Gruppe 8. Mai ,
22.04.2005 :
Sieg über Deutschland / Kundgebung, Filme und Party mit Livemusik anlässlich des 60. Jahrestages der Kapitulation Nazi-Deutschlands / Sonntag 8. Mai 2005, ab 14.00 Uhr auf dem Siegfriedplatz in Bielefeld
Vorträge zu den Themen:
Gedenktheater und dt. Vergangenheitsbewältigung
(Horst Pankow, konkret, Berlin)
Zur Aktualität der Israelsolidarität
(Stephan Grigat, Café Critique, Wien)
Der Antifaschist Joschka
(Philipp Lenhard, Georg-Weerth-Gesellschaft Köln)
Deutsche und europäische Politik gegen Israel
(Ilka Schröder, Berlin)
Antiamerikanismus
(Hank Martin, Gruppe 8. Mai, Bielefeld)
Der Iran und die Bombe
(Thomas Becker, bahamas, konkret, Bielefeld)
Antirassismus als neuer Antisemitismus
(Justus Wertmüller, bahamas, Berlin)
Filme in der Bürgerwache: (Eintritt frei!)
Nacht und Nebel
R: A. Resnais B:J. Cayrol/P. Celan, M: H. Eisler. F 1955, 31'
(In Kooperation mit dem Bildungswerk Lippe)
Drei Kugeln und ein totes Kind - Wer erschoss Mohammed al-Dura?
R: E. Schapira, D 2002, 45'
Musik:
Swing-o-Logy
Swing der 30er & 40er
Im Anschluß Party mit Livemusik
Krieg dem Antisemitismus
"Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe."
Theodor W. Adorno, 1966
Vergangenheit
Als die Deutschen 1933 ihren Führer wählten, überstieg es die Vorstellungskraft der Mehrzahl der späteren Opfer in und außerhalb Deutschlands, vorherzusehen, dass ein zivilisiertes "Volk" sich voller Begeisterung zu einem einzigen Mörder-kollektiv zusammenrotten würde. Es überstieg auch die Vorstellungskraft, dass dieses "Volk" einen modernen Staat im Handumdrehen in das Werkzeug seiner Vernichtungsideologie verwandeln könnte, um ohne Umweg zum "totalen Krieg" und zur "Endlösung" zu schreiten. Und tatsächlich: Was dann in Auschwitz geschah, ist, und es bleibt unwiderruflich und für immer, unbegreiflich. Keine nachträgliche "Erklärung", wie dies habe geschehen können, brächte jemals mehr Wahrheit zutage, als die: Das "hätte nie geschehen dürfen" (Hannah Arendt).
Nachdem der militärische Widerstand der Alliierten massiv geworden war, konnten die Deutschen den von ihnen begonnenen Vernichtungskrieg nicht mehr gewinnen. Selbst als sie, spätestens nach der Bombardierung Dresdens im Februar 1945, ihre vollkommene Unterlegenheit vor Augen geführt bekommen hatten, wollten sie "bis zum letzten Blutstropfen" weiterkämpfen und die Vernichtung der Juden zu Ende bringen. Nur die vollständige militärische Niederlage konnte die Deutschen stoppen. Als Deutschland am 8. Mai kapitulierte, kam für 6 Millionen Juden und all die anderen, die in das Visier des deutschen Volkszorns geraten waren, jede Hilfe zu spät. Verständlich die Lehre, welche die Deutschen aus ihrer Niederlage gezogen haben: Nie wieder Krieg - gegen uns! Für Nicht- und Antideutsche aber lautet sie: Nie wieder Appeasement! Nie wieder darf zugesehen und zugelassen werden, dass ein Staat oder Volk sich in die Lage versetzt und sich die Mittel verschafft, seinen Vernichtungswahn in die Tat umzusetzen. Die Lehre aus Auschwitz ist Israel, die bewaffnete Selbstverteidigung gegen den Vernichtungsantisemitismus.
Gegenwart
Am 8. Mai wird vielerorts offiziell der bedingungslosen Kapitulation Nazi- Deutschlands gedacht werden. War der 8. Mai Befreiung oder Niederlage oder vielleicht auch beides und für wen? Diese Fragen nach den deutschen Befindlichkeiten, danach, wie sich die Deutschen an diesem Tag gefühlt haben oder fühlen, ist uns herzlich egal. Wir sehen und feiern an diesem Tag den militärischen Sieg über Deutschland.
