Das "Erlebnisfeld Trucker-Festival" habe der Bundesverband der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus allerdings als Sammelpunkt einer rechten Szene nicht im Blick.
Dass sich entsprechend Gesinnte dort wohlfühlten, sei aber nicht auszuschließen: Es gebe gewisse Schnittmengen zur Country-Szene. Die Südstaaten-Flagge beispielsweise wird beim Kaunitzer Truck-Treff von den Besuchern gern gezeigt. Für die einen mag es Cowboy-Romantik sein, andere verbinden sie mit dem Rassismus der Sklaverei.
Eindeutiger ist da die so genannte Reichskriegs-Flagge. Ein Händler beim Kaunitzer Truck-Treff hatte sie im vergangenen Jahr an seinem Stand im Angebot. Dem Antifa-Mitglied aus Werne stieß sie unangenehm auf, und auf Druck von Truck-Treff-Veranstalter Thorsten Niebel packte der Händler sie schließlich wieder ein. Anders als die von den Nationalsozialisten verwendete Variante ist die Reichskriegsflagge des Deutschen Kaiserreichs nicht verboten, wird von Neonazis und Reichsbürgern aber gern als Ersatzsymbol verwendet. Die Polizei darf sie deshalb in einigen Bundesländern, auch in Nordrhein-Westfalen, aus der Öffentlichkeit entfernen.
"Das ist kein flächendeckendes Festival-Problem"
Das alles soll sich bei der 35. Auflage des Truck-Treffs im kommenden August nicht wiederholen, sagt Thorsten Niebel. "Dieser Händler war der einzige, der die Flagge verkaufte. Und er wird sie beim nächsten Mal nicht mehr im Angebot haben", versichert er.
Und bei Lastwagen sollen künftig Kontrollen verhindern, dass Fahrzeuge mit völkisch-nationalen, rechtsextremen oder rassistischen Aufklebern auf das Gelände fahren. Es handele sich um Einzelfälle, ein "flächendeckendes Festival-Problem" gebe es nicht. Auch wenn häufiger als früher Fahrer unter den Gästen seien, "die nicht an Country-Musik interessiert sind, sondern lieber Böhse Onkelz hören".
470 Show-Trucks und ganz normale Zugmaschinen nahmen 2019 an der Veranstaltung auf dem Gelände der Ostwestfalenhalle teil, sie kommen in ganzen Kolonnen und auch in der Dämmerung. "Da sieht man die Aufkleber nicht auf den ersten Blick", sagt Niebel. Für den zweiten will der Veranstalter seine Einweiser an der Zufahrt entsprechend sensibilisieren und die Trucker schon bei der Anmeldung darauf hinweisen, dass solche Parolen und Schriftzüge nicht geduldet werden. "Wir wollen alle ein friedliches Festival feiern - solche Dinge braucht da kein Mensch." Niebel kündigt an, im Zweifel von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und die Teilnahme an der Veranstaltung zu verwehren.
Der Telgter Spediteur hat ebenfalls reagiert. Der Fahrer seines Lastwagens habe jetzt sämtliche Aufkleber vom Fahrzeug entfernt, teilte er der NW mit, nachdem er hörte, "dass die Sache hohe Wellen schlägt". "Meine persönliche Einstellung ist das nicht. Ich habe das nur widerwillig hingenommen, denn es ist inzwischen sehr schwer, überhaupt noch Fahrer zu finden." Für seinen Mitarbeiter hat das zumindest den positiven Effekt, dass er im Sommer am Truck-Treff teilnehmen könnte.
Bildunterschrift: Über National-Flaggen und Südstaaten Flagge thronen an diesem Verkaufsstand zwei Reichskriegs Flaggen mit Adler und Eisernem Kreuz.
Bildunterschrift: "Deutscher Asphaltkrieger" steht auf dem Aufkleber hinter der Windschutzscheibe.
Bildunterschrift: Die Assoziation ist gewollt: Auf der Tür zur Fahrerkabine steht "Führerhaus - Fahrer spricht Deutsch".
Bildunterschrift: Eingerahmt vom Eisernen Kreuz fordert dieser Aufkleber in Frakturschrift "Klagt nicht, kämpft!".
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07./08.03.2020
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