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Neue Westfälische 15 - Paderborn (Kreis) , 13.01.2017 :

Politische Debatte im Hörsaal

Politische Debatte im Hörsaal

Schlagabtausch der Abgeordneten: Mehr als 500 junge Menschen verfolgen im Audimax der Universität Statements von Politikern / Für sie gibt es nicht nur Applaus

Von Sabine Kauke

Paderborn. Das Wahljahr mit NRW-Landtagswahl im Mai und Bundestagswahl im September ist in Paderborn eingeläutet: Auf Initiative des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) und der Debating Society Paderborn (DSP) der Universität stellten sich am Mittwochabend im Audimax fünf Abgeordnete sowie der Paderborner Bundestagskandidat der AfD den Fragen Studierender. Fünf Themen kamen zur Sprache, für mehr Fragen, die zuvor schriftlich eingereicht wurden, reichte die Zeit nicht.

Selbst auferlegte Sicherheitsmaßnahmen wie das Kontrollieren von Ausweisen der namentlich angemeldeten Zuhörer und das Untersuchen von Taschen hatten den Debattenstart um eine Stunde verzögert. Angesichts der Kritik, die sich bereits im Vorfeld an der Einladung an die AfD entzündet hatte, wurden wohl Störungen befürchtet. Für diesen Fall kündigten die Moderatoren dem Publikum gar Platzverweise an. Aber soweit kam es nicht: Missfallsäußerungen gingen über einige laute Buh-Rufe nicht hinaus. Die kassierte übrigens nicht nur AfD-Mann Markus Roscher-Meinel für sein "Nein" zur rechtlichen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe, sondern ebenso lautstark der CDU-Landtagsabgeordnete Daniel Sieveke.

"Was tun Sie gegen prekäre Arbeitsverhältnisse an Universitäten? Und was für eine bessere Qualität von Forschung und Lehre?" fragten die beiden Moderatoren Marie Risse und Julius Erdmann.

Angesichts "erheblicher Defizite" bei der finanziellen Ausstattung der Unis müsse man über die Wiedereinführung von Studiengebühren reden, betonte der FDP-Landtagsabgeordnete Marc Lürbke. Seit 2011 fehlten der Uni Paderborn 6 Millionen Euro.

NRW sei Schlusslicht in der Relation Mittel pro Student, erklärte der CDU-Landtagsabgeordnete Daniel Sieveke, dass mehr Geld in die Hochschulen fließen müsse. Und nur 17 Prozent der Beschäftigten hätten unbefristete Arbeitsverträge. "Ohne Drittmittel aus Unternehmen wäre die Lage noch prekärer."

Für Grüne, SPD und Linke bleiben Studiengebühren tabu. "Sie schrecken vor allem Kinder aus Nichtakademiker-Familien ab", so die Linken-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler unter großem Beifall. "Der Wegfall dieser Gebühren ist ordentlich ausfinanziert worden", betonte der SPD-Bundestagsabgeordnete Burkhard Blienert, der für den beitragsfreien Besuch von Kita bis Uni eintritt und wie die Grünen-Landtagsabgeordnete Sigrid Beer bei Bildungsaufgaben Bund und Land in der Pflicht sieht. Die rot-grüne Landesregierung habe die Mittel für Universitäten aufgestockt und das Hochschulfreiheitsgesetz wieder in Balance gebracht. "Freiheit ohne Verantwortung geht nicht", so Beer.

Auch über Klimawandel und Politikverdrossenheit wurde diskutiert. "Politiker und Bürger müssen miteinander ins Gespräch kommen, ehrlich die Meinung sagen, fair und offen streiten mit dem Ziel, dass es den Menschen besser geht", appellierte Sieveke: "Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, die Demokratie zu erhalten." Sigrid Beer stimmt zu: "Die fällt nicht vom Himmel." Sie warnt vor Fake News aus den "manchmal Anti-Sozialen Medien".

Um Menschen für Politik zu begeistern, müssten mehr Volksabstimmungen her, meinte AfD-Kandidat Roscher-Meinel: "Und wir müssen berechtigte Ängste der Menschen ernst nehmen." "Sie schüren Ängste", konterte der Liberale Marc Lürbke. "Probleme offen zu benennen und Lösungen zu finden, das ist das beste Mittel gegen Rechtspopulismus."

