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Mindener Tageblatt , 23.03.2005 :

Stolpersteine erinnern an Opfer / Aktion des Kölner Künstlers Gunter Demnig wird ab November auch in Minden realisiert

Minden (mt). "Die Menschen werden veranlasst, sich zu verneigen", beschrieb der Kölner Künstler Gunter Demnig einmal seine Aktion, die vor zwölf Jahren ihren Anfang nahm. Seither liegen in rund 50 Städten mehr als 3.600 seiner mahnenden Werke vor deutschen Haustüren: "Stolpersteine", die ab Herbst auch in Minden an die Greueltaten des Nazi-Regimes erinnern sollen.

Von Hans-Jürgen Amtage

Zehn mal zehn Zentimeter sind sie groß, die Stolpersteine. Darauf verankert eine Messingplatte, in die nur wenige Worte und Zahlen mit Schlagbuchstaben eingehämmert sind. Zum Beispiel: "Hier Wohnte Ernst Wahl Jg.1873 Deportiert 1942 Theresienstadt Ermordet 1944 in Auschwitz". In Zusammenarbeit mit örtlichen Organisationen recherchiert der 57-Jährige die Lebensdaten und die letzte Wohnung der Menschen, die Opfer der Nationalsozialisten wurden: Juden, Sinti, Roma, politische und religiöse Gegner, Behinderte und Homosexuelle. Vor dem betreffenden Haus lässt er den Stolperstein in das Pflaster ein, lässt die Passanten über die Gedenksteine "stolpern" und holt Menschen und ihre Geschichte gedanklich in die Gegenwart, die an diesem Ort einmal wohnten und in den vergangenen sechs Jahrzehnten nach Kriegsende häufig in Vergessenheit geraten sind.

"Es ist quasi unsere letzte Chance, an die Menschen zu erinnern, die auch in Minden Opfer der Nationalsozialisten wurden", betont Sabine Schulz von der Friedenswoche Minden, Initiatorin des Projektes "Stolpersteine" in der Weserstadt. Denn jetzt lebe noch eine Generation, die sich an die Opfer und ihr Lebensumfeld erinnere. Eine wichtige Voraussetzung der Aktion.

Stadt Minden gibt Zustimmung

Gemeinsam mit Hans Langescheid von der Friwo wandte sie sich an die jüdische Kultusgemeinde und ihren Vorsitzenden Harald Scheurenberg, die die Aktion ebenso begrüßten wie die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Und auch die Stadt Minden wurde angesprochen und um Unterstützung gebeten, nicht zuletzt weil die Stolpersteine im öffentlichen Straßenraum eingelassen werden. Bei Bürgermeister Michael Buhre fanden sie offene Ohren, der Rat stimmte in seiner jüngsten Sitzung dem Projekt zu. In den kommenden Monaten will die Friwo die Lebensgeschichten von Opfern des NaziRegimes aufnehmen. Mindener können sich an die Friedenswoche wenden und ihre Erinnerungen an diese Menschen schildern. Im November dann wird Künstler Gunter Demnig nach Minden kommen, in einem Vortrag über seine Arbeit informieren und anschließend mit der Verlegung der ersten Stolpersteine beginnen. In den kommenden Jahren soll die Aktion möglichst fortgesetzt werden.

Projekt 1996 begonnen

Die nahm 1993 ihren Anfang, als Demnig in seiner Wahlheimat Köln ein Projekt zum Gedenken an deportierte Roma und Sinti realisierte. Eine Zeitzeugin äußerte damals, dass "hier doch nie Zigeuner gewohnt haben". Für den Künstler war diese Aussage der Anstoß, die Opfer in Form der Stolpersteine an die Orte zurückzubringen, an denen sie gelebt haben. Drei Jahre später verlegte er die ersten Stolpersteine vor den Wohnhäusern.

Um das Projekt durchführen zu können, bedarf es der finanziellen Unterstützung, wie Sabine Schulz deutlich macht. 95 Euro kostet jeder Stolperstein. Ein Betrag, der in den vielen anderen Städten, die die Aktion unterstützten und mittragen, von Privatpersonen, Vereinen und Unternehmen, vor allem aber auch häufig von Schulklassen aufgebracht wurde, die sich mit den Stolpersteinen dafür engagierten, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.

Informationen zu den Stolpersteinen erteilt die Aktionsgemeinschaft Friedenswoche Minden, Alte Kirchstraße 1a, 32423 Minden, Telefon (0571) 24339, E-Mail : friwo@onlinehome.de


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