www.hiergeblieben.de

Lippische Landes-Zeitung , 22.03.2005 :

Klosterschülerin und Terroristin / Vortrag über Ulrike Meinhof

Barntrup (an). Ihr Schicksal gibt uns Rätsel auf: Wie wurde aus der Pfarrerstochter Ulrike Meinhof eine Terroristin der Roten Armee Fraktion (RAF)? Dieser Frage ist der Autor Alois Prinz in seinem preisgekrönten Jugendbuch "Lieber wütend als traurig" nachgegangen, aus dem er im Barntruper Kulturschuppen las.

Das große Interesse an dem Schicksal dieser RAF-Terroristin ging an diesem Abend durch alle Altersstufen. Die zahlreichen Zuhörer hörten gebannt dem 1958 geborenen Autor Alois Prinz zu. Er hat mit vielen gesprochen, die Ulrike Meinhof kannten, beispielsweise mit Mitschülerinnen: "Sie haben immer wieder betont, wie hilfsbereit sie war, welch hohes Talent zum Mitleiden sie hatte."

Nonne wollte sie werden, dann Lehrerin. Aber sie wurde Chefredakteurin und Kolumnenschreiberin bei "Konkret". Dort lief sie unter anderem Sturm gegen Nazis, die nach dem Kriegsende ungehindert ihren Karrieren frönten, übte einen schwierigen Spagat zwischen Partyszene und linker Politik und geriet immer mehr in den Bann der linksradikalen Berliner Szene. In Andreas Baader traf sie einen "Kleinkriminellen, der mit Gewalt keine Probleme hatte", und in Gudrun Ensslin eine Frau mit ihr ähnlicher Sozialisation. Nur, dass diese zweite Pfarrerstochter viel härter an die Mission der RAF heranging als Ulrike Meinhof. Gegen massiven Protest der Gruppe suchte Ulrike Meinhof aus der Zelle heraus immer wieder den Kontakt zu ihren beiden Töchtern, den sie im Herbst 74 abrupt abbrach. "Da herrschte regelrechter Psychoterror zwischen den Gefangenen", weiß Prinz. Er ist überzeugt, dass Ulrike Meinhof mitnichten ermordet wurde. "Sie hat dem Druck nicht mehr standgehalten", glaubt er. Am 9. Mai 1976 wurde sie erhängt in ihrer Zelle gefunden.

Ein bewegender Vortrag, in dem es nicht darum ging, Partei zu ergreifen für eine Frau, die Gewalt für ein legitimes Mittel hielt. Am Ende zitierte Prinz Gustav Heinemann, der mit Ulrike Meinhof befreundet gewesen war: "Mit allem, was sie getan hat, so unverständlich es war, hat sie uns gemeint."


blomberg@lz-online.de

zurück