Zu glauben, mit der militärischen Niederlage sei auch der Antisemitismus verschwunden, ist Wunschdenken. Die Mehrzahl der Deutschen bekennt sich heute, 60 Jahre nach der Niederlage, nicht offen zu ihrem Judenhass (auch wenn Antisemitismus immer unverhohlener geäußert wird), zudem entfaltet sich der Antisemitismus längst in neuer Form. Für etwa ein Drittel der Bevölkerung ist die Erinnerung an die Shoa etwas Negatives, ein gefühltes Hindernis bei der Entwicklung eines "gesunden Nationalgefühls". Gewehrt wird sich gegen die "jüdischen Störenfriede", die es 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch wagen, an die von Deutschen begangenen Verbrechen zu erinnern. Schlimm genug, dass es die Überlebenden überhaupt noch gibt. Kann man sie schon nicht wegdiskutieren, sollen sie doch bitte freundlich und nachsichtig und versöhnlich sein, sollen sich über das Holocaust- Mahnmal freuen und anerkennen, dass es die Deutschen "unter Hitler" auch nicht leicht hatten. Die antisemitische Klage über das durch Juden verhinderte "gesunde Nationalgefühl" und der an das traditionelle Stereotyp anknüpfende Vorwurf der "Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken" sind aber nur die eine Seite der Medaille "Vergangenheitsbewältigung". Auf der anderen Seite steht die faktische, tatsächliche Instrumentalisierung der Shoa - durch die Bundesregierung. Sie wendet die Shoa positiv, indem sie sie legitimatorisch nutzt. Die Shoa ist gerade dazu gut, dass man behaupten kann, aus ihr gelernt zu haben - so hat doch alles sein Gutes. Der Verweis auf Auschwitz dient dem Streben nach Geltung in der Arena der internationalen Machtkonkurrenz und stiftet zugleich nationale Identität. Trotz oder wegen der Shoa - in beidem artikuliert sich das Bedürfnis, endlich wieder frei von der Vergangenheit agieren zu wollen. Was die deutsche Regierung unter "Lehre aus Auschwitz" verstand, wurde sinnfällig, als ihre Repräsentanten Joseph Fischer und Rudolf Scharping glaubten, im Kosovo Konzentrationslager zu sehen. Die Bundesregierung beteiligte sich 1999 am Krieg gegen Belgrad, mit der Behauptung, ein "neues Auschwitz" verhindern zu wollen, das dort jedoch nicht drohte. Die Spezifik der in Auschwitz von Deutschen betriebenen Vernichtung wurde im Kern verkannt. Völkermord kann der Bundesregierung auch heute, 2005, gleich Völkermord sein - weil vom Antisemitismus beredt geschwiegen wird.
So spielt(e) zum Beispiel die Frage nach dem antisemitischen Vernichtungswahn weder beim Irak-Krieg noch bei den aktuellen Verhandlungen mit dem Mullah- Regime in Teheran eine Rolle. Hatte die deutsche Regierung im Kosovo noch den Waffengang bevorzugt, erkannte sie im Irak-Krieg "Frieden" auf einmal als Wert an sich, mobilisierte mit ihrer Politik antiamerikanische Ressentiments und beteiligte sich nicht am Krieg - und bekam die breite Unterstützung der Bevölkerung. Man sah im Mörder und Antisemiten Saddam Hussein vielleicht noch einen Bösewicht - die ideologischen Anleihen, die seine Baath-Partei beim Nationalsozialismus machte und die Tatsache, dass er Israel bedrohte, waren keine Erwähnung wert. Auch in Bezug auf Iran verkriecht sich das alte Europa mit Deutschland an der Spitze auffällig hinter der allgemeinen, d.h. leeren und verlogenen Idee von "Frieden", "Dialog" und "Toleranz". Das Mullah- Regime im Iran, gegenwärtig die gefährlichste Brutstätte des islamischen Faschismus, ist im Begriff, sich mit Atombomben zu bewaffnen. Die Trägerraketen für Atomsprengsätze werden in Teheran auf den alljährlichen Militärparaden zur Feier der "Islamischen Revolution" mit Aufschriften präsentiert wie: "Wir werden Amerika unter unseren Füßen zertreten" und "Israel muss von der Landkarte gewischt werden". Ignoriert wird also auch hier die antisemitische Vernichtungsdrohung, die sich gegen Juden und die so oft mit ihnen gleichgesetzten oder assoziierten Amerikaner richtet. Mit ihrer Appeasementpolitik gegenüber dem Iran, die scheinheilig die Forderung nach einem "kritischen Dialog" mit denjenigen stellt, die sich ihm ausdrücklich verweigern, präsentiert sich die Bundesregierung der Welt als neutraler, "ehrlicher Makler" ganz anders als die USA, die ja nur "ihre Interessen" im Kopf haben.
