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Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier , 06.03.2020 :

Fußball-Legenden vor dem Aus

Eine packende Ausstellung zeigt in der VHS unter dem Titel "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball" sowohl die Diskriminierung unter den Nationalsozialisten als auch den gegenwärtigen Rassismus

Elke Niedringhaus-Haasper

Bad Oeynhausen. Sie galten als Pioniere und Vorbilder des deutschen Fußballs. Und wurden umjubelt und verehrt. 1933 änderte sich das schlagartig und ihre erfolgreichen Karrieren waren von einem auf den anderen Tag beendet: Die der großen jüdischen Fußballer, ihrer Trainer, Journalisten und Funktionäre. Eine Ausstellung unter dem Titel "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball" hat sich auf die Spurensuche gemacht. Die dort gezeigten Bilder, Schlagzeilen, Biografien und Texte berührten die Gäste der Ausstellungseröffnung in der Volkshochschule sichtbar. Eine dieser Spuren führt sogar direkt bis nach Bad Oeynhausen.

Daniel Kapteina von der Fachstelle NRW Weltoffen des Kreises Minden-Lübbecke hat die Ausstellung von der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau ausgeliehen und nach Bad Oeynhausen gebracht. "Uns ist nichts darüber bekannt, inwieweit sich diese Fußball-Legenden am Anfang des 19. Jahrhunderts mit ihrer jüdischen Religion identifizierten. Ich vermute aber, dass viele von ihnen einfach ihren Traum vom Fußball leben wollten, sich als Deutsche fühlten und in den Wettkämpfen für Deutschland kämpften", sagt VHS-Leiterin Gabriele Ujvári.

Wie sehr sie sich damals um Integration bemühten, aber auch wie sie ausgegrenzt, diskriminiert und ermordet wurden, zeigt sich auf den Informationstafeln, die mit authentischen Texten und Fotos zusammengestellt wurden. Ein Beispiel dafür ist das Sturmduo Fuchs und Hirsch. Mit diesen beiden Torjägern gewann der Karlsruher FV 1920 die Deutsche Fußballmeisterschaft. Zwischen 1911 und 1913 wurden Fuchs und Hirsch in der Nationalmannschaft eingesetzt. Julius Hirsch erzielte beim 5 : 5 in Zwolle gegen Holland 1912 vier Tore - eine bis dahin nie erreichte Leistung in der deutschen Fußballgeschichte.

Gottfried Fuchs gelangen bei den Olympischen Spielen in Stockholm im selben Jahr beim 16 : 0 Sieg gegen Russland zehn Tore - ein Rekord, der bis heute gültig ist. Bis zum 10. November 1938 durften Juden nur noch in jüdischen Vereinen spielen. Danach wurden alle Sportaktivitäten für sie verboten. Julius Hirsch wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Gottfried Fuchs brachte sich und seine Familie 1937 in der Schweiz in Sicherheit und reiste 1940 nach Kanada aus. "Nach dem Zweiten Weltkrieg kam er nur noch aus beruflichen Gründen nach Deutschland. Kontakte und Ehrungen seines früheren Vereins lehnte er ab und begründete das mit der Ermordung seines Freundes Julius", beschreibt Gabriele Ujvári die Entwicklung.

Ein Beispiel aus Bad Oeynhausen konnte Stefanie Hillebrand, die Leiterin des hiesigen Stadtarchivs beisteuern: Ein Foto von 1935, dass die Sportskanone Siegfried Berlinger mit seinem Team des jüdischen Fußballvereins in Minden zeigt. Auf den Stolperstein, der zur Erinnerung vor seinem ehemaligen Wohnhaus von der Hindenburgstraße zur Wiesenstraße verlegt wurde, verwies Pfarrer Lars Kunkel.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sollten Juden nie wieder eine vergleichbare Rolle im deutschen Fußball spielen. Ihre Verdienste wurden verdrängt und gerieten in Vergessenheit. Die Ausstellung geht aber weit über diese Zeit hinaus und zeigt in einer eindrucksvollen Collage aus Fotos, wie sich heute Diskriminierung und Rassismus wieder in deutschen Fußballstadien breit machen. Zu sehen ist sie in der VHS noch bis zum 27. März: montags bis freitags von 8.30 - 12.30 Uhr und von 14.30 - 17 Uhr.

