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Lippische Landes-Zeitung , 21.04.2005 :

Sie durften nicht weiterleben / Andreas Ruppert erklärt die Geschichte und Bedeutung des Ehrenhains

Von Martin Hostert

Detmold. Die hohen, alten Eichen wiegen sich im Wind, eng umrankt mit Efeu. Vogelgezwitscher, hier und da blühende Blumen. Ein idyllischer Ort. Aber nicht nur. Vor allem ist es ein Ort zum Innehalten, trotz des Lärms, der vom Feierabendverkehr der Blomberger Straße herüber rauscht. Denn auf dem Ehrenhain liegen Menschen, die ihr Leben nicht leben durften. Stadtarchivar Andreas Ruppert hat bei einem Rundgang von ihnen erzählt.

Der Ehrenhain ist angelegt hinter den beiden Friedhöfen der Stadt- und der Landgemeinde. Dort liegen etwa die Opfer der verheerenden Explosion vom 31. Mai 1917 in den Lippischen Staatswerkstätten. 63 Frauen und neun Männer verbrannten in der Munitionsfabrik in der Elisabethstraße, weil keine Sicherheitsmaßnahmen beachtet worden waren.

Firmendirektor Walter Kellner ließ den Ehrenhain anlegen, Fürst und Stadt stellten das Gelände zur Verfügung. "Kellner glaubte damit, seine Schuld beglichen zu haben", berichtet Ruppert. Und: "Indem die Opfer mörderischer Arbeitsbedingungen im Ehrenhain in den großen Rahmen der Kriegstoten eingebunden wurden, waren sie plötzlich nicht mehr Opfer unternehmerischer Ausbeutung, sondern Helden neben Gefallenen an der Front". Die Namen der Toten sind auf dem Ehrenhain nachzulesen, das Unglück allerdings "ist heute in Detmold weitgehend vergessen," konstatiert der Historiker. Nicht bei allen: Einer der Rundgang-Teilnehmer berichtet von einer Frau aus der Verwandtschaft, die zu den Toten zählte - und die dem Unglück nicht entkommen konnte, weil die Fenster nach innen aufgingen. "Und das ist das Wichtigste: an solchen geschichtsträchtigen Orten ins Gespräch zu kommen", wird Ruppert später resümieren. Andere Teilnehmer berichten vom Einmarsch der Amerikaner, wollen aber von Ruppert auch Details seiner Arbeit erfahren und machen ihn auf ein Kindergrab aufmerksam, dessen Geschichte er nun erforschen will.

Zentrales Element des Ehrenhains ist der "sterbende Krieger" auf dem massiven Steinblock. Der Krieger ist nackt, symbolisiert Niederlage und Tod. Allerdings, ergänzt Ruppert: "Auch der geschlagene Held bewahrt die Heldenpose. Der Tod an der Westfront sah anders aus."

Die Toten der Munitionsfabrik waren die ersten, dann wurden mehr als 100 im Ersten Weltkrieg Gefallene aus ganz Deutschland dort beerdigt. Sie starben fast alle im Detmolder Lazarett und waren zunächst auf dem städtischen Friedhof bestattet worden. 1925 diente der Ehrenhain erneut als Ruhestätte: Acht der 81 Toten des Veltheimer Fährunglücks wurden dort begraben, ein Ehrenmal erinnert an sie. In den Wirren den Zweiten Weltkrieges schließlich wurden 115 Soldaten dort bestattet, gestorben im Detmolder Lazarett.

"1969 wurden die Einzelgräber dann zusammengefasst, jeweils zwei Gefallene erhielten ein Kreuz aus Sandstein", berichtet Ruppert. Auf die Angaben des Dienstranges wurde verzichtet: "Vor dem Tod sollten alle Soldaten gleich sein." Doch das sahen nicht alle so: General a. D. Erich Clössner setzte durch, dass das Kreuz für seinen Schwiegervater, Oberst Lorenz von Gottberg, den Rang zeigen sollte. Ruppert resümiert: "Zeichen einer Zeit, als der Krieg anders bewertet wurde als heute." Er steht Schulklassen gern für Führungen zur Verfügung.


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