Der Staat Israel ist seit seiner Existenz, seit 1948, der Vernichtungsdrohung ausgesetzt und gezwungen, sich den Angriffen seiner arabischen Nachbarstaaten und des palästinensischen Terrors zu erwehren. Auffällig ist, mit welcher Vehemenz die Bundesregierung sich heute dazu berufen fühlt, "Juden und Araber" miteinander zu versöhnen - natürlich auch dies aus "historischer Verpflichtung". Fair, unparteiisch und versöhnend tritt sie auf. Indem sie aber stets nur Israel maßregelt und zur Nachsicht mahnt, offenbart sie unfreiwillig, worum es ihr dabei unbewusst auch geht: sich von der Erinnerung an die Judenvernichtung zu befreien. Damit dies gelingen kann, wird die Schuld am "Konflikt" den Israelis aufgebürdet und werden diese als Täter projiziert. Sind die Juden heute selber schuld an ihrer Lage - so waren sie es vielleicht auch damals? Sind die Juden nicht genauso schlimm wie damals die Deutschen - oder sogar noch schlimmer, weil sie nicht gelernt haben? Die Vernich tungsabsicht palästinensischer Kräfte wie der Hamas wird aus allen Verhandlungen völlig ausgeblendet und damit ein weiteres Mal der Antisemitismus ignoriert. Auch hier ist die Regierung eins mit der Bevölkerung: Für zwei Drittel der Deutschen führt Israel einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser, etwa die Hälfte glaubt, dass die Israelis mit den Palästinensern nichts Anderes machen als das, was "die Nazis im Dritten Reich mit den Juden" gemacht haben.
Damals rationalisierten die Deutschen die Notwendigkeit, einen Vernichtungskrieg zu führen, als gerechten "Kampf der Völker" gegen die "anglo-amerikanische Plutokratie" und die "Verschwörung des Weltjuden-tums". Heute gilt den Deutschen "Frieden" als ihre "Lehre aus der Vergangenheit". Ihr Antizionismus und Antiamerikanismus ist nur die für die Gegenwart zurechtgemachte Ideologie der Vergangenheit. Der "Frieden", den die Deutschen heute der Welt diktieren wollen, ist das Appeasement mit dem antisemitischen Terror, ist dieser Terror selbst und der Freibrief für den Vernichtungskrieg von Hizbullah und Hamas, für den Jihad von Al Qaeda und für die iranische Atombombe.
Der Kniefall vor der Andersartigkeit der "islamischen Welt" und die damit einhergehende Toleranz gegenüber dem Antisemitismus wiederholen sich auf nationaler Ebene als Toleranzgebot gegenüber "fremden Kulturen". Fokussiert man mit Blick auf NS-Deutschland einzig den Rassismus und nicht den Antisemitismus oder setzt beides in eins, lassen sich aus dem NS-Rassismus die folgenden Schlüsse ziehen: Eine Rasse oder Kultur ist nicht besser oder schlechter als eine andere - aber in sich homogen. Ein friedliches Miteinander gegenseitiger Anerkennung ist ein Wert an sich, egal, welch' krude Ideen von Gemeinschaft innerhalb einer Gruppe vorherrschen. Ein Mensch ist nur Teil und Ausdruck einer Kultur und hat diese in ihrer Einzigartigkeit auch zu reproduzieren - tut er das nicht, ist er selbst schuld, wenn ihm mit Vernichtung gedroht wird. So kann man auch Homophobie und die Morde an Theo van Gogh und Harun Sülücü Ausdruck kultureller Eigenart nennen, obwohl diese Morde Sinnbilder für die Elimination abweichender Werte und kritischer Meinungsäußerung sind. Nur zu leicht gerät das Bedürfnis, eine Gruppe zur Kultur zu verklären oder eine gruppenspezifische Selbstverklärung zu akzeptieren, zur Beförderung des Vernichtungswillens gegenüber dem Abweichenden. Toleranz und Appeasement gegenüber ideologisch geschlossenen und nicht zuletzt antisemitischen Kollektiven verschaffen nur einem solchen Vernichtungswillen einen "friedlichen" Raum.
Wir feiern am 8. Mai den Sieg über Nazi-Deutschland, auch in der Hoffnung auf eine baldige Niederlage des islamischen Faschismus. Wir demonstrieren zugleich gegen die deutsche "Friedenspolitik", gegen den grassierenden Antiamerikanismus und Antisemitismus, der sich, wo er durch die Geschichte noch tabuisiert ist, in Deutschland heute so verschämt wie unverschämt in der Gestalt des Antizionismus offen und unbehelligt austoben darf. Wir feiern auch die Voraussetzung der Emanzipation- die Möglichkeit jedes/r einzelnen, sich dem Vergemeinschaftungs- und Ethnisierungszwang zu widersetzen.
Veranstalter: Friedensbüro e.V. - Bildungswerk Lippe und Gruppe 8. Mai (gefördert durch die Landeszentrale f. pol. Bildung NW)
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