Die Glocke ,
23.03.2005 :
Pastor Hermann Josef Scheipers / Mit Gottes Hilfe das KZ Dachau überlebt
Lippetal-Lippborg (kst). Er zeigt sie, hält sie hoch, für alle sichtbar. An ihr hängen eine Unmenge schrecklicher Erinnerungen. An ihr hängen fast fünf Jahre KZ-Erlebnisse jeglicher Art: die Registriernummer 24255 auf dem blau-grau gestreiften Stück Stoff mit dem roten Dreieck. Fast fünf Jahre Haft verbrachte Pastor Hermann Josef Scheipers aus Ochtrup im Münsterland im KZ Dachau bei München als letzter heutiger Überlebender des so genannten "Priesterblocks", den es so nur in diesem KZ gab, und in dem über tausend Priester aller Konfessionen in Haft waren und größtenteils vergast wurden.
Die Ermordungen geschahen allerdings nicht in Dachau, denn die dortigen Gaskammern seien nie in Betrieb genommen worden, so Pastor Scheipers. Die Vergasungen fanden in Hartheim bei Linz in Österreich statt, wo allein im Jahre 1942 über 3.000 Häftlinge umgebracht wurden, davon 336 Priester.
Gespannt verfolgten an die 100 Zuhörer im großen Saal auf Haus Assen in Lippborg den Ausführungen des heute über 90-jährigen Priesters aus Ochtrup. Pastor Scheipers Wunsch war es seinerzeit, nach der Priesterweihe 1937 als Missionar nach Übersee zu gehen. Das war ihm aber als Nicht-Ordenspriester verwehrt. Uns so ging er in die Diaspora nach Sachsen, wo er in 150 Ortschaften "seine" Katholiken betreute. Dort las er auch Messen für polnische Zwangsarbeiter. Das so genannte Kanzelgesetz und das Heimtückegesetz gaben den braunen Machthabern das Recht, Pastor Scheipers zu inhaftieren.
Nach einem halben Jahr im Polizeigefängnis in Leipzig war es der übliche Weg, wie er sagte, in ein Konzentrationslager (KZ) gebracht zu werden. So gelangte er in den Priesterblock nach Dachau. Oft habe er den Fingerzeig Gottes gespürt, und zwar so deutlich, dass er es "wie mit dem Holsken gefühlt habe", so Scheipers. Als in der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 die "Endlösung der Judenfrage" beschlossen war, begann im KZ Dachau im gleichen Monat die Vernichtung "unwerten Lebens".
Nach einem Schwächeanfall kam der Häftling mit der Nr. 24255 in den Invalidenblock des KZ, was den sicheren Tod bedeutete. Scheipers Schwester Anna wurde auf Umwegen darüber informiert. Sie gelangte daraufhin in das Reichssicherheitshauptamt und sprach dort energisch vor. Wohl auch unter dem Eindruck, das in Münster der dortige Bischof Clemens August von Galen in seinen berühmt gewordenen Predigten, in denen er gegen eben diese Vernichtung unwerten Lebens vorging, in Berlin für erhebliche Unruhe gesorgt hatte, wurde veranlasst, das Scheipers wieder in den Arbeitsblock des KZ verlegt wurde.
Schwerstarbeit für den "Endsieg"
Wahrscheinlich durch die energische Intervention Anna Scheipers, so nimmt man an, wurden dort nun keine Priester mehr umgebracht. Die Geistlichen und andere Häftlinge wurden ab Mitte 1943 für den "Endsieg" gebraucht und mussten in der Umgebung, vorwiegend in München, in Rüstungsbetrieben Schwertsarbeit verrichten.
Als gegen Kriegsende die Situation brenzlich wurde, wurden die Häftlinge "verlegt". In Todesmärschen ging es von Dachau in andere Richtungen. Auf einem dieser Märsche gelang Scheipers die Flucht. Nach Wochen kam er wieder nach Münster, wo er fünf Jahre als Priester wirkte. Danach ging er wieder nach Sachsen und blieb dort bis 1983. Aus den Ausführungen Pastor Scheipers sprach unerschütterliches Gottvertrauen, und auch die jüngeren Zuhörer waren am Ende des zweieinhalbstündigen Referates des über 90-Jährigen mehr als beeindruckt.
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