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Lippische Landes-Zeitung , 08.01.2002 :

Gegengewicht zum wachsenden Antisemitismus / "Lippischer Landesverein zur Pflege der jüdischen Geschichte und Literatur" existierte bis 1917

Lage (be). Von 1899 bis 1917 existierte in der Zuckerstadt der "Lippische Landesverein zur Pflege der jüdischen Geschichte und Literatur". Damit beschäftigt sich Volker Beckmann in der "Zeitlupe 2001" (Historisches Jahrbuch für Lage).

Hintergrund der Gründung war der wachsende Antisemitismus im Kaiserreich zum Ende des 19. Jahrhunderts. Ziel des Vereins war es, im Rahmen einer aktiven Öffentlichkeitsarbeit die rechtliche Gleichstellung der deutschen Juden zu verteidigen und die kulturelle Identität dieser Bevölkerungsgruppe zu stärken. "Die Ausdifferenzierung von Interessenverbänden in den verschiedenen Konfessions-, Parteien- und Wählermilieus war eine gesamtgesellschaftliche Erscheinung im Deutschland der 1890er Jahre", so Beckmann in seinem Beitrag für das historische Jahrbuch.

Besonders jüdische Männer, die in verschiedene, der Allgemeinheit zugänglichen Gesellschafts- und Kulturvereine integriert waren, verspürten zu der damaligen Zeit das Bedürfnis, ihre kulturelle Identität in einer eigenen Gruppierung stärker zu akzentuieren. Lages Bürgermeister Lünning genehmigte am 13. Januar 1899 die Satzung des "Lippischen Landesvereins zur Pflege der jüdischen Geschichte und Literatur". Nach Paragraph 1 bestand der Zweck des Vereins darin, "die Kenntnis der jüdischen Literatur zu fördern. Dem Verein als solchem liegen alle religiösen und politischen Tendenzen fern. Die Erörterung bezüglicher Fragen ist ausgeschlossen."

Von anfangs zunächst 70 stieg die Mitgliederzahl auf 90 (1902). Seit 1912 bis zur Auflösung des Vereins im Jahre 1917 gehörten ihm konstant 20 Personen an. Kaufmann Heinemann Vogelstern (1842 – 1915) wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt. Weitere Vorstandsmitglieder waren der Lehrer und Prediger Friedrich Saphra aus Lemgo, Zigarrenfabrikant Moritz L. Kabaker (Lemgo) sowie Lehrer Abraham Plaut aus Detmold. Referenten bei den regelmäßigen Vortragsveranstaltungen waren reformorientierte Rabbiner, Lehrer und Schriftsteller, die Themen auswählten, die dem Wertsystem der sozialen Klasse, der sie selbst und ihre Zuhörerschaft angehörten, entsprachen.

Nach dem Tod des Vorsitzenden Vogelstein und dem Beginn des Ersten Weltkrieges ließ das Interesse am Verein nach, so dass die Auflösung entsprechend der Satzung erfolgte.


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