Deister- und Weserzeitung ,
26.04.2005 :
Sie will ihren Geburtsort wiedersehen / 60 Jahre nach Kriegsende Einladung polnischer Zwangsarbeiter nach Hameln
Hameln (wft). 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bereiten sich in Polen etwa 20 ehemalige Zwangsarbeiter darauf vor, vom 18. bis 25. September Hameln zu besuchen, wo sie zum Teil jahrelang in Werken wie der Domag unter meist unmenschlichen Bedingungen Sklavenarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie zu leisten hatten oder auch als kleine Kinder in den Baracken lebten. Vorbereitet wird diese Versöhnungsaktion mit der Vergangenheit derzeit von dem Historiker Bernhard Gelderblom, der polnischen Studentin Magdalena Bilska (24) und dem Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hameln, Pastor Herbert Dieckmann. Thematisch verknüpft wird der Besuch mit der Ausstellung "Zwangsarbeit in Hameln-Pyrmont" im Hamelner Münster.
Den Kontakt zu den ehemaligen Zwangsarbeitern stellte Gelderblom in den Jahren 2000 bis 2003 brieflich her. In ihren Briefenäußerten viele von ihnen den Wunsch, noch einmal an die Orte ihrer Zwangsarbeit zurückzukehren, "um sich ihren traumatischen Erlebnissen in Deutschland erneut zu stellen", wie es in einem Informationsblatt heißt, das seit wenigen Tagen in den Hamelner Buchhandlungen, der Stadtsparkasse, der Volksbank und am Ticket-Schalter der Dewezet ausliegt.
Bei einer Fahrt durch Polen über Torn, Warschau, Lodz und Posen nahmen Gelderblom und Magdalena Bilska, die den Historiker als Dolmetscherin begleitete, persönlichen Kontakt zu den ehemaligen Zwangsarbeitern auf. Als bestürzend empfindet es Gelderblom, dass einige der Briefschreiber kurz vor seinem Besuch in Folge ihres hohen Alters verstorben waren.
Einige der Zwangsarbeiter und ihre Kinder, die vor 60 Jahren in Hameln waren, haben sich inzwischen in Warschau getroffen. Janina Zdewska zum Beispiel, 1942 in Coppenbrügge geboren, äußerte gegenüber Gelderblom und Magdalena Bilska: "Das wäre mein Traum, meinen Geburtsort noch einmal zu sehen!" Bei seinem Besuch in Polen stellte Gelderblom fest: "Das Bedürfnis, nach Hameln zu kommen, ist groß. Die Erinnerung an die Zwangsarbeit ist außerordentlich stark. Der Besuch soll die Erinnerungsarbeit abrunden."
Geplant sind für die Besuchswoche ein Empfang durch Oberbürgermeister Klaus Arnecke, Besuche an den Stätten ihrer Zwangsarbeit, eine Kranzniederlegung auf dem Friedhof Wehl, wo einige der Eingeladenen sogar Angehörige liegen haben, die hier den Tod fanden. Auch eine öffentliche Veranstaltung wird es geben: "Zwangsarbeiter als Zeitzeugen". Dazu Begegnungen mit Hamelner Bürgern, etwa bei einem Gesprächskreis im Hamelner Münster, und Gespräche mit Schulklassen. Die Unterbringung der Gäste soll bei Hamelner Familien organisiert werden.
Weil die Eingeladenen die Reise wegen ihrer meist sehr kleinen Renten selbst nicht finanzieren können, werden für den Besuch noch Sponsoren und Spender gesucht. Gelderblom und Dieckmann schätzen die Kosten auf etwa 10.000 bis 12.000 Euro. 500 bis 1.000 Euro hat die Stadt Hameln in Aussicht gestellt. Zum Vergleich: In Osnabrück finanzierte die Stadt einen Besuch von Zwangsarbeitern mit 40.000 Euro. In anderen Städten wurden Mitarbeiter abgestellt, um den Besuch zu organisieren. In Hameln geschieht dies alles auf ehrenamtlicher Basis und in der Hoffnung, dass Hamelner Bürger, Banken und Firmen sich an der Finanzierung der Fahrtkosten, der Verköstigung, der Dolmetscherkosten und des Programms beteiligen.
Spenden erbitten die Organisatoren auf das folgende Konto des Kirchenkreisamts: Stadtsparkasse Hameln, BLZ 254 500 01, Konto-Nr. 3384, Stichwort: "Zwangsarbeiter-Besuch".
Weitere Informationen bei Bernhard Gelderblom, Tel.: 05151 61839, und Herbert Dieckmann, Tel.: 05151/106053.
redaktion@dewezet.de
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