Deister- und Weserzeitung ,
04.04.2005 :
Die "Hölle auf Rädern" kam bei Ohrüber die Weser / Ein so kurzer wie aussichtsloser Abwehrkampf in Tündern
"Hölle auf Rädern" - so Furcht erregend nannte sich die US-Panzereinheit, die in der Woche nach Ostern 1945 den Befehl erhielt, nach Erreichen der Weser im Falle der Sprengung der Brücken in Hameln und Hagenohsen den Fluss bei Tündern zu überschreiten. Seit Tagen fluteten die Reste der geschlagenen Wehrmacht zurück, darunter viele Lastwagen voller Verwundeter. Mit Sorge beobachteten die Tünderaner, dass Trupps deutscher Soldaten, viele kaum 17 Jahre alt, im Ort Stellung bezogen. Sollte es zu Kämpfen kommen?
Der Knall der weithin hörbaren Brückensprengungen in Hameln und Ohsen am 5. April in der Frühe alarmierte alle. Ab 7 Uhr begann eine wilde Schießerei von Ohr herüber, auf die die Deutschen in Tündern mit Maschinengewehren antworteten. Gegen 11 Uhr überquerten die ersten Amerikaner mit Schlauchbooten den Fluss. DieBevölkerung suchte in Hauskellern Schutz, vereinzelt wurden weiße Fahnen hinausgehängt. Infolge des Beschusses stieg alsbald Rauch aus mehreren Gebäuden auf.
Ihren ersten Amerikaner sah die 17-jährige Ruth Dankhoff etwa zwei Stunden nach Beginn des Kampfes. Auf der Suche nach versteckten deutschen Soldaten drang er in den Keller ein, fuhr die Zivilisten barsch an. Seine Begleiter suchten indes nach Silberbestecken. Erika Budde (16) erlebte die Amerikaner anders. Entsprechend einer Handlungsanweisung für GI's, die die Eltern des jungen Mädchens später auf ihrem Bauernhof fanden, verhielten sie sich fast freundlich. Die Anweisung forderte: "Be fair but firm" - behandelt die Bevölkerung gerecht, aber mit fester Hand! Der Nachkomme von Deutschamerikanern schenkte Vater Budde gar einige Virginia-Zigarren.
Die grausame Seite des Kriegsgeschehens war auf den Straßen Tünderns zu sehen. Beim Kampf um den idyllischen Weser-Ort ließen vier blutjunge deutsche Soldaten ihr Leben. Einen Toten sah Ruth Dankhoff auf der Tiefen Straße liegen, einen anderen vor dem Gasthaus Bormann. Auch der junge Tünderaner Hermann Kreye kam um, als er sich der Kampfzone an derWeser näherte. Manche Keller waren voll von teils schwer verwundeten Soldaten.
Auf der am 5. April gegen 15.30 Uhr fertigen Behelfsbrücke zwischen dem Ohrschen Gutspavillon und dem gegenüber liegenden Weserufer überquerten nun Massen schwerster US-Panzer den Fluss. Für die Nacht zogen sie in Tündern unter. Bei Morgenanbruch des 6. April rasselten die Ungetüme weiter in Richtung Voremberg und Bisperode. Hameln zunächst an der linken Seite liegen lassend, strebte die US-Heeresmacht auf die Reichsstraße 1 (heute B1) bei Coppenbrügge zu. In Bisperode wurden mehr als ein Dutzend Gebäude getroffen, einige brannten nieder. Am Gut Haus Harderode fanden sechs Amerikaner und drei Deutsche den Tod.
Im Gegensatz dazu steht die im Haus Budde in Tündern bis heute aufgehobene förmliche Übereignungsurkunde für eine dreiläufige Jagdflinte. Ein Mr. Cartright schreibt mit Datum des 6. April 1945 höflich: "Ich, Major Albert L. Cartright, erhielt eine Jagdflinte mit Munition von Herrn Friedrich Budde aus Tündern. Die Übergabe geschah aus freien Stücken."
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