Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische ,
16.03.2005 :
Immun gegen braune Soße / Jahresbilanz des Staatsschutzes: Schwerpunkt islamistischer Terrorismus
Bielefeld (cos). Dem tödlichen Schuss eines Polizeibeamten auf einen Polizeiinformanten bei McDonalds am Jahnplatz folgen polizeiinterne Ermittlungen. "Wir prüfen, ob wir Konsequenzen ziehen", sagte Polizeipräsident Erwin Südfeld, als er gestern mit Staatsschutz-Chef Dirk Butenuth das Jahr 2004 bilanzierte. Bislang sei es "Normalität polizeilichen Handelns" gewesen, Informanten an belebten Plätzen zu treffen.
Der Staatsschutz ist die Politabteilung der Polizei, im gesamten Regierungsbezirk zuständig für politisch motivierte Straftaten. Gemessen an der Zahl der Delikte sind das vor allem Straftaten von Neonazis, die Hakenkreuze tragen oder verbotene Parolen grölen. Die rechte Szene ist laut Butenuth existent, aktiv, aber in Bielefeld nicht mehr aufgefallen als sonst. Gleiches gilt für die Linksextremen.
Den Rechten fehlt in der Stadt der Treffpunkt, seit die Gaststätte "Postmeister" geschlossen ist. Den Plan, auf Schulhöfen in NRW 50.000 CDs mit Nazimusik zu verteilen, hat die Polizei verhindert.
Junge Leute immun gegen rechte Ideologie zu machen, versucht die Polizei in Zusammenarbeit mit Schulen. Das Präventionskonzept von Staatsschutz und Kommissariat Vorbeugung ist überarbeitet und liegt für Lehrer und Erzieher bereit. Butenuth wünscht sich, dass mehr Schulen die Unterlagen anfordern, bevor sie ein akutes Problem mit Rechtsextremismus haben. "Wir hoffen, das lebt auf."
Islamistischen Terrorismus zu bekämpfen, ist Schwerpunktaufgabe des Staatsschutzes und aller anderen Polizeidienststellen. Die Polizei hat keine Hinweise, dass in der Region Anschläge geplant sind. Gefahr bestehe dennoch, und "eine kurzfristige Lageentspannung steht nicht zu erwarten". Die Gemeinden von etwa 20 Moscheen in OWL schätzt Butenuth als extremistisch ein.
Als Zentrum islamistischer Aktivität gilt der Raum Minden. Dort wirkte der bei McDonalds erschossene Deutschmarokkaner als Polizeiinformant. Das Verfahren gegen die Polizisten hat die Staatsanwaltschaft eingestellt. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Mann psychisch gestört war. Diese Darstellung erstaunt die Mitglieder einer Mindener Sambagruppe, der er sich vor einigen Monaten angeschlossen hat: Er habe sich in die Gruppe eingefügt und regelmäßig Tambourin geübt. Die Sambaliebhaber, vor allem Frauen, beschreiben den Islamisten-Bespitzler als "im westlichen Sinne" aufgeschlossenen Menschen, auch wenn er keinen Alkohol getrunken habe.
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
|