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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 29.03.2005 :

Für die Zukunft erinnern / Paderborn gedenkt der Zerstörung vor 60 Jahren und der Opfer des Bombenkriegs

Von Jutta Steinmetz

Paderborn. "Ich bin Pazifist geworden" - passendere Schlussworte hätte die Veranstaltung, mit der vorgestern der Paderborner Opfer des Bombenkrieges gedacht wurde, nicht haben können. Es sprach sie laut und äußerst bestimmt - Harold Nash, ein ehemaliger britischer Bombennavigator.

Mit eingängigen Worten erinnerte sich der 82-Jährige im voll besetzten Auditorium Maximum der Theologischen Fakultät an die Einsamkeit der Flieger, an die Angst an Bord der todbringenden Bomber. Durch einen Ozean der Dunkelheit sei er geflogen, immer in größter Gefahr der Übermüdung. "Ich wollte ein Held sein", berichtete der Brite, um sofort hörbar bewegt zu gestehen: "Die Tragödie ist, dass ich ein Terrorflieger wurde." Bei seinen Angriffsflügen habe er die brennenden Städte gesehen, "aber ich habe nie an die Menschen gedacht", sinnierte der rüstige Senior. "Klappe auf und weg mit dem Zeug", sei der beherrschende Gedanke als Navigator gewesen.

"Das ist verbrecherisch", kennzeichnete Harold Nash, der zusammen mit einer kleinen Schar ehemaliger Kampfgefährten schon vor Jahren gegen ein Denkmal für Sir Arthur "Bomber" Harris protestiert hatte, das Abwerfen von Bomben auf Frauen und Kinder aus der "relativen Sicherheit des Himmels" und versicherte: "Hätten wir das Heulen gehört und die Schmerzen erlebt, dann hätten wir das nicht tun können." Ein Faden, den ein Zeitzeuge aus dem Auditorium in der Diskussion aufnahm. "Sobald man mit den Menschen zusammenkommt, sieht man die Sache anders", fasste der Paderborner den Fatalismus des Krieges zusammen.

"Die Deutschen sollten ihren Charakter ändern"

Nicht minder eindringlich hatte zuvor Jörg Friedrich, Autor des viel diskutierten Buches "Der Brand", den Bombenkrieg gegen Deutschland aus wissenschaftlicher Sicht charakterisiert. "Die Bomberkommandos waren nicht die Cherubime der Befreiung", konstatierte der Historiker und benannte als Sinn des im Laufe der Kriegsjahre zu einem Vernichtungsfeldzug avancierten Bombenkriegs letztlich "Erziehung": "Die Deutschen sollten ihren Charakter ändern." Eine Ideologisierung des Krieges als Befreiung von Schuld lehnt Friedrich nachdrücklich ab, nicht jedoch die Erinnerung. Erinnern mit Blick auf die Zukunft.

Das Nicht-Vergessen, das Reflektieren über die Vergangenheit hatte drei Stunden zuvor schon Bürgermeister Heinz Paus angemahnt, als er vor dem Mahnmal am Busdorfwall mit Erzbischof Hans-Josef Becker einen Kranz niederlegte. "So etwas darf es nie wieder geben, haltet Frieden, verteidigt Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Freiheit", betonte das Stadtoberhaupt. Jedoch nicht ohne auf die Vorgeschichte der verheerenden Angriffe, die vor 60 Jahren in Paderborn etwa 900 Menschen das Leben kosteten, hinzuweisen.

"Denn dieser 27. März 1945, die schlimmen Bombenangriffe in den Wochen und Monaten zuvor, haben eine Vorgeschichte, sind nicht schicksalhaft über uns gekommen", betonte er. Die Hauptursache, so Paus, liege darin, "dass unser Volk es zugelassen hat, dass ein verbrecherisches Regime Freiheit, Demokratie und Menschenrechte beseitigen und eine Politik der Gewalt und der Eroberung im Namen des deutschen Volkes betreiben konnte."


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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