Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
29.03.2005 :
Spearhead gibt Gas gen Norden / Um 6 Uhr kam für Richardson der Marschbefehl Richtung Paderborn
Von Ralph Meyer
Borchen. Neun Monate nach der Landung der Alliierten in der Normandie standen die amerikanischen und britischen Truppe am Rhein. Am 7. März setzten die ersten amerikanischen Soldaten bei Remagen über.
Dann ging es Schlag auf Schlag. Am 25. März griff auch die 1. US-Armee über den Brückenkopf Remagen an. Ihr schneller Vorstoß, besonders der 3. US-Panzerdivision, "Spearhead" – Speerspitze genannt - zielte zunächst auf Marburg, dann nach Norden in Richtung Paderborn. Parallel dazu stieß die 9. US-Armee mit britischen und kanadischen Einheiten nördlich des Ruhrgebiets nach Osten vor. Ziel beider Großverbände war die Einkesselung des Ruhrgebiets mit der dort noch verbliebenen deutschen Heeresgruppe B.
Von Marburg rückte die 3. US Panzerdivision am 28. März Richtung Norden vor und erreichte am Abend des 29. März Brilon und Niedermarsberg. Auf deutscher Seite stand den Alliierten im Bereich der Senne und des Truppenübungsplatzes als kampfstärkster Verband die etwa 2.700 Mann starke SS-Panzerbrigade "Westfalen" gegenüber. Dieser rasch zusammengewürfelte Verband bestand im wesentlichen aus 17 bis 19 Jahre alten Rekruten. Die Brigade war eigentlich zum Einsatz an der Ostfront vorgesehen.
Zu einem geplanten Entlastungsangriff in Nordhessen der in der Senne zusammengezogenen Truppen kam es nicht mehr, und so musstn sich die deutschen Panzerstreitkräfte auf Befehl Hitlers am 29. März auf die Abwehr der amerikanischen Division im Süden Paderborns einstellen. Die beiden Regimenter der Obersturmbannführer Friedrich Holzer und Meyer verfügten lediglich über 15 ältere Panzer und gut zwei Dutzend Schützenpanzer. Wesentlich besser ausgerüstet war die 300 Mann starke schwere Panzer-Abteilung 507, die der Brigade unterstellt war und über die modernsten deutschen Panzer vom Typ Tiger II verfügte, wie der Borchener Michael Weber in seinem jüngst erschienenen Buch "Erinnerungen an den Krieg" berichtet.
Die Truppen richteten ihre Verteidigung längs der Linie Gut Warthe, Wewer, Nord- und Kirchborchen, Etteln, Ebbinghausen, Holtheim und Scherfede ein.
Für die amerikanischen Streitkräfte war die Stadt Paderborn mit dem benachbarten Truppenübungsplatz Senne bei der Schließung des Ruhrkessels bei Lippstadt von besonderer Bedeutung, und so rückte die amerikanische Division in vier parallelen Kolonnen auf Paderborn vor. Die Truppen näherten sich entlang des Hellwegs über Wewelsburg und Wewer (Task Force Hogan), von Alme über Leiberg, Haaren und Borchen (Task Force Richardson), von Meerhof und Dalheim durch das Altenautal über Etteln und Schloss Hamborn (Task Force Welborn) sowie von Arolsen über Scherfede, Kleinenberg und Lichtenau entlang der heutigen Bundesstraße 68 (Task Force Lovelady).
Oberstleutnant (später: Generalmajor) Walter Richardson, der 2002 verstorbene Kommandeur der Task Force Richardson, staunte nicht schlecht, als ihm am Abend des 28. März sein Kommandeur befahl: "Fahr wie der Teufel und besetze die Höhenzüge südlich von Paderborn" – zu diesem Zeitpunkt fast 170 Kilometer entfernt. Am Morgen des 29. März, einem nebligen und bewölkten Tag, startete die Task Force Richardson um 6 Uhr mit Vollgas und fast 50 Stundenkilometern Richtung Norden.
Der schnelle Vormarsch der amerikanischen Truppen stoppte erst an den deutschen Verteidigungsstellungen. Die anschließenden schweren Kämpfe vor Paderborn werden von den Amerikanern noch heute als "Battle of Paderborn" bezeichnet. Wegen des Truppenübungsplatzes, auf dem in den 30er-Jahren die Taktik des Panzerkrieges entwickelt worden war, sprachen die amerikanischen Truppen in Anlehnung an die amerikanische Panzerschule vom deutschen "Fort Knox".
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