Westfälisches Volksblatt / Westfalen-Blatt ,
17.03.2005 :
Erschütterndes Bekenntnis zur Humanität / Große Aufführung: "War Requiem"
Von Günther Kunert
Paderborn (WV). Ein beeindruckendes Dokument gegen die Gräuel des Zweiten Weltkrieges - das ist Benjamin Brittens "War Requiem". Unter der Leitung von Domkapellmeister, Theodor Holthoff wurde dieses erschütternde Werk am Dienstag erstmals im Dom aufgeführt.
Damit veranstaltete das Domkapitel eine überzeugende Form des Gedenkens an die verheerenden Luftangriffe vom März 1945, die die Stadt zu 80 Prozent vernichteten. Von der Domkirche blieb allein die Krypta unversehrt. Damit kann eine Parallele zu der von deutschen Fliegern zerstörten englischen Kathedrale in Coventry gesehen werden - ein Mahnmal fiir den Frieden, in dessen Nähe eine neue Kathedrale aufgebaut wurde.
Zu deren Einweihung 1962 komponierte Benjamin Britten das "War Requiem", dessen Bedeutung in der Plastizität, in der Eindringlichkeit und in der überzeugenden Anklage besteht. Die Sinnlosigkeit und die Brutalität des Krieges, die in den Gedichten Wilfried Owens ins Wort gebracht werden, werden verknüpft mit den liturgischen Texten der Totenmesse.
Schon in dem dumpfen Gongschlag des einleitenden vom Chor einstimmig psalmodierend gesungenen "Requiem aeternam", dem drängenden Orchesterzwischenspiel und den makellos intonierenden Domchorknaben beim "Te decet hymnus" entwickelte sich die ganze Spannkraft dieser Aufführung. Donnernde Geschütze, heulende Granaten und grelle Signale der Bläser zeichnen ein Kriegsszenario, das in der Bitte um Erbarmen im sechsstimmigen "Kyrie eleison" mündet.
Zwei Chöre, drei Solisten
Im nachfolgenden "Dies irae" verbinden sich Apokalyptisches und Kriegsrealitat - höchst eindrucksvoll schallten die Bläsersignale durch die Weite der Kathedrale, wie überhaupt das "Niedersächsische Staatsorchester Hannover" durch ein stets engagiertes Dirigat Holthoffs animiert mit höchster Präzision und Konzentration spielte und die Plastizität dieser eindrucksvollen Komposition erlebbar machte.
Den aufregenden Dialog der beiden Soldaten nach Texten von Owen gestalteten Martin Homrich mit seinem nuancierenden Tenor und Stefan Adam mit einem sonoren, weit in das Mittelschiff klingenden Bariton. Mit geradezu feierlicher Leidenschaft sang die hochmotivierte Domkantorei das "Lacrimosa", in das sich Katja Pieweck mit ihrem volumenreichen und von innerer Dramatik gezeichneten Sopran einfügte.
Hochdramatisch gelang das "Libera me", vereinigte es doch die dramatische Steigerung in den komplexen Rhythmen, in den Akkordschichtungen der Bläser, in den heulenden Passagen des Chores. Als dann abschlieBend die Knabenstimmen das "In paradiesum deducant te angeli" - eingerahmt vom sechsstimmigen Satz der Domkantorei - singen und der schlichte a cappella-Satz "Requiescant in pace" erklingt, wird die Symbolkraft dieses grandiosen Werkes erfahrbar.
Erschütterung und langes Schweigen - 60 Jahre nach der Zerstörung Paderborns. Domchor, Domkantorei, Solisten und das "Niedersachsische Staatsorchester Hannover" gestalteten eine grandiose Aufführung. Brittens "War Requiem" unter der Leitung von Domkapellmeister Holthoff war ein groBes musikalisches Bekenntnis zur christlichen Humanitat.
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