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Lippe aktuell , 16.04.2005 :

Lippe aktuell-Serie / 60 Jahre Kriegsende - Augustdorfer erinnern sich / Eine Serie in sechs Teilen / Teil 4 / 60 Jahre Kriegsende - Hilde Diekjobst erinnert sich: "Hinter Bäumen sollen Soldaten erschossen worden sein"

Augustdorf (bo). Im ersten Teil ihrer Geschichte hat Hilde Diekjobst erzählt, wie sie den Einzug der Amerikaner in Augustdorf erlebt hat, wie sie zum ersten Mal einen US-Soldaten gesehen hat. Lesen Sie nun die Fortsetzung:

"Einmal noch haben wir es mit der Angst gekriegt", sagt die 78-Jährige. Zwischen das Haus ihrer Verwandten und dem Nachbarhaus war ein US-Panzer gefahren. "Sie müssen an die Wand gefahren sein, wir dachten schon, gleich stehen sie bei uns im Keller", schmunzelt sie. Auch auf dem Feld ihres Elternhauses ging ein Panzer in Stellung, "aber die Soldaten blieben bei ihrem Fahrzeug, sind nicht zu uns gekommen". Bis zum Mittwoch nach Ostern ist Hilde Diekjobst bei ihren Verwandten gewesen, "dann hatten wir keine Ruhe mehr und sind nach Hause gegangen. Wir wollten wissen, ob da auch alles in Ordnung war, ob meinen Großeltern auch nichts passiert war."

Am ersten und zweiten Ostertag sind die Amerikaner gekommen und auch nicht lange geblieben. Nach kurzem Aufenthalt zogen sie weiter durch die "Dörenschlucht" in Richtung Pivitsheide und Detmold. Ob die folgenden Geschehnisse wirklich so passiert sind, weiß Hilde Diekjobst nicht, "man erzählte sich nachher, was passiert ist, aber ich weiß es auch nur vom Hörensagen".

In der Dörenschlucht sollen US-Truppen noch auf einzelne Wehrmacht- oder SS-Angehörige getroffen sein. "Hinter Bäumen sollen sie erschossen worden sein", sagt sie. In der Dörenschlucht, kurz vor Pivitsheide mussten Deutsche noch kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner eine Panzersperre errichten. Auch ihr Großvater sollte dort mithelfen, als so genannter "Landsturm", wie die älteren Männer genannt wurden, die nicht mehr in den Krieg mussten, aber - wie an der Augustdorfer Panzersperre - Wache stehen und die Amerikaner aufhalten sollten.

"Mein Großvater hat gesagt, er ging da nicht hin. Die SS-Männer sollten das machen, aber er wollte nicht, und er hat es auch nicht gemacht", so Hilde Diekjobst. Das war am Donnerstag vor Ostern, zu dem Zeitpunkt war es noch eine gewagte Aktion, so zu handeln: "Man konnte sich nicht sicher sein, dass man nicht noch von Nationalsozialisten erschossen wird."

Eine zweite Panzersperre wurde im Dorf errichtet, nahe der heutigen Kreuzung Pivitsheider-/Haustenbecker Straße, dafür habe der damalige Augustdorfer Bürgermeister gesorgt. Dafür haben sich die alliierten Streitkräfte gerächt, und mehrere Häuser, darunter das des Bürgermeisters, zerstört. Der Haupttross der Amerikaner ist an der heutigen Waldstraße entlanggezogen, dort, wo die meisten Häuser standen. Nur wenige Soldaten kamen in den heutigen Ortskern. Hilde Diekjobst: "In die Ortsmitte wurde nur reingeschossen, weil sie durch die Panzersperre noch verteidigt wurde."

In den Wochen nach Ostern sei alles im alten Trott weitergegangen, beschreibt Hilde Diekjobst ihre Erinnerungen: "Die Firmen öffneten wieder, so dass die Leute zur Arbeit gehen konnten." Noch gut erinnert sich Hilde Diekjobst an die ersten Opfer, die mit dem Einzug der Amerikaner zu beklagen waren. "In einem Haus an der heutigen Waldstraße lebte eine Familie R. Nachdem der Ehemann im Krieg gefallen war, lebte die Frau mit ihrer Tochter alleine in dem Haus. In viele Häuser ist damals die SS gegangen. Die Soldaten haben sich Zivilkleidung 'besorgt' oder nach Lebensmitteln gebettelt", weiß Hilde Diekjobst zu berichten. Und weiter: "Auch im Haus der Familie R. sollen SS-Männer gewesen sein und ihre Uniformen dort versteckt haben." Die Nachbarn hätten der Frau und ihrer Tochter Angst eingejagt und gesagt, "wenn der Amerikaner käme, würden sie erschossen, schließlich hätten sie der SS geholfen". In der Nacht bevor die US-Truppen Augustdorf erreicht haben, hat sich Frau R. mit ihrer Tochter das Leben genommen. Beide wurden erhängt aufgefunden.

Bildunterschrift: Die Nationalsozialisten errichteten in den späten 1930er Jahren in Augustdorf eine Kaserne für die Wehrmacht und die SS. Gelegen waren diese Barcken auf dem Gelände der heutigen Bundeswehr-Kaserne. In der Mitte des Platzes wehte eine NS-Flagge. Dieses Bild ist wahrscheinlich 1942 entstanden.


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