Lippe aktuell ,
23.04.2005 :
Lippe aktuell-Serie / 60 Jahre Kriegsende - Augustdorfer erinnern sich / Eine Serie in sechs Teilen / Teil 5 / 60 Jahre Kriegsende - Heinz Wistinghausen erinnert sich: "Es waren heiße Tage - in jeder Hinsicht"
Augustdorf (bo). "In der Ferne waren schon die Schüsse einzelner schwerer Geschütze zu sehen", erinnert sich Heinz Wistinghausen. Für ihn und seine Familie war klar: Es würde nur noch Tage dauern, dann würden die kämpfenden Truppen Augustdorf erreichen. Da sein Vater zur Zeit bei der Kriegsmarine in Wilhelmshaven diente, war die Mutter für sich und die Kinder alleine verantwortlich: "Sie nahm uns vier Kinder und alles was ihr wichtig war, und wir gingen zu ihren Eltern, die einen Hof in der Senne hatten." Dort angekommen, beluden sie einen Leiterwagen mit den Sachen, packten noch Stroh dazu und spannten die beiden Kühe der Großeltern vor den Karren. Dann zogen sie los in Richtung Teutoburger Wald, Hermannsberg. "In einem Graben haben wir alles abgeladen und uns 'eingerichtet'. Wir wollten hier das Kriegsende abwarten. Es waren heiße Tage - in jeder Hinsicht", erzählt Heinz Wistinghausen. Die Gegenstände versteckten sie im Wald, als die Familie noch einmal umdrehte und nach Augustdorf zurückging: "Ich erinnere mich, dass meine Mutter und noch zwei Frauen Himbeersaft an vorbeiziehende Soldaten in deren Kochgeschirr verteilte." Die Soldaten waren alle noch sehr jung und augenscheinlich voller Kampfgeist. "Sie hatten es nicht anders gelernt und waren der Meinung, dem Krieg noch eine Wende geben zu können", schreibt Wistinghausen in seinen Aufzeichnungen.
Nachdem er mit seiner Familie noch zwei weitere Tage im Wald verbracht hat, ließ das Schießen nach. Sie gingen zum Hof zurück und fanden alles so vor, wie sie es verlassen hatten. "Am darauffolgenden Tag kamen zwei Panzer den heutigen Senneweg entlang", erinnert er sich. Sie fuhren bis zum Hof von S. vor. Wistinghausen: "Etwa eine Stunde später kamen fünf oder sechs amerikanische Soldaten mit schussbereiten Maschinenpistolen." Sie sicherten sich nach allen Seiten ab und kamen auf den Hof der Familie Wistinghausen: "Ich sah das erste Mal in meinem Leben einen Afroamerikaner." Sie waren auf der Suche nach deutschen Soldaten, die sich auf dem Hof versteckt haben könnten. Wistinghausens Großvater war der Ansicht, wenn die Familie kooperieren würde, würde ihr nichts geschehen: "Meine Großmutter musste durchs ganze Haus vor ihnen her gehen und den Soldaten die Räume zeigen." Im Keller hingen hausgemachte Würste und andere Lebensmittel. Seine Großmutter gab den US-Soldaten einige davon, auch ein paar Eier. "Wieder auf der Diele befahl der US-Offizier, dass die Soldaten alles mit Ausnahme der Eier wieder zurückgeben sollten." Heinz Wistinghausen vermutet heute, dass die Amerikaner Angst vor Gift in den Lebensmitteln gehabt haben könnten.
Lesen Sie die Fortsetzung dieser Geschichte und zugleich den letzten Teil unserer kleinen Serie am kommenden Wochenende in Iher Lippe aktuell.
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