Bildunterschrift: Politiker zum Anfassen: 800 Interessierte, vor allem Studierende, hatten sich angemeldet, rund 200 erhielten eine Absage. Trotzdem blieben dann Sitze frei.

Bildunterschrift: Burkhard Blienert (SPD): "Regenerative Energien ausbauen."

Bildunterschrift: Sigrid Beer (Grüne): "Politiker sollten nah bei den Bürgern sein."

Bildunterschrift: Marc Lürbke (FDP): "Wir müssen Probleme offen benennen."

Bildunterschrift: Markus Roscher-Meinel (AfD): "Freiheit der Lehre ist wichtig."

Bildunterschrift: Kathrin Vogler (Die Linke): "Studiengebühren schrecken ab."

Bildunterschrift: Daniel Sieveke (CDU): "Ehe besteht zwischen Mann und Frau."

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Frank Gockel, 12.01.2017:

Der AStA und die AfD

Offener Brief an den AStA der Universität Paderborn

Ein seltsames Näheverhältnis besteht zwischen dem AStA der Universität Paderborn, das mit der Außendarstellung betraute Organ der Studierendenschaft und der AfD, einer extrem rechten Partei. Anstatt sich der AStA deutlich abgrenzt und sich schützend vor den Kommilitoninnen und Kommilitonen stellen, die bei einer Regierungsbeteiligung der AfD mit grassierenden Konsequenzen zu rechnen haben, äußert er sich im internen Schriftwechsel mit den Rechten sehr betont freundlich, ja selbst Begriffe wie Liebe werden dort als Hochschätzung füreinander eingesetzt. So verwundert es auch nicht, dass die AfD für den AStA der Universität Paderborn zu einer selbstverständlichen Kraft im politischen Parteienspektrum gehört, welches der Studierendenschaft in der Veranstaltung "Schlagabtausch" für die nächste Landes- und Bundestagswahl vorgeschlagen wurde. Munter darf die AfD neben vier weiteren Parteien ihre Hetze vor einem breiten Publikum verbreiten.

Doch was gab die AfD an dem Abend so bekannt? Ich weiß es nicht. Denn zugelassen wurde vom AStA nur ausgewähltes Publikum. Jeder musste sich vorab mit Namen anmelden und beim Einlass wurde mit der Kontrolle von Personaldokumenten jeder peinlich überprüft. Ich, der ich mich seit Jahren für Flüchtlinge und gegen Rechtsradikalismus einsetzte, hatte mich auch angemeldet. Zu keinem Zeitpunkt wurde mir mitgeteilt, dass eine Anmeldung nicht mehr möglich sei. Einlass bekamen namentlich bekannte Kritiker der AfD, wie ich es zum Beispiel bin, durch die Studierendenschaft nicht. Angeblich war der Saal voll, obwohl, von außen deutlich zu sehen, noch einige Stühle frei waren. Die Vermutung liegt daher nahe, dass versucht werden sollte, Kritiker der AfD auszuschließen und so keine ablehnenden Stimmen zuzulassen. Bekannte Mitglieder der Identitären Bewegung oder andere Nazis bekamen freien Zugang, mit ihrer Anwesenheit hatte der AStA anscheinend keine Probleme.

Was hätte mich bei der Veranstaltung interessiert? Ich wäre neugierig, warum so viele Menschen glauben, der AfD zuhören zu müssen. Ich wäre aber besonders interessiert gewesen, welche Fragen nicht gestellt werden durften. Denn, wie bei einer Veranstaltung mit der AfD nicht anders zu erwarten, wurde nicht jede Frage zugelassen. Sie mussten im Vorfeld schriftlich unter Nennung des Namens an den AStA geschickt werden. Dieser sortierte dann aus, der Kriterienkatalog wurde nicht bekannt gegeben. Da ja gerade die AfD sehr öffentlichkeitsscheu ist, was Kritik an ihrer Partei betrifft, kann nur vermutet werden, dass der AStA nur wohlwollende Fragen stellte oder zumindest sehr kritische Fragen aussortiert hat.

