Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
15.01.2005 :
Inferno forderte 239 Tote / Am 17. Januar 1945 zerstörten Bomber große Teile der Paderstadt
Von Jutta Steinmetz
Paderborn. Wenn der Domküster am Montag zur Mittagszeit das Totenlicht an der Südseite des Domes entzündet und für 20 Minuten die Totenglocke läutet, gedenkt man in Paderborn eines äußerst düsteren Tages. Dann nämlich jährt sich zum 60. Mal jener 17. Januar, an die Paderstadt ihr erstes Inferno erlebte.
"Das Jahr 1945 ist insbesondere für die Stadt Paderborn und ihre Bewohner als die schwärzeste und schmerzlichste Zeit in die Geschichte eingegangen", schreibt Martin Wagner, der damals im Auftrag der Stadt die Paderborner Kriegs-Chronik verfasste.
Im Blick hatte der ehemalige verantwortliche Redakteur des "Paderborner Anzeigers", der 1935 eingestellt wurde, dabei die Bombenangriffe, die noch in den letzten drei Kriegsmonaten die Stadt an der Pader in Schutt und Asche legten. Bis Ende 1944 hatte die Stadt schon viele Stunden lang unter Alarm gelegen und 35 Angriffe erlebt. Dennoch war das "alte traute Stadtbild Paderborns noch fast unversehrt", bilanziert Wagner den Zustand seines Heimatortes zu Jahresbeginn 1945.
Dann jedoch verging kein Tag mehr ohne Alarm. Täglich musste die Bevölkerung für mehrere Stunden in die Luftschutzräume. 87 Mal schrillten allein im Januar die Sirenen. Das alltägliche Leben geriet in all seinen Facetten ins Stocken. Der Schulunterricht kam ebenso zum Erliegen wie das wirtschaftliche Leben.
Und auch das "Haushaltsleben" sei wegen der schlechten Versorgungslage nur äußert schwierig möglich gewesen, berichtet Wagner. Der Bombenkrieg war allgegenwärtig in der kleinen ostwestfälischen Stadt, die nur als minder gefährdet eingeschätzt wurde und lediglich über drei Bunker verfügte.
400 Bomber nehmen Kurs auf Paderborn
Einen Tag nach den "Heiligen Drei Königen" fallen im Norden und Osten der Stadt Bomben. Acht Tote sind der bittere Preis. Die Panzerkaserne sowie die Reichsbahnwerkstätte an der Nordstraße, die die 74 amerikanischen Bomber wohl im Visier hatten, bleiben unversehrt.
Am 17. Januar sind es hingegen schwere Bomberverbände, die "Primadonna", der Flugmeldesender in der Egge, schon um 11 Uhr meldet. Um 12.20 Uhr wird an der Pader Vollalarm ausgegeben. Die fast 400 Bomber, die zunächst von Bielefeld aus richtung Herford flogen, sind umgeschwenkt und nehmen nun Kurs auf Paderborn. Den Menschen, die sich zur Mittagszeit zahlreich in der Stadt aufhalten, sei kaum Zeit geblieben, sich in die Luftschutzräume zu flüchten, so Wagner.
Zwanzig Minuten lang liegt die Stadt im Bombenhagel. In acht Angriffswellen zerstören die amerikanischen Verbände große Teile der Innenstadt. Weder Dom, Gau- und Marktkirche, Generalviakriat, Leokonvikt noch viele andere kirchliche und städtische Gebäude bleiben verschont. Sogar der Ostfriedhof wird schwer getroffen. Besonders schlimm erwischt es die Südstadt. In dem Wohnviertel zwischen Borchener und Husener Straße herrscht, so Wagner, "ein einziges Chaos". Straßenzüge, in denen kein Haus mehr erhalten ist, sind in dem jungen Stadtviertel eher die Regel als die Ausnahme. Auch als die Bomber abdrehen, ist die alte Kaiserstadt weiter hochgradig gefährdet. 25 Großbrände, 13 mittlere und viele kleine Feuer sorgen für Angst und Schrecken.
239 Menschen kostet der Angriff das Leben. Eine Gruppe junger Mädchen und Frauen sei unter dem Missionskreuz des Domes und eine Gruppe französicher Kriegsgefangener im Kaiserhof vom Luftdruck einer Mine zerissen worden, nennt der Historiker Jörg Friedrich in seinem Buch "Der Brand" beispielhaft nur einige Einzelschicksale für das Paderborner Inferno vom 17. Januar 1945.
"Mit westfälischer Treue und westfälischem Tatwillen"
Danach sei dann die ohnehin skeptische Paderborner Bevölkerung noch mehr voll der Zweifel an ein glückliches Ende des Kriges gewesen, berichtet Martin Wagner in seiner Chronik. Man habe diese jedoch nicht laut äußern dürfen. Öffentlich wurde nämlich eine ganz andere Meinung vertreten. "Die Heimat versteht den Sinn und die Bedeutung der Stunden", kommentiert die örtliche Tageszeitung am 20. Januar 1945 das grausame Geschehen und fährt unter dem Titel "Trotz allem: Bekenntnisse zum Leben" fort: "Das Leben fordert das Letzte an Einsatz von uns allen. Wir wollen es weiter geben. Mit westfälischer Treue und westfälischem Tatwillen."
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