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Deister- und Weserzeitung , 29.03.2005 :

Fünf Bomben - aber eine traf verheerend / Wie das Gesundheitsamt zerstört wurde / Ein Erlebnisbericht des 13-jährigen Hans-Albrecht Centner

Von Bernhard Gelderblom

Hameln. Über den Bombenangriff vom 28. März 1945 und das Schicksal der Familie Twelmeyer haben wir schon am Sonnabend berichtet. Hier folgt nun eine Schilderung aus der Feder des damals 13-jährigen Hans-Albrecht Centner, der im Nachbarhaus des Zahnarztes Twelmeyer den Angriff miterlebte und überlebte. Der Angriff forderte mehr als 20 Tote, davon 16 im Gesundheitsamt.

"Es war der 28. März, Donnerstag vor Ostern. Gegen 9.45 Uhr hatten wir Kleinalarm. Durch die beiden vorangegangenen Angriffe vorsichtig geworden, waren wir sofort im Keller. Gleich darauf wurde Vollalarm gegeben. Jeder hatte im Luftschutzraum seinen bestimmten Platz eingenommen. Die Überflüge von schweren Bomberverbänden über unserem Stadtgebiet hielten zwei Stunden lang an. Gegen 12 Uhr war die Masse der Feindmaschinen schon über uns hinweg. Nur einzelne fliegende Kampfmaschinen rauschten noch über uns.

Anne-Lotte stand mit einigen Arbeitsdienstmännern vor der Haustür, um vielleicht noch einige Flugzeuge sehen zu können. Wir alle meinten, dass uns bei diesem Angriff nichts passieren würde. Plötzlich stürzten sie wieder in den Luftschutzkeller hinein und riefen ganz aufgeregt: 'Das eine der Flugzeuge hat etwas abgeworfen!' Wir erstarrten und warteten auf die folgende Explosion. Wir warteten 10, 20, 50 Sekunden, eine, zwei Minuten, aber nichts erfolgte. Später stellte sich heraus, dass dies ein leerer Reservetank war, den die Flugzeuge als unnötigen Ballast abgeworfen hatten. Anne-Lotte und die Arbeitsdienstmänner gingen wieder vor die Tür, um den Himmel zu beobachten. Plötzlich wurde das Brummen der Flugzeuge wieder stärker. Anne-Lotte und die Arbeitsdienstmänner wollten schnell wieder in den Keller laufen, als eine ohrenbetäubende Detonation erfolgte. Wir im Luftschutzkeller warfen uns sofort auf den Boden. Unser Haus bebte. Im ersten Augenblick konnte man den Eindruck haben, als ob das ganze Haus zusammenstürzte. Fensterscheiben klirrten. Im Augenblick der Explosion waren Anne-Lotte und die Arbeitsdienstmänner noch auf der Kellertreppe, und die Glassplitter flogen hinter ihnen her. Eine zweite Detonation erfolgte nicht.

Nach Vorentwarnung trauten sich Anne-Lotte und ein paar Arbeitsdienstmänner wieder einmal vor die Tür. Da sahen sie, dass das Gesundheitsamt völlig zerstört und die Villa des Augenarztes Dr. Twelmeyer bis auf die hintere Fassade zerstört war. Das daneben liegende Pfarrhaus war schwer beschädigt. Anne-Lotte machte sich um die Familie von Dr. Twelmeyer natürlichgroße Sorgen, denn die Familie war sehr gut mit Twelmeyers befreundet.

Nach der Entwarnung machte sich Anne-Lotte sofort auf den Weg nach dem Twelmeyerschen Hause, welches ganz in sich zusammengestürzt war. Da das ganze Viertel wegen der sofort einsetzenden Aufräumungsarbeiten abgesperrt war, konnte sie nicht bis an das Haus gelangen, erfuhr aber von einem der die Aufräumungsarbeiten leitenden Männer, dass Herr Dr. Twelmeyer und seine jüngste Tochter Helga am Leben wären. Erst am nächsten Tage ließen sich nähere Erkundigungen einziehen. Dr. Twelmeyer und seine Tochter weilten während der Bombenabwürfe zufällig in zwei verschiedenen Lazaretten. Dadurch blieben diese beiden am Leben. Die übrigen Familienangehörigen, die sich im Luftschutzkeller des Hauses von Dr. Twelmeyer befanden, konnten einige Tage später nur noch als Leichen geborgen werden.

Insgesamt waren fünf Bomben gefallen. Eine fiel auf den Sportplatz, zwei in die Hamel, eine auf das Gesundheitsamt und eine auf die Deisterstraße. In dem Gesundheitsamt war ein öffentlicher Luftschutzkeller, in dem auch 16 Menschen umkamen. Die rechte Seite des Pfarrhauses war vollständig weggerissen. Nur ein bis zwei Zimmer waren nach dem Angriff in diesem Hause von bewohnbar. Menschen sind in diesem Hause nicht zu Schaden gekommen."

Lesen Sie morgen: Die Rückkehr nach Hameln


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