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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 17.03.2005 :

Grinsen nicht vergangen / Neonazi Schönborn zu Geldstrafe verurteilt / "Landser"-Musik vertrieben

Kreis Gütersloh (raho). Noch Minuten vor der gestrigen Verhandlung im altehrwürdigen Wiedenbrücker Amtsgericht scherzte der Angeklagte mit seinem Begleiter und plauderte wie mit einem alten Bekannten mit dem als Zeugen geladenen Hauptkommissar. Und selbst nach seiner Verurteilung hatte der Angeklagte seinen speziellen Humor nicht verloren. "Schau’n mer mal", antwortete Meinolf Schönborn grinsend auf den eindringlichen Rat der Richterin, sie wolle ihn "hier nicht mehr sehen".

Der vorbestrafte Neonazi aus Herzebrock-Clarholz musste sich wegen eines harmlos klingenden Vorwurfs verantworten: "Fahrlässiger Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz." Konkret ging es freilich um den Vertrieb verbotenen Liedguts der Rechts-Kultband "Landser"; in den Titeln "Kreuzberg" und "Sag mir, wo du stehst" wird zum Rassenhass und zur Vernichtung von Ausländern aufgerufen. CDs dieser erst vor einer Woche vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe als kriminelle Vereinigung eingestuften Gruppe hatte Schönborn, wie er auch nicht bestritt, im Jahr 2003 über seinen Z-Versand an interessierte Kunden verkauft.

Der Angeklagte - Vollbart, dunkelbrauner Pullover, dunkelbraune Hose - wollte das Gericht allerdings glauben machen, dass er davon ausgegangen sei, die strafbaren Textstellen seien zuvor verzerrt worden. Das habe ihm sein Lieferant, der in der Szene bekannte Andreas St., ausdrücklich versichert. Gegen St. läuft nach NW-Informationen zurzeit ein Verfahren im schleswig-holsteinischen Reinbek wegen Verbreitung dieser Tonträger und Volksverhetzung. Schönborn soll dort als Zeuge gehört werden.

Außerdem, so der Angeklagte, kenne er sich als "Liebhaber klassischer Musik" mit solchen Liedern überhaupt nicht aus. Es handele sich im übrigen um ein reines Nebengeschäft. Überdies beschwerte er sich darüber, "dass wir wegen so einer bescheuerten CD hier sitzen."

Richterin Uta Domke ermahnte Schönborn, die Vorwürfe seien keineswegs als Lappalie anzusehen. Schließlich könnten junge Menschen durch solche Musik auf die falsche Bahn gebracht werden.

Sie war wie die Staatsanwältin der Meinung, Schönborn hätte die CD vor der Aufnahme in den Versandkatalog eingehender prüfen oder einem neutralen Gutachter vorlegen müssen. Und entgegen seiner Behauptung sei er sehr wohl mit der Materie vertraut.

Das Strafmaß bei Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz bewegt sich zwischen Geldstrafen und Freiheitsentzug bis zu sechs Monaten. Der Anklagte, der ohne Verteidiger erschien, forderte einen Freispruch. Die Staatsanwältin wollte den Fall auch "nicht so hoch hängen" und plädierte auf eine Geldstrafe von insgesamt 1.200 Euro.

Wegen Schönborns angespannter finanzieller Lage - das Einkommen schwankt zwischen 40 und 400 Euro monatlich, zudem muss er Unterhalt für seinen Sohn (13) zahlen - blieb das Gericht mit 60 Tagessätzen à 15 Euro unter dieser Forderung.

Dass sich Richterin und Angeklagter demnächst wiedersehen, ist nach der Durchsuchung von Schönborns Firmenräumen (NW vom 5. März) nicht ausgeschlossen. Der 49-Jährige wird verdächtigt, Nazi-Propaganda verbreitet zu haben. Nach Angaben der Dortmunder Staatsanwaltschaft dauert die Auswertung des sichergestellten Materials aber noch an.


lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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