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Westfalen-Blatt / Vlothoer Zeitung , 24.01.2018 :

Verdrängtes Kapitel der Ortsgeschichte

Wimar Wiedenhöfer und Annegret Arnhölter schreiben über Zwangsarbeit

Von Gisela Schwarze

Vlotho-Exter (VZ). Wimar Wiedenhöfer hat den aktuellen Beitrag zur Regionalgeschichte "Zwangsarbeiter im Amtsbezirk Vlotho und Exter" verfasst, herausgegeben von der Exteraner Geschichtswerkstatt. Im Gemeindehaus stellte Wiedenhöfer seine Recherchen nun vor.

"Es ist festzustellen, dass die Zwangsarbeit von 1939 bis 1945, ein Teil unserer Geschichte, immer noch von der Öffentlichkeit verdrängt wird", schreibt Wiedenhöfer in seinem Vorwort unter der Überschrift "Fragen einer Nachkriegsgeneration". Daher sei er dankbar für die unterstützenden Informationen und publizistischen Aufarbeitungen, die er erhielt vom "Förderverein Dokumentationsstätte Stalag 326 (VIK) Senne", vom Kommunalarchiv Herford sowie aus Quellen von "Arbeit und Leben DGB / VHS".

Weil wenig über die kreisweite Zwangsarbeit in den Kriegsjahren bekannt ist, kam auch der Kreisheimatpfleger Eckhard Möller zu der Veranstaltung. Die Nachforschungen zu dem Stoff halte er für bemerkenswert und äußerst wichtig, lobte er.

Durch die anfänglichen Kriegserfolge in Frankreich, Polen und ab 1942 in Russland wurden Kriegsgefangene im ganzen Deutschen Reich in der Landwirtschaft und der Industrie eingesetzt. "Bis zum Herbst 1944 waren es etwa zwei Millionen, die im Großdeutschen Reich als Zwangsarbeiter tätig waren", so der Hobby-Historiker.

Die Meldeliste ausländischer Arbeiter im Amtsbezirk Vlotho in den Jahren 1944 und 1945 konnte Wimar Wiedenhöfer detailliert vorlegen: 134 Polen, Ostarbeiter, Ukrainer und Franzosen gab es in Exter 1944, im Jahr 1945 waren es 139. In Valdorf betrug 1944 die Anzahl der Zwangsarbeiter 251, ein Jahr später 262. Einschließlich des Vlothoer Stadtgebiets gab es 1944 insgesamt 444 Zwangsarbeiter.

Wimar Wiedenhöfer war durch die Lektüre des Buches "Die Lebensgeschichte des Ferdinand Matuschek" und durch seine persönliche Begegnung mit dem georgischen Kriegsgefangenen Gregor auf dem Bauernhof eines Verwandten auf das Thema gekommen. Mitautorin Annegret Arnhölter bereicherte die Schilderungen durch ganz persönliche Erfahrungen mit der Polin Helena B. in ihrem Elternhaus.

Die Polin wohnte auf dem elterlichen Anwesen, durfte ganz gegen die staatliche Anweisung mit am Tisch der Familie essen. Üblich war es, dass die Zwangsarbeiter in Lagern wohnten. Helena B. gebar bei Arnhölters einen Sohn Viktor, der vor einigen Jahren zu Besuch kam, um sich seinen Geburtsort anzusehen. Die Hebamme Johanne Stelzer war bei der Geburt zugegen und machte sich damit ebenso strafbar wie die Landwirtsfamilie, bei der die Polin arbeitete. Eigentlich hätte Helena in ein Lager gemusst, ihr Kind wäre dann als "unwertes Leben" eingestuft und der Mutter fortgenommen worden.

Diese Geschichte sei ein Beispiel, in dem Zwangsarbeiter menschenwürdig behandelt wurden, betonte Wiedenhöfer. Über ganz andere Fälle wusste ein Veranstaltungsbesucher zu berichten, etwa von einem Exteraner Denunzianten, der den Behörden verriet, dass die Zwangsarbeiter in Mauerlücken Butterbrote zugesteckt bekamen.

Der Spender kam in Haft, hatte allerdings Glück, dass Anfang April die Amerikaner einmarschierten und er frei kam.

Nach dem Einmarsch der Amerikaner veränderte sich das Verhalten zahlreicher Zwangsarbeiter. Die bestehenden Lager wurden aufgelöst. Nicht selten kam es vor, dass sich Zwangsarbeiter in dieser Zeit zusammen taten und Überfälle auf die Arbeitsstätten verübten, bei denen sie vorher ausgebeutet und sogar misshandelt worden waren.

Dass in den 50er Jahren Annäherungen und Aussöhnungen mit Kriegsgegnern stattfanden, beschreibt Wimar Wiedenhöfer in seiner lokalgeschichtlichen Recherche ebenfalls. Dankbar sei er den Menschen, die in ehrenamtlicher Tätigkeit die durch die Kriegswirren entstandenen Vorurteile durch freundschaftliche Kontakte endgültig in die Vergangenheit verbannten. In den Partnerschaftsvereinen Vlothos, dem mit Lubsko und dem mit Aubigny sur Nère, werde nun Freundschaft gelebt.

Bildunterschrift: Dieses historische Bild zeigt eine Gruppe französischer Kriegsgefangener in Valdorf.

Bildunterschrift: Im gesamten Vlothoer Stadtgebiet und den Ortsteilen gab es 1944 insgesamt 444 Zwangsarbeiter. In etlichen Einsatzstellen wurden sie ausgebeutet und misshandelt.

Bildunterschrift: Das heute zum Wohnhaus umgebaute Kötterhaus steht in Exter und diente als Kriegsgefangenenlager.

Bildunterschrift: Mit Zwangsarbeitern im Amtsbezirk Vlotho und Exter beschäftigen sich in der Geschichtswerkstatt der Autor Wimar Wiedenhöfer, August Wilhelm König, Annegret Arnhölter und Eckhard Möller (von links).


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