Der Patriot - Lippstädter Zeitung ,
23.03.2005 :
Bevölkerung suchte Schutz in Bunkern und Stollen / Vor 60 Jahren fand der letzte Luftangriff auf Rüthen statt / Tiefflieger verbreiten Angst und Schrecken / Mehrere Tote im Verlaufe des Krieges / 100 Häuser beschädigt
Rüthen. Was bringt Menschen dazu, mit Spitzhacke und Schaufel einen 30 Meter langen Stollen am Fuße der Stadtmauer unter der Felsschicht zu graben? Während einst hinter Stadtmauern Schutz gefunden werden konnte, zwang der zunehmende Luftkrieg die Bevölkerung unter die Erde. Die verheerende Wirkung von Angriffen aus der Luft hatten die Rüthener bereits zu spüren bekommen, als heute vor 60 Jahren zum letzten Mal Tiefflieger die Bergstadt angriffen.
Die meisten Fachwerkhäuser haben keine stabilen Kellergewölbe, die bei einem Luftangriff Schutz versprechen, weshalb an mehreren Stellen an der Stadtmauer sowie in der Braugasse Bunker und Stollen errichtet wurden, wie Zeitzeugen berichten. Auch in der Nähe des Bahnhofs am Fuße des Mönkerbergs: Oft standen voll getankte Kesselwagen aus dem nahen Kraftstofflager in Heidberg auf den Gleisen, die schon am 21. Juni 1940 einen Fliegerangriff auf sich gezogen hatten. Vor diesen rollenden Bomben wollte man sich ebenfalls schützen.
Ein Stollen ist sogar noch da: Vor zehn Jahren wurde der zugeschüttete Gang nahe dem Wasserturm freigelegt. Er erfüllt heute einen friedlichen Zweck: Die Gärtnerei Rüberg nutzt den voll gelaufenen Hohlraum als Wasserreservoir für die Pflanzen. Als Luftschutzbunker wurde der Stollen allerdings nie benutzt. Von zwei Seiten hatte man damals gegraben, doch der Stollen, der vom Eingang am Suttroper Weg zur Mauer führen sollte, traf nicht auf den Stollen am Fuße der Stadtmauer. Bevor beide Höhlen vereinigt werden konnten, war der Krieg vorbei.
"Luftschutzort Rüthen, 13.15 Uhr, 2 Sprengbomben, 13 Phosphorbrandbomben und Bordwaffenbeschuss, 1 Werk beschädigt" lautet die nüchterne Luftschutzmeldung vom 23. März 1945. Die tödlichen Folgen dieser Angriffe waren bekannt: Schon am 6. November 1944 fallen ohne vorherigen Luftalarm um 16.15 Uhr Sprengbomben auf die Stadt. Ein Toter und dreißig Verwundete sind zu beklagen, Brände brechen aus, über 100 Häuser sind beschädigt, hauptsächlich am Hachtor und am Oesterntor. Die Stromleitung wird getroffen, Rüthen ist mehrere Tage ohne Elektrizität.
Der Blutzoll sollte noch steigen: Nach mehreren Tieffliegerangriffen fallen am 22. Februar um 13.50 Uhr 14 Sprengbomben auf die Stadt, töten acht Menschen und verwunden neun. Einen Tag später machen die Alliierten Wehrmachtsverbände im heutigen Weickede aus und werfen elf Bomben.
Der blutige Schlussakt kam Ostern: Am 1. und 2. April starben in Rüthen bei Kämpfen gegen die aus Süden anrückenden Amerikaner 14 Menschen.
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