Bildunterschrift: Gabriele Ujvári, Leiterin der VHS in Bad Oeynhausen, und Daniel Kapteina von der Fachstelle NRWWeltoffen des Kreises Minden-Lübbecke haben mit der Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball" ein interessantes Thema publik gemacht.

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Mindener Tageblatt, 12.02.2020:

Pioniere des Fußballs

1933 endeten die erfolgreichen Karrieren vieler jüdischer Sportler schlagartig / Eine Ausstellung im Rathaus ruft das Kapitel in Erinnerung

Ulrich Westermann

Petershagen. "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball" heißt eine Ausstellung, die im Erdgeschoss des Rathauses Petershagen eröffnet worden ist. Mit Bildern, Schlagzeilen, Biografien und Texten wird auf die Bedeutung der Juden für den deutschen Fußball hingewiesen. Jüdische Spieler, Trainer, Journalisten und Funktionäre wurden umjubelt und verehrt. Ab 1933 veranlassten die Nationalsozialisten, dass die Juden aus Vereinen ausgeschlossen, verfolgt und zum Teil in Konzentrationslager deportiert wurden.

In der Ausstellung ist ein Plakat dem Sturmduo Fuchs und Hirsch gewidmet. Mit diesen Torjägern gewann der Karlsruher FV im Jahr 1910 die Deutsche Fußballmeisterschaft. Zwischen 1911 und 1913 wurden Gottfried Fuchs und Julius Hirsch in der Nationalmannschaft eingesetzt. Beim 5 : 5 in Zwolle gegen Holland im Jahr 1912 erzielte Hirsch vier Tore, eine bis zu diesem Zeitpunkt in der deutschen Länderspielgeschichte nie erreichte Leistung. Eine neue Bestmarke stellte Gottfried Fuchs bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm auf. Ihm gelangen beim 16 : 0-Sieg der Fußballnationalmannschaft gegen Russland nicht weniger als zehn Treffer, ein bis heute gültiger nationaler Rekord.

Als der FC Bayern München im Jahr 1932 zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte den deutschen Meistertitel errang, übte Kurt Landauer das Amt des jüdischen Vereinspräsidenten aus. Auch der Bayern-Trainer Richard "Little" Dombi war ein Jude. Beide wurden in München nach dem Titelgewinn gefeiert. Julius Hirsch ist 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.

Gottfried Fuchs gelang es 1937, sich und seine Familie in der Schweiz in Sicherheit zu bringen, 1940 folgte die Ausreise nach Kanada. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Fuchs nur noch aus beruflichen Gründen nach Deutschland. Kontakte und Ehrungen seines früheren Vereins lehnte er ab. Seine Begründung war: "Weil sie den Julius Hirsch ermordet haben". Seit 2005 zeichnet der Deutsche Fußballbund mit dem Julius-Hirsch-Preis jedes Jahr Vereine, Initiativen und Einzelpersonen aus, die sich gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus einsetzen.

In der Ausstellung werden 14 Plakate gezeigt. Die Fachstelle NRWeltoffen des Kreises Minden-Lübbecke hat die Exponate von der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau ausgeliehen, um sie den Besuchern zu präsentieren.

Die Eröffnung nahm der Leiter der Sozial- und Schulverwaltung, Detlev Scheumann, vor. Dank richtete er an Daniel Kapteina von der Fachstelle NRWeltoffen, der die Ausstellung in den Mühlenkreis holte. Die Stadt beteilige sich an diesem Netzwerk, um mit den demokratischen Partnern der Zivilgesellschaft Strategien und Handlungsoptionen für den Umgang mit Rassismus und Rechtsextremismus zu finden.

Bereits im vergangenen Jahr habe es Schulungsangebote und Veranstaltungen wie den "Tag der offenen Gesellschaft" in Petershagen gegeben. "Auch in unserer ländlichen Region ist kein Platz für Intoleranz, Menschen- und Demokratie-Feindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Wir setzen uns ein für eine offene und tolerante Gesellschaft", bekräftigte Scheumann.

