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Schaumburger Zeitung , 05.04.2005 :

Himmelfahrtskommando an der "Kronen"-Rum-Front / Hochprozentiges durfte nicht in Feindeshand fallen: Beim Vernichten der Alkoholvorräte hat es sogar Tote gegeben

Bückeburg (gp). An eine aus heutiger Sicht aberwitzig anmutende, ziemlich genau 60 Jahre zurückliegende Begebenheit können sich noch viele ältere und alteingesessene Bückeburger erinnern. Sie spielte sich kurz vor, während und nach dem Einmarsch der Amerikaner statt. Schauplatz waren die "Kronenwerke" - eine jenseits der Bahnhofsgleise gelegene Industrieanlage. Der auffällige Komplex beherbergte einst eine Brauerei. Später wurde Margarine produziert. Während des Zweiten Weltkrieges zogen, um den alliierten Bombern zu entgehen, der hannoversche Schoko- und Pralinenhersteller Sprengel und ein Bremer Spirituosenfabrikant in die mittlerweile leer stehenden Hallen ein. Die Folge:Auf dem Betriebsgelände lagerten riesige Mengen Alkohol- und Fruchtsirupvorräte. Das größte Kontingent war hochprozentiger, in 500-Liter-Fässern abgefüllter Rum.

Ende März 1945, als die Front immer näher rückte, ordneten die örtlichen NS-Stadtoberen die Vernichtung der Alkoholreserven an. "Das Zeug darf nicht in falsche Hände fallen", soll es Ende März in einer Lagebesprechung geheißen haben. Damit waren nicht nur die Amerikaner und die in den umliegenden Lagern hausenden Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen, sondern auch die bis dato (nüchtern-) folgsamen Mitbewohner gemeint.

Um den 1. April herum ging es los. Die Aufsicht führte laut Zeitzeugenbericht der "Pg" (Parteigenosse) Tiemann. Unter seiner Regie machte sich offensichtlich sofort eine große Schar freiwilliger Helfer ans Werk. Mit dem Befehl, die Fässer kaputtzuschlagen und/oder auszukippen, tat man sich allerdings schwer. Rum war ein lange nicht erlebter Gaumenkitzel. Über Jahre hinweg hatte man mit selbst gebranntem Runkelschnaps vorlieb nehmen müssen. Außerdem stand der Konfirmationssonntag vor der Tür. So kam, was kommen musste: Tagelang sah man Männer und Frauen mit Flaschen, Eimern, Kanistern und anderen Behältnissen in Richtung Bahnhof eilen. Dem Vernehmen nach wurde der Kampf gegen den hochprozentigen Feind von einigen Einwohnern bis zur Selbstaufopferung geführt. Es soll sogar Tote gegeben haben.

Trotz dieses Großeinsatzes und der vielen Freiwilligen konnte der "Kronen"-Rum nicht ganz vernichtet werden. Ein großer Teil wurde zum Schluss kurzerhand in den Brauerei-Brunnen gekippt. Über der ganzen Umgebung habe bis in die fünfziger Jahre hinein noch eine "gewaltige Alkoholfahne" gelegen, erinnern sich Anwohner.


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