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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 04.04.2005 :

Hoffen auf die Weisheit der jungen Generation / Deutsch-Russisches Symposium in der Kulturwerkstatt

Von Kerstin Vierbuchen

Paderborn. "Das meinen also die Nazis, wenn sie sagen, Bolschewisten sind Tiere und auch als solche zu behandeln", schrieb ein amerikanischer Kriegsberichterstatter angesichts der erschreckenden Bilder der Befreiung des NS-Großlagers Stukenbrock-Senne. Nicht treffender hätte Werner Höner, Vorsitzender des Arbeitskreises "Blumen für Stukenbrock", die Dramatik der Situation der Stukenbrocker Kriegsgefangenen vor 60 Jahren in Worte fassen können.

"Und, obwohl wir das Land sind in dem sie so gelitten haben, sind sie zu uns als Freunde gekommen", erläuterte er weiter die Freude und Ehrfurcht vor den russischen Ehrengästen im Rahmen des deutsch-russischen Symposiums in der Kulturwerkstatt.

Insbesondere mit den Berichten von russischen Zeitzeugen, aber auch mit den Informationen deutscher und russischer Wissenschaftler beleuchteten die Diskussionsteilnehmer die Folgen der unmenschlichen Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter durch die Nationalsozialisten. Besonders die Anwesenheit des 97-jährigen Überlebenden des Lagers Stukenbrock Dmitri Orlow und die von einem Dolmetscher übersetzten Ausführungen des Atomphysikprofessors Dr. Wladimir Naumow aus Moskau, der im Kindesalter nach Stukenbrock kam, gaben dem Symposium einen würdevollen wie gleichermaßen emotionalen Rahmen.

Während Naumow seine Zeit in deutscher Gefangenschaft zwar als "tragischste Geschichte unserer beiden Länder" bezeichnete, betonte er gleichzeitig, dass er die Errichtung des Denkmals für die verstorbenen sowjetischen Soldaten in Stukenbrock als "Heldentat" empfinde. Besonders die Teilnahme vieler junger Menschen an den jährlichen Gedenkfeiern erfreue ihn und lasse ihn hoffen, dass diese Generation aus der Vergangenheit gelernt habe. Während des Symposiums trug er den Original-Anstecker, mit dem ihn die Nazis in Stukenbrock vor 60 Jahren mit dem Schriftzug "Ost" gekennzeichnet hatten.

Von der geschichtswissenschaftlichen Seite beleuchtete Professor Dr. Arno Klönne (Demokratische Initiative Paderborn) die grausamen Auswirkungen des deutschen Faschismus: "Man darf keinesfalls vergessen, dass beim Feldzug in den so genannten Ostraum die Vernichtung großer Bevölkerungsteile eingeplant war." Außerdem betonte er, dass es historisch nicht richtig sei, die Zerschlagung des Nazi-Regimes vorrangig den Westmächten zuzuschreiben, da die historische Realität zeige, dass die sowjetische Bevölkerung großen Anteil an der Niederringung hatte.

Die Frage nach der historischen Wahrheit im eigenen Land stellte auch Professor Dr. Abdulhan Ahtamzian aus Moskau, Vizepräsident der Liga der russisch-deutschen Freundschaft und Mitarbeiter des staatlichen Instituts für internationale Beziehungen. Er sprach von einer "Propaganda im eigenen Land", die immer wieder propagiere, dass nicht Hitler die Schuld trage, sondern die damalige Regierung der Sowjetunion. Auch Anatoli Popow, Botschaftsrat a. D., berichtete von den derzeitigen Zuständen in Russland, wo ein sehr hoher Prozentsatz "am Existenzminimum" lebe und er daher deutlich betonen wolle, wie dankbar er für die finanzielle Unterstützung des Arbeitskreises "Blumen für Stukenbrock" sei. Auch Dmitri Orlow schloss sich dem an, da die Rente der russischen Kriegsveteranen "kaum zum Überleben" reiche.

In einem lebendigen Bericht schilderte Uwe Koopmann, Landesverbindungslehrer in NRW, seine Erfahrungen mit Russland in Deutschland. Angefangen von den Erläuterungen seiner Lehrerin in der ersten Klasse, die immer darin endeten, dass "die Russen immer Schuld sind", über antikommunistische Filme in der Gymnasialzeit bis hin zu aktuellen Problemen bei dem Versuch, eine Klassenfahrt nach Moskau von staatlicher Seite finanziell unterstützt zu bekommen. Angesichts dieser Erfahrungen sei er jedoch froh, dass seine Schüler die Geschichte nicht verschweigen wollen, sondern das Thema aufgreifen und lebendig bearbeiten.

Angelehnt an das Motto "Aus der Geschichte lernen - Aus dem Erinnern Brücken bauen für die Zukunft" fanden sich alle in den Worten von Professor Naumow wieder: "Ich hoffe, dass die junge Generation die Weisheit besitzt, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können". Und Moderator Dr. Ulrich Gausmann fasste das Wichtigste zusammen: "Diese Männer hier sind echte Vorbilder. Sie sind die wahren Lehrer. Nur so kann deutsch-russische Freundschaft stattfinden."


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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