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Lippische Landes-Zeitung , 08.01.2002 :

Letzte Hoffnung für Zwangsarbeiter / Entschädigungszahlung: Mehrere hundert Nazi-Opfer fordern bei Stadtarchiven Unterlagen an

Von Hartmut Salzmann

Kreis Lippe. Zwangsarbeiter – sie mussten für Nazi-Deutschland schuften. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vergingen mehr als 50 Jahre, bis sich die deutsche Wirtschaft zur finanziellen Entschädigung für die körperliche und seelische Ausbeutung bereit erklärte. Seither gingen bei den lippischen Stadtarchiven mehrere Hundert Schreiben ehemaliger Zwangsarbeiter ein – mit der Bitte um Bestätigung ihrer Arbeitszeiten. Für die Betroffenen ist dies oft die letzte Hoffnung. Denn über eigene Unterlagen, die für die Zahlungen benötigt werden, verfügen die wenigsten. Und mit den Jahren schwindet die Erinnerung.

Seit 1999/2000 seien in Lippe zwischen 200 und 300 Anfragen eingegangen, erklärt der Blomberger Stadtarchivar Dieter Zoremba. "Schwerpunktmäßig aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion. Aus der ehemaligen Sowjetunion deshalb, weil viele lippische Zwangsarbeiter aus der Ukraine stammten", sagt er.

Bei erfolgreicher Suche in den Archiven werden den ehemaligen Zwangsarbeiten schriftliche Bestätigungen ihrer Arbeitszeit zugesandt – gegebenenfalls auch Kopien aussagekräftiger Unterlagen.

"Mit einer guten Portion Gespür und Geschick"
Franz Meyer

"Die Recherchen sind aber häufig sehr zeitintensiv und nur mit einer guten Portion Gespür und Geschick zu bewältigen. Nicht immer haben die damaligen Meldeämter beziehungsweise Bürgermeister die Zwangsarbeiter in die Eionwohnerkartei aufgenommen", berichtet der Bad Salzufler Stadtarchivar Franz Meyer, Sprecher der lippischen Kommunalarchivare. Wenig Mühe sei darauf verwendet worden, die Namen exakt auszuschreiben. Meyer: "Und nicht immer können die ehemaligen Zwangsarbeiter nach so langer Zeit Arbeitsort und Arbeitszeitraum genau benennen." Die Suche werde zudem dadurch erschwert, dass manche Zwangsarbeiter häufiger den Arbeitsplatz wechseln mussten.

So reicht es in vielen Fällen nicht aus, die Einwohnermeldelisten durchzugehen. Auch Transportlisten des Detmolder Arbeitsamtes, Belegstärken und Personaldaten zu einzelnen Lagern, Strafbefehle gegen Zwangsarbeiter oder Belehrungslisten über das Verbot des Geschlechtsverkehrs mit Deutschen können Hinweise auf die Einzelschicksale liefern.

Wie lange dauert eine Recherche? Zoremba: "Mal geht es ganz schnell. Es kann aber auch bis zu anderthalb Tagen dauern." Erleichtert wird die Arbeit inzwischen durch eine Datenbank für Zwangsarbeiter beim Staatsarchiv Detmold. Nach und nach werden hier die Unterlagen der Stadtarchive und des Staatsarchivs in einer Datei vereint.

Ob die ehemaligen Zwangsarbeiter mit den Unterlagen aus Lippe Erfolg haben, davon erfahren die Archivare wenig, meint Zoremba.

"Die paar Tausend Mark sind schon eine Hilfe"
Dieter Zoremba

Aufgrund persönlicher Kontakte zu Ex-Zwangsarbeitern in der Ukraine weiß er aber: "Die Zahlungen laufen noch schleppend. Und gerade in der Ukraine haben sich die Lebensverhältnisse in den vergangenen Jahren rapide verschlechtert. Da sind die paar Tausend Mark schon eine Hilfe." Nach seinen "vorsichtigen Schätzungen" beläuft sich die Zahl der Zwangsarbeiter, die von 1939 bis 1945 in Lippe schuften mussten, auf etwa 8.000.


Detmold@lz-online.de

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