Neue Westfälische ,
02.04.2005 :
Befreiung des Konzentrationslagers Niederhagen vor 60 Jahren / Tausendfache Qualen im KZ
1933: Heinrich Himmler entscheidet während einer Wahlkampfreise, die Wewelsburg zu pachten. Zunächst plant der Reichsführer der Schutzstaffel (SS), in der ehemaligen bischöflichen Nebenresidenz eine "Reichsführerschule" mit nationalsozialistischen Zweckforschungen zu installieren. Eine SS-Burgmannschaft aus jungen Wissenschaftlern soll die Erforschung des "alten germanischen Kernlandes" Westfalen vorantreiben. Ihnen steht in der Burg eine Bibliothek mit 16.000 Bänden zur Verfügung.
1936: Himmler verfolgt nun primär die Idee, die Wewelsburg zu einem scheinreligiösen Kultzentrum der SS ausbauen. Ab 1940 wird geplant, auf dem gesamten Gelände des Dorfes eine vergrößerte Burganlage mit Nordturm als Mittelpunkt zu errichten.
1939: Der Reichsarbeitsdienst wird abgezogen. In Wewelsburg wird ein Konzentrationslager eingerichtet, das ausschließlich die Baupläne der SS umsetzen soll. Zunächst befinden sich die Lager unterhalb der Burg (Zeltlager) und auf dem Kuhkampsberg (Barackenlager).
1940 – 43: In der Gemarkung Niederhagen wird auf Befehl der SS von Häftlingen ein Konzentrationslager gebaut - das kleinste selbstständige KZ des Deutschen Reiches. Es ist für 500 Menschen ausgelegt, doch in der Hochphase der Bautätigkeiten 1941/42 fristen bis zu 1.500 Häftlinge ihr qualvolles Dasein. Von insgesamt 3.900 Häftlingen kommen mindestens 1.285 ums Leben. Sie sind die Opfer von Unterernährung, harter Arbeit, mangelnder Hygiene, willkürlicher Strafen und sadistischer Quälerei, gemäß dem Himmlerschen Prinzip "Vernichtung durch Arbeit". Als Exekutionsstätte nutzt die Gestapo den Zellenbau und den Schießstand. 56 Todesurteile werden vollstreckt.
1943 – 44: Nach der Niederlage von Stalingrad werden die Arbeiten am "zivilen" Bauprojekt Wewelsburg eingestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Burg teilweise aus- und umgebaut, sind einige neue Gebäude wie ein SSWachgebäude und ein "Dorfgemeinschaftshaus" errichtet. Zum 1. April 1943 wird das KZ Niederhagen aufgelöst. Überlebende werden in andere Konzentrationslager transportiert. lm Lager Niederhagen, das nun als Außenkommando des KZ Buchenwald geführt wird, verbleibt ein "Restkommando" von 48 Häftlingen. Sie sind für Reparaturarbeiten an der Wewelsburg zuständig. Zum größten Teil sind es Zeugen Jehovas, die wegen ihrer radikalpazifistischen Einstellung und Kriegsdienstverweigerung verfolgt und ins Lager Niederhagen versçhleppt worden sind. Widerstand und Fluchtversuche sind ihnen aufgrund ihrer religiösen Einstellungen unmöglich. Und so ist es möglich, dass zuletzt nur noch sechs SS-Manner die Wachmannschaft des KZ bilden. Das "Restkommando" versieht die Wewelsburg 1944 mit einem Tarnanstrich.
1945: Die letzte Stärkemeldung an Buchenwald verzeichnet im Januar 42 Häftlinge. Sie erleben während der letzten Märztage ungeheuere Qualen der Angst. Als die amerikanischen Truppen näher kommen, Paderborn verstärkt bombardiert wird und schließlich ein SS-Kommando unter der Leitung von Hauptsturmführer Heinz Macher am 31. März die Burg sprengt, erwarten die Häftlinge ihre Erschießung. Todesangst, die anhält, bis am Morgen des 2. April Panzer durch das Dorf rollen, ohne dass sich militärischer Widerstand regt. Die verbleibenen Angehörigen der SS und der Gestapo werden abgeführt, die Häftlinge des "Restkommandos" hören die ersehnten Worte, dass sie nun frei sind.
02./03.04.2005
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