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Lippische Landes-Zeitung , 20.04.2005 :

Leben mit Mangel, aber im Frieden / Ausstellung in Holzhausen-Externsteine zeigt Kriegsende und Nachkriegszeit in Lippe

Horn-Bad Meinberg/Holzhausen-Externsteine. Der Krieg ist aus, das Leben geht weiter. Aber anders als bisher. Wie 1945 und in den Jahren danach Lippes Bevölkerung wieder in einen normalen Alltag fand - unter schwierigen Bedingungen -, zeigt eine Ausstellung des Lippischen Landesmuseums im Haus des Kurgastes in Holzhausen-Externsteine. Passender Titel: "Doch das Leben ging weiter".

Eine Vielzahl an Stücken präsentiert die unterschiedlichsten Aspekte dieser Zeit. Da ist die Gewalt des Krieges, dargestellt in Form von Bombensplittern, die ein junger Detmolder als Flakhelfer in Paderborn nach dem verheerenden Bombenangriff Anfang 1945 einsammelte - sie waren dicht vor seinen Füßen herabgefallen. An Ostern 1945 war in Lippe der Krieg zuende, nicht aber für die Soldaten, deren Heimkehr noch dauerte: Post aus dem Kriegsgefangenenlager, Fotos, Ausgaben der "Hauteviller Zeitung" aus den Jahren 1947 und 1948 zeigen, dass mancher Lipper noch Jahre im Gewahrsam der Sieger verbrachte - und wie dort der Alltag gemeistert wurde. "Und dann kam mein Bruder. Der Hintern guckte aus der Hose. Sein Kopf war vom Hunger in Russland mit Wasser aufgeschwemmt", schildert jemand die Heimkehr des Angehörigen nach Lippe.

Gartentisch auf Bombenleitwerk

Hier war bereits ein Jahr nach Kriegsende die Bevölkerung durch Ausgebombte und Flüchtlinge um fast 30 Prozent angewachsen - eine soziale Herausforderung, die es zu meistern galt. Besonders angesichts der herrschenden Not und des Mangels an Nahrungsmitteln, Heizmaterial und Bekleidung: Da wurden alte Autoreifen zu Sandalen umfunktioniert, Fallschirmseide für Hochzeitskleider verwendet und Socken und Unterwäsche aus aufgeribbelten Zuckersäcken angefertigt. Ob der kleine Junge mit seiner kurzen Trägerhose aus rosafarbenem Stoff mit bunter Blümchenstickerei besonders glücklich war, kann bezweifelt werden - aber er hatte zumindest etwas Neues zum anziehen.

Von der Findigkeit der Bevölkerung zeugen auch der grün lackierte Gartentisch, dessen Fuß zu Kriegszeiten das Leitwerk einer Fliegerbombe war, oder ein Beistelltisch, der eigentlich eine englische 27-Pfund-Biskuit-Dose ist: Bunter Stoff drumherum und Marmorplatte obendrauf, fertig. Wer ständig so improvisieren muss, erwartet vom Leben auch einmal Abwechslung und Unterhaltung. Amerikanische Filme wie "Der Schatz der Sierra Madre" oder "Der dritte Mann" lockten die Lipper ins Kino, noch bevor die Währungsreform dafür sorgte, dass nun Dinge einfach gekauft werden konnten, die lange entbehrt worden waren - und wenn es nur eine neue Blumenvase war.

Die mit vielen Fotos und Zeitzeugenaussagen ergänzte Ausstellung ist bis auf weiteres zu sehen von montags bis samstags von 10 bis 12 Uhr sowie montags und mittwochs von 15 bis 16 Uhr.


detmold@lz-online.de

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