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junge Welt , 07.03.2020 :

Vorbild Freikorps / Rechte Terror-Zelle

Rechte "Gruppe S." plante Massaker an Muslimen und Schwarzen, um einen Bürgerkrieg zu provozieren

Von Ulla Jelpke

Am 14. Februar 2020 schlug die Polizei zu. In mehreren Bundesländern wurden zwölf Männer festgenommen, denen vorgeworfen wird, einen "Zusammenschluss zur Beseitigung der staatlichen Ordnung" gebildet und zu diesem Ziel Anschläge auf Politiker, Muslime und Schwarze geplant zu haben. Die "Gruppe S." - so der vom mutmaßlichen Anführer Werner S. abgeleitete behördeninterne Name der rechten Terror-Gruppe - war am Mittwoch auch Thema im Innenausschuss des Bundestages. Die Ermittlungsleiterin der Generalbundesanwaltschaft, Cornelia Zacharias, berichtete dort über den Stand der Ermittlungen.

Gebildet hatte sich die "Gruppe S." nach Ansicht der Ermittler am 28. September 2019. Damals trafen sich fünf Männer auf einer Grillwiese im baden-württembergischen Alfdorf. Die Beschaffung von Waffen soll bereits dort Thema gewesen sein. Seit November 2019 liefen die polizeilichen Ermittlungen gegen die fünf Personen, die sich selbst in einer Chat-Gruppe als der "harte Kern" bezeichneten. Auf die Spur gekommen waren die Ermittler der Gruppe bereits während anderer verdeckter Ermittlungen im Neonazi-Milieu. Durch einen Informanten aus der Zelle, der sich an das LKA Baden-Württemberg und das Bundesamt für Verfassungsschutz gewandt hatte, bekamen sie auch Einblick in die Kommunikationsstrukturen der Gruppe.

Aus der abgefangenen Kommunikation einer internen Chat-Gruppe wird deutlich, dass Werner S. den Aufbau eines "Freiwilligenverbandes zur Kräftemobilisierung" anstrebte. Dafür suchte er Männer zu gewinnen, die "intelligent, hart, schnell" seien und sich "etwas mehr als die Teilnahme an Demonstrationen und dergleichen" zutrauen. Um eine "Ausbildung im militärischen Sinne" werde sich gekümmert, "Verrat" werde "strengstens geahndet". Vorbild für die geplante Schattenarmee waren offenbar die protofaschistischen Freikorpsverbände, die nach der Novemberrevolution gebildet worden waren und blutig gegen die politische Linke vorgingen.

Am 8. Februar 2020 traf sich der "harte Kern" mit acht Unterstützern im westfälischen Minden. Obwohl die Anwesenden konspirativ agierten und ihre Mobiltelefone im Auto gelassen hatten, wurde das Treffen vom Staatsschutz abgehört. Werner S. enthüllte dort seinen Plan. Durch gleichzeitige Massaker von "Kommandos" an Betenden in Moscheen in kleineren Städten von zehn Bundesländern sollten gewaltsame Reaktionen von Muslimen hervorgerufen werden, um so einen Bürgerkrieg zu provozieren. Inzwischen wurde bekannt, dass die "Gruppe S." auch Anschläge auf Politiker wie den Grünen-Bundes-Ko-Vorsitzenden Robert Habeck und Grünen-Ko-Fraktionschef Anton Hofreiter geplant hatte. Todeslisten mit zahlreichen Namen von politischen Gegnern, wie sie bei anderen in letzter Zeit entlarvten extrem rechten Zellen gefunden wurden, hatte die "Gruppe S." aber nach bisherigen Erkenntnissen nicht geführt. Statt dessen plante die Gruppe neben den wohl wegen ihres Personenschutzes als "harte Ziele" eingestuften Politikern auch Anschläge auf "weiche Ziele", zu denen etwa willkürlich ausgewählte Bürger mit schwarzer Hautfarbe gezählt wurden. Für die Waffenbeschaffung wurden auf dem Treffen in Minden zwei Männer bestimmt, das dafür benötigte Geld in Höhe von 50.000 Euro sollten alle Gruppenmitglieder gemeinsam aufbringen.

Obwohl die Ermittler die Gruppe gerne noch länger beobachtet hätten, ordnete die Generalbundesanwaltschaft aus der Befürchtung, es könnten Beweise vernichtet werden, am 14. Februar den Zugriff an. 13 Personen wurden vorläufig festgenommen. Im Haus von Werner S. im bayerischen Mickhausen bei Augsburg stellte die Polizei eine geladene 9-Millimeter-Pistole und weitere Munition sicher. Auch bei anderen Gruppenmitgliedern wurden Waffen sichergestellt. Darunter befanden sich neben Messern, Äxten, Morgensternen auch eine Armbrust und selbstgebaute Handgranaten. Angesichts der Waffenfunde ergingen am folgenden Tag Haftbefehle wegen dringenden Tatverdachts gegen die Festgenommenen - nur der Informant bleibt in Freiheit, gilt aber weiterhin als Beschuldigter.

Sollten die Anschuldigungen gegen die "Gruppe S." zutreffen, dann handelt es sich um die mitgliederstärkste rechtsterroristische Gruppierung, die in der jüngeren deutschen Geschichte aufgedeckt wurde - glücklicherweise noch bevor sie ihre blutigen Pläne in die Tat umsetzten konnte. Das Massaker eines Faschisten an neun Besuchern einer Shisha-Bar und eines Café-Kiosks in Hanau nur sechs Tage nach dem Schlag gegen die "Gruppe S." zeigt indessen, dass es sich nur um die Spitze des Eisberges handelt und womöglich noch eine Vielzahl solcher tickender Zeitbomben existieren.

Bildunterschrift: Auf diesem Grillplatz bei Alfdorf sollen sich Mitglieder der "Gruppe S." getroffen haben.

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07./08.03.2020

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