www.hiergeblieben.de

Deister- und Weserzeitung , 22.03.2005 :

Bei der Trauerfeier fehlten viele Angehörige / Wie die Opfer des Bombenangriffs auf den Bahnhof beerdigt wurden / Ehrenfriedhof für Soldaten

Von Bernhard Gelderblom

Hameln. Der folgende Bericht schildert die Beerdigung der Opfer des folgenschweren Bombenangriffs vom 14. März 1945 auf den Bahnhof. Er stammt aus Aufzeichnungen von Heinrich Kranz, seinerzeit pensionierter Studienrat am Lyzeum für Mädchen. Er bildet die Fortsetzung des Berichtes von Kranz, der am 17. März erschienen ist.

Die Beisetzung der Toten (etwa 300, darunter 23 Wehrmachtsangehörige) wurde auf Dienstag, 20. März, vormittags 8.30 Uhr terminiert. Die Opfer des Unglücks sollten auf dem Ehrenfriedhof am Wehl beerdigt werden. Helmut R. sollte seine Ruhestätte dort im Grab 20 der Wehrmachtsgruppe finden. Kranz berichtet:

"Am Montag gingen Elfriede, Hilde und ich nachmittags zum Wehl. Der Friedhofsverwalter Krumsiek sagte uns, dass er selbst bei der Identifizierung und bei der Einsargung zugegen gewesen sei. Die Identifizierung sei bei manchen Leichen sehr schwierig und manchmal unmöglich gewesen, bei Helmut dagegen habe die Feststellung der Personalien keinerlei Schwierigkeiten gemacht. Für die der Wehrmacht angehörigen Opfer sei ein besonderer Ehrenfriedhof eingerichtet, in dessen nächster Nähe auch die übrigen Opfer dieses schweren Luftangriffs, soweit sie nicht auf anderen Friedhöfen oder auf Familiengrabstätten beerdigt würden, ihre letzte Ruhestätte erhalten sollten.

Krumsiek ließ uns dann zum Ehrenfriedhof der Wehrmacht an das Grab Nr. 20 führen. Die Gräber waren bereits ausgehoben, die Särge schon hineingestellt. Wir überzeugten uns, dass die auf dem Sarg stehende Nr. 113 sich deckte mit Helmuts Nummer in der Totenliste und dass außerdem der Sarg den Namen Helmut R. trug. Die 23 Gräber der Wehrmacht lagen unter jungen Kiefern am Waldeshügel, friedlich bestrahlt vom schönsten Sonnenschein. Tief bewegt standen wir drei an Helmuts Grabe und gedachten in tiefem Schmerz der armen Eltern.

Abends ging Hildegard zum Bahnhof, um die Eltern abzuholen, falls sie die Nachricht rechtzeitig erhalten hatten. Nachts waren Hilde und ich zu gleichem Zweck noch einmal fast zwei Stunden am Bahnhof. In schauerlicher Stille lag die arg getroffene Unglücksstätte mit den Ruinen der benachbarten Straßen vor uns. In der Ferne hörten wir das Rollen der Züge, aber die Züge kamen nicht näher. Auskunft war nicht zu erhalten, die Eingangstür zur zerstörten Bahnhofshalle zugenagelt. Schließlich hörten wir kurz vor 2 Uhr durch einen im Gepäckraum noch beschäftigten Bahnbeamten, dass in der Nacht kein Zug mehr zu erwarten sei.

Am nächsten Morgen ging ich um 7 Uhr zum Friedhof Wehl, wo um 8.30 Uhr die Trauerfeier stattfinden sollte. Elfriede und Hilde fuhren mit dem Rade dorthin. Der erste Teil der Trauerfeier fand in der würdig geschmückten Friedhofskapelle statt. Tiefe Stille und schwere Trauer lagen über dem Raum. Mittelschulrektor Pottberg hielt die Ansprache, die umrahmt war von stimmungsvollen Klängen leise vorgetragener Musik. Neben dem Redner stand der Sarg eines Unbekannten, die übrigen Särge standen bereits in den Grüften.

Dann ordnete sich draußen der lange Zug derer, die den Toten die letzte Ehre erweisen wollten. Oben am Ehrenhain teilte sich der Zug. Die Wehrmacht nahm Aufstellung an den Gräbern der 23 gefallenen Soldaten. Wir vier (Frau Blanke, Elfriede, Hilde und ich) stellten uns an das Grab unseres lieben Helmut und sahen tief erschüttert, dass an den übrigen 22 Gräbern keinerlei Angehörige standen, wahrscheinlich wussten sie noch nicht, dass hier einer ihrer Lieben zur letzten Ruhe bestattet wurde.

Nach einer Ansprache des Standortvertreters trat der evangelische Standortprediger, Senior Kittel, an Helmuts Grab, sprach in längerer Rede vom Trost und den Hoffnungen, die wir als Christen haben, und nahm die kirchliche Einsegnung vor. Nachdem wir Blumen in Helmuts Grab gestreut und unsere Kränze niedergelegt hatten, gingen wir mit Frau Blanke zum nahe gelegenen Grabe ihres verstorbenen Mannes. Von hier aus sahen wir, dass bereits eine Gruppe von Soldaten antrat, um die Gräber aufzufüllen.

Es gelang den Angehörigen übrigens, den Leichnam ihres Sohnes in den Heimatort zu überführen."

Bildunterschrift: Die Todesanzeige in der Dewezet vom 22. März verzeichnete nur die deutschen Opfer, nicht die zahlreichen ausländischen Zwangsarbeiter, die bei dem Angriff ums Leben kamen.

Lesen Sie morgen: Die Lage der Zwangsarbeiter


redaktion@dewezet.de

zurück