Sicherlich dürfte diese Veranstaltung des AStA in Paderborn im Bundesgebiet eine einmalige Aktion darstellen. Bisher konnten die Ableger der AfD meines Wissens noch keinen Fuß in die Studierendenparlamente bekommen. Dass ist gut so und macht Hoffnung. Der einmalige Vorgang des AStAs in Paderborn, rechtsradikales Gedankengut in den Universitäten Vorschub zu leisten, ist unerhört. Ich selber war in der Hochschulpolitik in Paderborn und auch im AStA einmal aktiv. Mit persönlichem Erschrecken musste ich gestern feststellen, wie tief die Vertretung der Studierenden in Paderborn schon gesunken ist.

Mit antirassistischen Grüßen (auch wenn die offensichtlich nicht mehr ankommen)

gez. Frank Gockel

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Westfälisches Volksblatt / Westfalen-Blatt, 11.01.2017:

Kritik an AfD-Einladung in Universität

Linksjugend spricht von einem Tabubruch in Paderborn

Paderborn (pic). Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Uni Paderborn hat sich den Zorn des AStA der Fachhochschule Bielefeld und der Paderborner Linksjugend zugezogen. Aus der Uni-Nachbarstadt Bielefeld hagelt es Kritik, weil der AStA Paderborn heute Abend bei einer Podiumsdiskussion (18 bis 20 Uhr) im Audimax zur Landtags- und Bundeswahl auch den Paderborner AfD-Kreisvorsitzenden Günter Koch zu Wort kommen lassen will. Der AStA Paderborn hat außerdem die Teilnahme der Bundestagsabgeordneten Burkhard Blienert (SPD) und Kathrin Vogler (Linke) sowie der Paderborner Landtagsabgeordneten Daniel Sieveke (CDU), Marc Lürbke (FDP) und Sigrid Beer (Grüne) angekündigt.

"In Paderborn ist die Einladung der Rechtsradikalen bisher ein politisches Tabu", erklären Marc Freesmeier und Teresa Brandt als Sprecher der Linksjugend im Kreisverband Paderborn. Die AfD finde sonst in Paderborn keine Räume für Veranstaltungen, weil kein Inhaber "mit dem rechten Rand kooperieren" wolle. Um so bedenklicher sei es, dass ausgerechnet an der Uni "ohne ein kritisches Wort an die Öffentlichkeit" eingeladen werde, kritisieren die Sprecher der Paderborner Linksjugend.

Auch der AStA der Fachhochschule Bielefeld warnt in einer Erklärung, die von etlichen Organisationen aus Paderborn und Bielefeld unterzeichnet ist, davor, der AfD eine Bühne zu bieten. Die AfD sei ein Zusammenschluss von Befürwortern von "Rassismus, Nationalismus, Chauvinismus, Antisemitismus und Kriegsschuld-Revisionismus geworden", teilt Martha Pogorzelec als Referentin im Referat für feministische Politik im Namen des AStA der Fachhochschule Bielefeld mit.

Die Paderborner Piraten-Bundestagskandidatin Sabine Martiny kritisiert, dass ihre Partei nicht zur Podiumsdiskussion eingeladen worden sei. "Gibt es an der Uni Paderborn nur fünf Stühle?" fragen die Piraten. Sie erwägen Aktionen heute am Uni-Eingang.

Bildunterschrift: Streit um Günter Koch.

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Lotta - Antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen, 08.06.2016:

Das Erfurt des Westens der AfD - Ein Betrachtung der AfD-Kundgebung mit Höcke in Paderborn am 13. Mai 2016

Von Frieder Karlson und Jan Raabe

"Ihr seid die Erfurter Westdeutschlands", ruft Björn Höcke am 13. Mai 2016 in Paderborn dem Publikum zu. Wer nachzählte, rieb sich verwundert die Augen, denn vor der Bühne standen nicht Tausende wie bei den Kundgebungen der AfD in Erfurt, sondern nur 400 bis 450 Teilnehmende. Vielleicht meinte Höcke aber nicht die Anzahl, sondern die weit rechts stehende inhaltliche Ausrichtung der ZuhörerInnen.