Die Ausstellung beleuchte Erfolge und Schicksale großer jüdischer Sportler. Zudem biete Petershagen Orte der Erinnerungskultur und zur Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus oder der Ideologie des völkischen Nationalismus an. In diesem Zusammenhang nannte Scheumann die Stolpersteine zur Erinnerung an deportierte jüdische Einwohner, die alte Synagoge und die Aufarbeitung weiterer geschichtsträchtiger Orte.

Der frühere Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Minden, Harald Scheurenberg aus Frille, erinnerte an den Rabbiner Julius Hellmann, der 1934 in Minden den jüdischen Sportverein "Hellmania" für Fußball, Leichtathletik und Turnen ins Leben gerufen habe. Die braunen Machthaber hätten den Sportverein nur einige Jahre, bis 1938, geduldet.

In der Ausstellung geht es darum, dass Juden nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder eine vergleichbare Rolle im deutschen Fußball wie in den Jahren zwischen 1910 und 1932 spielen sollten. Auf einigen Exponaten geht es um Hakoah Berlin. Im März 1947 fanden sich einige jüdische Überlebende in Berlin zusammen und gründeten eine Sportgemeinschaft, anknüpfend an die Tradition des neun Jahre zuvor verbotenen Sportvereins.

Zu den Spielern gehörte der Rundfunkjournalist und spätere "Dalli-Dalli"-Quizmaster Hans Rosenthal. Auf Bildern ist er im Sportdress mit dem brasilianischen Fußballstar Pele und bei einem Spiel auf dem Sportplatz Grunewald 1947 zu sehen. Rosenthal hatte die Nazi-Verfolgung in einem Versteck in Berlin überlebt. Da viele Juden nach Israel oder in die USA auswanderten, musste Hakoah seine Aktivitäten einstellen. Erst 1970 gelang es, mit der Gründung des Turn- und Sportvereins TuS Makkabi Berlin an die Tradition anzuknüpfen.

Öffnungszeiten

Die Ausstellung ist bis Freitag, 28. Februar, geöffnet. Schulklassen, Mitglieder von Sport-vereinen und weitere Besucher sind montags bis freitags von 8.30 bis 12.30 Uhr sowie montags und donnerstags von 14 bis 17 Uhr willkommen.

Bildunterschrift: "Kicker, Kämpfer und Legenden - Juden im deutschen Fußball" heißt eine Ausstellung, die im Rathaus in Petershagen eröffnet worden ist.

Bildunterschrift: Das Plakat "Fuchs und Hirsch" erinnert an das frühere Sturmduo.

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- Montag, 10. Februar 2020 um 11.00 Uhr -


Eröffnung der Ausstellung: "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball"


Veranstaltungsort:

Verwaltungsgebäude
Schloßfreiheit 2 - 4
32469 Petershagen


Ausstellungsdauer: Vom 10. bis zum 28. Februar 2020 montags bis freitags von 08.30 bis 12.30 Uhr; montags und donnerstags von 14.00 bis 17.30 Uhr.


Auf großen Plakaten wird die Bedeutung von Juden für den deutschen Fußball beleuchtet und an Hand von einzelnen Biografien aufgezeigt, wie eng diese Persönlichkeiten mit vielen auch heute noch namenhaften Institutionen dieses Sports verknüpft waren.

Gerade in einer Zeit, wo antisemitische Straftaten durch extreme Rechte weiter stark zunehmen und rechte Parteien in den Parlamenten sich gegen eine Erinnerungskultur und offen für eine menschenverachtende Diskriminierung bestimmter Gruppen positionieren, ist dieses Wirken gegen das Vergessen von großer Bedeutung und verdient unsere Unterstützung.


Die Fachstelle NRWeltoffen beim Kreis Minden-Lübbecke hat die gezeigten 14 Banner von der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau entliehen und präsentiert diese in Zusammenarbeit mit der Stadt Petershagen.

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Am 10. Februar 2020 wurde im Rathaus Petershagen die Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden - Juden im deutschen Fußball", in Kooperation mit der Fachstelle NRWeltoffen im Kreis Minden-Lübbecke eröffnet.

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www.vhs-minden.de

www.minden-luebbecke.de/Service/Integration/NRWeltoffen

www.badoeynhausen.de/kultur-sport-freizeit/kultur/stadtarchiv


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