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Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische , 15.04.2005 :

Multimedial und aktuell / Anne Frank-Ausstellung will junge Menschen erreichen und Nachdenken initiieren

Von Holger Kosbab

Herford. "Es ist keine Ausstellung, es ist ein Projekt", unterstrich Landrätin Lieselore Curländer gleich zu Beginn, "es soll mehr sein als bloßes Anschauen". Das hat schon in München und Münster funktioniert, wo die Multimedia-Ausstellung "Anne Frank. Ein Mädchen aus Deutschland" vorher Station machte. Ab dem 29. April ist sie im Kreishaus zu sehen. Dort wurde gestern auch das Konzept vorgestellt.

Die Wander-Exposition verfolgt zwei große Ziele, will junge Menschen erreichen und weit ausstrahlen. Damit sich Jugendliche auch 60 Jahre später in die junge Anne hineinfühlen können, ist Aktualität das Nonplusultra: Themen wie Minderheiten, Migration und Generationenkonflikt (auch Anne stritt mit ihren Eltern) sind zeitlos.

"In der 8. Klasse habe ich das Tagebuch lesen müssen", sagt Rebecca Höffgen. Ihr Lächeln setzt das "müssen" in Anführung. Später in Amsterdam habe sie gesehen, wo sich Anne Frank versteckte. Sie war betroffen, ihr Interesse geweckt. Höffgen ist ein Beispiel dafür, wie junge Menschen sich Vergangenheit annähern. Über Neugier und wissend, dass Altes und Neues zusammenhängen. Sie gehört zu 30 Jugendlichen, die das Projekt betreuen. Denn das Wichtigste daran ist auch das Ungewöhnliche. Der Kreis Herford gibt es denen, die es besonders betrifft. Kinder und Jugendliche werden wie Lehrer speziell geschult, um anderen eine Gebrauchsanleitung zum Gezeigten geben.

Ulrike Kruse vom Regionalen Bildungsbüro erklärte, weshalb die Schau so schnell nach OWL kommt: Dank der frühen Anfrage bei den Organisatoren – dem Anne Frank Zentrum Berlin und dem Anne Frank Haus Amsterdam – Ende 2003. "Warum wir uns so stark gemacht haben, sie nach Herford zu holen?", fragt Curländer rhetorisch und antwortet selbst: Man nehme es ernst mit Ausbildung und Bildung. Dazu zähle Friedenskultur.

Der Besuch soll nicht mit dem Verlassen enden. Auch nicht mit dem Schluss der Multimedia-Show am 10. Juni. Alle Teilnehmer wünschen sich vom sechswöchigen "Mittelpunkt" viele angestoßene Projekte. Dass an Schulen und überall im Kreis Ausstellungen, Lesungen und Theaterstücke initiiert werden. Bislang haben sich bereits 60 Schulklassen angemeldet.

Einige Auswüchse hat die Schau bereits: Das Kuratorium Erinnern, Forschen und Gedenken zeigt zeitgleich die Ausstellung "Anne Frank war nicht allein – Schicksale Herforder jüdischer Kinder und Jugendlicher während der NS-Zeit und im Holocaust". Ort ist der Zellentrakt im Rathaus, wo Minderheiten und Andersdenkende einsaßen.

Sonja Ziemann-Heitkemper, Lehrerin am Friedrichs-Gymnasium, spricht von Schülerinnen, die sich beim Erforschen der Geschichte ihrer Schule mit einem "Positiv-Virus" infiziert hätten. Sie erinnert an eine andere Anne Frank-Ausstellung, 1991 im Pöppelmann-Haus. Damals wäre es Vergangenheitsbewältigung älterer Menschen gewesen: "Heute ist es Gegenwartsbewältigung."


lok-red.herford@neue-westfaelische.de

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