Björn Höcke zog in seiner Rede alle rhetorischen und inhaltlichen Register, die RednerInnen der extremen Rechte gerne ziehen: Mit klassischen Stichworten der extremen Rechten befeuerte Höcke die Stimmung und bediente die Erwartungen der Anwesenden: wenn er von "keine Heimatliebe mehr im Leibe", von "krankhaftem Selbsthass" redete; wenn er Angela Merkel als "Kanzlerdiktatorin", die seinem Gefühl nach "fremdbestimmt" sei, bezeichnete und verkündete, dass die AfD im Falle eines Wahlsiegs "dieses Multi-Kulti-Experiment sofort beenden" würde; wenn er immer wieder das "Deutsche Volk" beschwörte - dann bedient Höcke Rassismus und Nationalismus. Das Publikum goutierte seine Rede mit "Merkel muss weg"-Rufen und rhythmischem Klatschen.

Völkische Kader

Wer sich das Publikum, welches Höcke zujubelte, etwas genauer ansah, dem fielen sofort die vielen Personen mit extrem kurzen Haaren auf. Nein, keine Skinheads mit Glatze, sondern eher das, was man als "HJ"-Schnitt bezeichnen würde. Die etwa 12-köpfige Gruppe völkischer AktivistInnen aus Ostwestfalen-Lippe und dem angrenzenden Niedersachsen hatte sich nicht zum ersten Mal bei einer Veranstaltung der AfD in Paderborn eingefunden. Seit Ende 2015 organisiert die AfD Aufmärsche in westfälischen Region. Bereits bei der AfD-Demonstration am 17. März 2016 seien Ex-Aktivisten der "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) mitgelaufen, twitterte "Antifainfo Bielefeld". Am 13. Mai 2016 war unter anderem das Detmolder Ehepaar Anna-Maria und Gerd Ulrich mit ihrer ältesten Tochter angereist. Beide waren bis zum Verbot 2008 AktivistInnen der HDJ. Einen deutlich längeren Anreiseweg hatte Andreas-Dieter Iloff auf sich genommen. Der ehemalige Fallschirmjäger ist, wie seine Mitgliedsnummer nahe legt, nicht erst seit gestern AfD-Mitglied. Im Kreisverband Diepholz ist Iloff stellvertretender Kreisvorsitzender der AfD und kann in dieser Rolle durchaus Einfluss auf die politische Ausrichtung der AfD, zumindest auf lokaler Ebene, nehmen. Iloff betreibt auf dem "Auehof" in Kirchdorf im Landkreis Diepholz (Niedersachsen) eine Huf- und Messerschmiede. Seit Mitte der 1990er Jahre ist Iloff in der extremen Rechten aktiv. Iloff lud in der Vergangenheit selbst zu Sonnenwendfeiern auf dem "Auehof" und nahm an einem von der Artgemeinschaft (Lotta Nr. 59) beim Thüringer Neonazis Thorsten Heise konspirativ organisierten Treffen teil, wie die Journalistin Andrea Röpke im Blick nach Rechts berichtet.

Ein weiterer Schmied war bei der AfD-Kundgebung in Paderborn anwesenden, Christoph Kutz aus dem zu Paderborn gehörenden Neuenbeken. Kutz, der seit mehreren Jahren mit Iloff zusammenarbeitet, zeigte bei der Kundgebung seine Tätowierung einer "Odals-Rune", welche auch das Symbol der verbotenen Wiking-Jugend war. Auch aus anderen Bereichen der extremen Rechten waren bekannte AktivistInnen vor Ort. Zum Beispiel Siegfried Reball, er kommt wie Gerd Ulrich aus der NPD. Am 09.05.2016 trat er auf der Pegida NRW-Demonstration in Duisburg als Redner auf und stellte sich dort als "ein aufrechter deutscher Patriot" vor. In Reichsbürgermanie wetterte er gegen die BRD und behauptete, dass das Deutsche Reich noch fortbestehen würde. Des Weiteren fanden sich bei der AfD-Kundgebung in Paderborn noch einige AktivistInnen aus dem Bereich der rechten Fußball-Fan-Szene des SC Paderborn rund um die Gruppe "Domstädter" ein.

Natürlich waren auch Vertreter der lokalen AfD-"Prominenz" vor Ort. Neben dem Paderborner AfD-Kreissprecher, Günter Koch, welcher als Redner die Kundgebung eröffnete, sprachen Christian Blex, Kreissprecher der AfD Warendorf und neben Koch einer der treibenden Kräfte hinter der AfD-Demonstrationspolitik, sowie Thomas Röckemann, Kreissprecher der AfD aus Minden-Lübbecke. Vor der Bühne fanden sich mit Karl-Heinz Tegethoff, Markus Wagner und Udo Hemmelgarn wichtige Aktivposten der AfD im Raum Ostwestfalen ein. Zumindest Hemmelgarn pflegt als Mitorganisator der "Alternativen Wissenskongresse" in den letzten beiden Jahren Kontakte zum rechten verschwörungstheoretischen Milieu um Jürgen Elsässer und dessen "Compact Magazin" (Lotta Nr. 60).

