Schaumburger Zeitung ,
11.04.2005 :
Auf Spurensuche: Schüler haben jüdisches Schicksal im Blick / Victor-Klemperer-Jugendwettbewerb / Leben des Arztes Blumenberg
Bad Nenndorf (bab). Schüler der neunten Klasse der Schule am Deister haben sich auf Spurensuche begeben. Im Visier hatten sie das Leben und Wirken des jüdischen Arztes Ernst Blumenberg als Zeugnis jüdischen Lebens in Bad Nenndorf. Engagiert und mit großem Interesse strömten die Schüler von der Hauptstraße 14 aus durch die Fußgängerzone, um die Passanten mit Flugblättern und Informationen zu versorgen. Unter dieser Adresse hatte Blumenberg von 1929 bis 1937 seine Praxis. Bei ihrer Recherche stießen die Schüler sogar auf Nenndorfer, die von dem Arzt noch behandelt worden sind.
"Ich habe mitgekriegt, dass manche sich gar nicht für Blumenberg interessieren", beschreibt Stefanie die Reaktionen. Die Schüler machten aber auch andere Erfahrungen. Eine alte Frau habe erzählt, Blumenberg habe sich um alle Patienten gekümmert, ob sie die Behandlung bezahlen konnten oder nicht. Blumenbergs guter Leumund bewahrte ihn nicht vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Auch das mussten die 15- und 16-Jährigen lernen. Er floh 1939 vor der deutschen Diktatur nach China und von dort aus in die USA. Zuvor hatte er zwei Jahre im Zuchthaus verbracht, weil er wegen "Rassenschande" verurteilt worden war.
Die Lehrerin Irmhild Knoche arbeitet im Fach "Werte und Normen" das Thema mit den Schülern auf. Unterstützt wird sie von ihrer Kollegin Astrid Quehl, die Geschichtslehrerin an der Schule für Lernhilfe ist. Beide müssen den Jungen und Mädchen auch vermitteln, dass das Unrecht von damals nicht wieder gutgemacht wurde. Die Entscheidung der Universität Göttingen, ihm seine akademischen Titel abzuerkennen, hat der Senat der Hochschule erst im vergangenen Jahr rückgängig gemacht. Eine Bad Nenndorfer Initiative 1987, die Straße nach Blumenberg zu benennen, fand bisher keine Mehrheit.
Die Spurensuche macht die neunte Klasse der Schule am Deister im Rahmen des Victor-Klemperer-Jugendwettbewerbs "Kreativ für Toleranz". Antisemitismus ist eines der Themen, die im Wettbewerb thematisiert werden können.
"Es interessiert uns, was damals passiert ist", sagt Stefanie. "Ich würde mich dafür einsetzen, dass so was nicht mehr geschieht. Auf der anderen Seite finde ich auch, dass ich für damals nicht verantwortlich bin." Wie Stefanie hat sich auch ihr Mitschüler Marvin außerhalb der Schule noch nicht mit der NS-Vergangenheit beschäftigt. In Familie und Bekanntenkreis sei das bisher kein Thema gewesen, erzählen sie.
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