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Bad Oeynhausener Kurier / Neue Westfälische , 17.03.2005 :

"Wenn kein Krieg gewesen wär ... " / Hermann Ovesieks Jahrgang hätte 1945 Abitur gemacht / Statt dessen Kampfeinsatz und Gefangenschaft / "Abiturientia" 1945 trifft sich jedes Jahr

Bad Oeynhausen (nw). Vor 60 Jahren war der Krieg vorbei. Ungezählte Menschen beschäftigt das historische Datum. Auch Hermann Ovesiek, Heimatforscher und bis 1988 Pastor in Babbenhausen-Oberbecksen. "Wenn kein Krieg gewesen wär, hätten wir vor 60 Jahren im März 1945 unser Abitur gemacht", hat der 79-Jährige gestern in der Redaktion der Neuen Westfälischen berichtet.

"Ostern 1937 waren wir in die Sexta der neu eingerichteten Oberschule für Jungen, die das Realprogymnasium in Bad Oeynhausen ablöste, aufgenommen worden. In acht Jahren sollten wir zur Hochschulreife vorbereitet werden. Doch es kam anders. Bereits im Frühjahr 1943 wurden die ersten von uns, die sich freiwillig zur aktiven Offizierslaufbahn gemeldet hatten, von der Wehrmacht einberufen. Auch die anderen bekamen nach und nach ihren Musterungsbefehl und wurden zum Arbeitsdienst und dann zur Wehrmacht eingezogen. Mit "Vorsemesterbescheid" und "Reifervermerk" wurde wir von der Penne entlassen. Als "Oberprima" gab es unserer Klasse nicht. Einige waren gefallen, die meisten waren noch im Kampfeinsatz oder bereits in Kriegsgefangenschaft. Die Abiturprüfung im März 1945 erübrigte sich.

Als wir auch Krieg und Kriegsgefangenschaft heimkehrten, galt das Abgangszeugnis mit "Vorsemesterbescheid" oder mit "Reifevermerk" nichts mehr. In einem "Kursus für Kriegsteilnehmer" haben wir dann - manche erst 1949 - unser Abitur "nachgemacht."

Dennoch nannten wir uns mit einem gewissen Trotz und Stolz die "Abiturientia 1945". Obwohl wir unser Abitur zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Gymnasien ablegten, fanden wir uns als ehemalige Klasse wieder zusammen. Bis jetzt haben wir noch unser jährliches Klassentreffen. Zurzeit sind wir noch 19 "Ehemalige". 1937 waren wir ein starker Schuljahrgang. 48 Sextaner zählte unsere Klasse zu Anfang.

Die "Festschrift des Immanuel-Kant-Gymnasiums Bad Oeynhausen aus Anlass des 100-jährigen Schuljubiläums im Jahr 1993" hat für 1945 unserer "Abiturientia 1945" namentlich abgedruckt: 30 Namen."

Vom Kriegsgeschehen in der Heimat, vom Angriff auf die Weserhütte am Karfreitag, 30. März 1945, hat Ovesiek erst viel später erfahren. Bei Gdingen kämpfte er gegen die Rote Armee. "Es hieß, wir müssten weiter Widerstand leisten, damit die Flüchtlinge nach Westen kommen konnten", berichtet er. Nach mehreren Wochen hörte er am 1. April wieder Berichte über den Verlauf des Krieges und erfuhr, dass "am Wiehengebirge eine Hauptkampflinie" verlaufe. "Ich fiel aus allen Wolken", erinnert sich Ovesiek. Am 25. April geriet er in russische Kriegsgefangenschaft, im Dezember 1947 kehrte er heim.


lok-red.oeynhausen@neue-westfaelische.de

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