Neue Westfälische ,
04.04.2005 :
Leidensweg in Briefen / Warum Gerrit Visser vor 63 Jahre im Konzentrationslager Niederhagen starb
Von Julika Gausmann
Büren-Wewelsburg. Der Niederländer Gerrit Visser gehört zu den 1.285 namentlich bekannten Opfern, die das KZ Niederhagen in Wewelsburg nicht überlebt haben. Andreas Pflock, Geschichts- und Politikwissenschaftler, brachte das Schicksal des politischen Häftlings 63 Jahre nach dessen Tod ans Licht.
Einen Einblick in das Leben des Mannes, der sich auch durch Gewalt nicht von seinen demokratischen Grundsätzen abbringen ließ, gab Pflock bei einem Vortrag im Hochstiftmuseum der Wewelsburg am Freitag.
Jahrzehntelang lebte Vissers Sohn Johannes in Ungewissheit. Was ihm blieb, waren Briefe seines Vaters aus der Gefangenschaft in Gefängnissen und Konzentrationslagern. In seinem letzten Brief vom 14. Juni 1942 schrieb Visser aus dem KZ Niederhagen, er sei gesund und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen. Zwei Wochen später erreichte die Familie die Todesnachricht: Gerrit Visser sei an Herz- und Kreislaufschwäche gestorben und eingeäschert worden.
Dass dieses nicht die wahre Todesursache war, erfuhr Visser bereits zwei Jahre nach Kriegsende. In einem Brief schrieb ein Mitgefangener, er habe Gerrit Visser mit einer Beinwunde tot in der Baracke gefunden. "Die Wunde war schlimm, aber nach meiner Ansicht nicht tödlich, aber es wäre eine langwierige Sache geworden und so musste er eben den kürzeren Weg gehen, und das war bei denen (der SS) einfach sterben", heißt es in dem Brief. Doch der Kontakt brach ab und die Spuren auf der Suche nach dem Vater und dem KZ Niederhagen verloren sich.
Erst 1996 erfuhr er durch einen Zeitungsbericht über den Papstbesuch in Paderborn von dem Lager in Wewelsburg, in dem sein Vater am 29. Juni 1942 umgebracht wurde. Über Umwege kam er schließlich mit dem Kreismuseum Wewelsburg in Kontakt. Pflock, damals Volontär im Kreismuseum, begab sich auf Spurensuche und zeichnete die Lebensstationen Gerrit Vissers anhand der Briefe und intensiver Recherche nach. "Die Briefe dokumentieren in einer für das KZ Niederhagen bisher einzigartigen Weise den Weg eines Häftlings durch verschiedene Lager und Gefängnisse und gewähren sehr eindringlich einen Einblick in persönliches Wahrnehmen und Erleben", schildert Pflock.
Das Ergebnis hat das Kreismuseum nun herausgegeben: "Gerrit Visser (1894-1942) – Von Hengelo nach Wewelsburg", so der Titel der zweisprachigen Dokumentation, die im Kreismuseum und im Buchhandel erhältlich ist. Finanziell unterstützt wurde das Projekt von der Gemeinde Hengelo. Für Johannes Visser bedeutet das Buch ein Stück Verarbeitung seiner Familiengeschichte. Oft besuchte er in den vergangenen neun Jahren den Ort, an dem sein Vater sterben musste. Endlich hat die Gewissheit, auf die er ein halbes Jahrhundert gewartet hatte.
lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de
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