www.hiergeblieben.de

Neue Westfälische - Bünder Tageblatt , 05.03.2020 :

Ein Gesetz, das Juden hart traf

Stolpersteine: Johanna und Hugo Meyer werden ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert / Hier verhungert Hugo Meyer / Seine Frau kehrt nach dem Krieg zurück

Jasmin Hoymann

Bünde. Die so genannten Nürnberger Gesetze, darunter auch das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre", das am 15. September 1935 verabschiedet wurde, traf auch die Bünder Juden hart. Vor allem die Älteren, die auf ihre Hausgehilfinnen angewiesen waren, da sie keinen jüdischen Ersatz fanden und den Haushalt nicht alleine bewerkstelligen konnten.

Davon betroffen war auch die Familie Meyer. Hugo Meyer, geboren 1875, der mit seiner drei Jahre jüngeren Frau Johanna seit 1908 in Bünde wohnte, betrieb ein Textilgeschäft an der Ecke Nordring / Bahnhofstraße. Zeitweise lebte das Ehepaar mit seinem Sohn Erich über dem Geschäft, bevor sie an die Winkelstraße 14 umzogen, wo heute auch die Stolpersteine für Hugo und Johanna Meyer zu finden sind. Der für ihren Sohn Erich liegt im Ruhrgebiet.

Während der Nazi-Zeit wurde es für die Familie immer schwerer, ihr Geschäft in Bünde zu behalten, bis sie es schließlich aufgeben musste. Erich Meyer floh nach Frankreich, kehrte aber später als Widerstandskämpfer im Ruhrgebiet nach Deutschland zurück.

Inzwischen waren die Meyers alt geworden. Als das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" erlassen wurde, war im Hause Meyer eine christliche Hausgehilfin tätig, die laut Gesetz nun nicht mehr bei ihnen arbeiten durfte.

Ihre Haushaltshilfe sieht das Ehepaar nie wieder

Doch ohne sie war das Ehepaar aufgeschmissen, wie Hugo Meyer in einem Schreiben an den Herforder Landrat darlegte. Er bat um eine Ausnahmegenehmigung, da er selbst krank und fast komplett erblindet war. Seine Frau war bettlägerig. Von den Ärzten hatte Hugo erfahren, dass keine Besserung in Aussicht war, sondern sie wahrscheinlich dauernd pflegebedürftig bleiben würde. Erfolg hatte Hugo Meyer mit seiner Bitte nicht, die Suche nach Unterstützung im Haushalt ging weiter.

Erst im Jahr 1939 kommt Hannelore Levy mit 15 Jahren als Haushaltsgehilfin an die Winkelstraße 14. Doch lange bleibt sie nicht. Ein Jahr später schon zieht sie wieder weg und wird wenig später von den Nazis deportiert und in Minsk ermordet. Doch dies wussten die Meyers wahrscheinlich nicht. Einen Monat nach dem Wegzug von Hannelore Levy kommt die 19-jährige Gerda Lehmann und unterstützt das Paar im Haushalt.

Im gleichen Jahr müssen die Meyers ihr Grundstück und ihr Haus an einen Kaufmann aus Bünde verkaufen. Doch es kommt noch schlimmer: Ihre Hausgehilfin wird 1942 deportiert. Auch sie werden die Meyers nie wieder sehen - Gerda Lehmann wird im Konzentrationslager Treblinka ermordet.

Schließlich erhielten auch Hugo und Johanna Meyer die Nachricht, dass sie deportiert werden würden. Am 29. Juli 1942 wurden sie nach Theresienstadt gebracht. Dort lebten sie in einer Kaserne mit anderen Bünder Juden, darunter Erna und Willy Spanier und Carl, Auguste und Alfred Levinson. Nach Angaben von Johanna Meyer verhungerte ihr Ehemann am 10. Oktober 1942.

Johanna Meyer überlebte zusammen mit Erna und Willy Spanier als eine der wenigen Bünder Juden den Holocaust. Im Mai 1945 wurde das Konzentrationslager Theresienstadt von der russischen Armee befreit und die Insassen versorgt. Im Lager war Fleckfieber und Typhus ausgebrochen, deshalb mussten sie weitere Wochen hier aushalten.

Im Juli 1945 wurden sie mit einem Bus nach Bünde zurückgebracht. Johanna Meyer wurde nach ihrer Rückkehr mit dem Ehepaar Spanier im Haus des ehemaligen SS-Obersturmführers Bültermann an der Winkelstraße untergebracht. Sie bekam einen Ausweis ausgestellt, der alle Behörden dazu verpflichtete, ihr zu helfen. 1949 stand der ehemalige SS-Obersturmführer Bültermann vor Gericht, wurde aber wegen sich widersprechender Zeugen freigesprochen. Seine Rolle in der Reichspogromnacht konnte juristisch nicht geklärt werden.

Johanna Meyer starb im Alter von 77 Jahren im Jahr 1955 in Bünde.

Bildunterschrift: Sie erinnern an das Schicksal der Familie Meyer: Die Stolpersteine vor dem Haus an der Winkelstraße 14. Die Verabschiedung der so genannten Nürnberger Gesetze traf das Ehepaar hart.

_______________________________________________


www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/a-b/497-buende-nordrhein-westfalen

www.buende.de/Freizeit-Tourismus/Stadtportr%C3%A4t/Geschichte/Stolpersteine


zurück