Identitäre und AfD - Hand in Hand

Auffällig im Gegensatz zu den bürgerlich auftretenden AfD-Kadern war eine Gruppe junger Menschen, fast ausschließlich Männer, deren Habitus wie eine Mischung von Fußball-Ultras und Burschenschaftern wirkte. Gut sichtbar waren Lambda-Symbole auf T-Shirts oder Buttons - das Zeichen der "Identitären Bewegung", zu der die AktivistInnen scheinbar gehörten oder für die sie sympathisieren. Unter ihnen befand sich auch David Mühlenbein. An ihm lässt sich besonders gut die Verschränkung von "Identitärer Bewegung" und AfD verdeutlichen. Mühlenbein war sowohl an der Gründung der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" in Paderborn beteiligt, als auch an der Gründung des Vereins "Identitäre Bewegung Deutschland e.V.".

Es waren auch AktivistInnen beziehungsweise SympathisantInnen der "Identitären Bewegung", die nach der AfD-Kundgebung in Paderborn, die mit dem gemeinsamen Singen der Deutschen Nationalhymne endete, Richtung Gegendemonstration zogen, um diese zu provozieren. Zuvor hatten sie Flyer verteilt, die für einen für den 11. Juni im "Raum Bielefeld" angekündigten "Alternativen Kulturkongress", warben. In einer ersten Version des Kongress-Programms war als Redner neben Björn Höcke auch Martin Sellner, einer der führenden Köpfe der "Identitären Bewegung" in Österreich, angekündigt. Mittlerweile wurde das Programm geändert, statt Sellner soll nun das AfD-Gründungsmitglied und Brandenburger Landesvorsitzende Alexander Gauland bei der Veranstaltung auftreten.

Paderborn - Erfurt des Westens?

Paderborn ist, zumindest was die TeilnehmerInnen-Zahlen betrifft, nicht das Erfurt des Westens. Aber Paderborn ist diejenige westfälische Stadt, in der die AfD bislang am häufigsten demonstrierte. Inhaltlich zeigte die Kundgebung am 16. Mai, dass die AfD im Raum Paderborn stramm auf Höcke- und damit auf Rechtsaußen-Kurs ist. Dies zieht jedoch nur im verhältnismäßig geringem Umfang rassistische BürgerInnen an, sondern mobilisiert vielmehr altbekannte Kader der extremen Rechten. Einige von ihnen sehen in der AfD endlich eine erfolgreiche Rechtspartei, in der sie aktiv werden und die sie mitgestalten können. Andere sehen möglicherweise ihre Chance die AfD, auch ohne Mitgliedschaft, zu beeinflussen und im Sinne der extremen Rechten zu radikalisieren. Wie fließend die Übergänge zwischen AfD und organisierter extremer Rechter sind, belegen die organisatorischen Verschränkungen, welche vor allem zwischen AktivistInnen der "Jungen Alternative" im Kreis Paderborn und den AktivistInnen der "Identitären" in der Region bestehen.

Es ist hoch problematisch, dass besonders in Paderborn, wo die Verschränkung der AfD mit Teilen der extremen Rechten und das Wechselspiel aus rechten Parolen und Neonazismus offen zu Tage tritt, sich die AfD trotzdem als akzeptabler Diskurspartner zu präsentieren weiß und, zum Beispiel bei einer von WDR 5 organisierten Podiumsdiskussion am 19. Mai, auch als solcher angenommen wird. So wundert es nicht, dass es dann in Paderborn, im Gegensatz zu anderen Städten in Ostwestfalen, nicht gelingt, den WirtInnen klar zu machen, dass sie bei Vermietung ihrer Räumlichkeiten an die AfD mitverantwortlich für die Verbreitung von Hetze sind.

Es ist wichtig, bei der Analyse der AfD Sorgfalt walten zu lassen, denn in weiten Bereichen sind nicht die paar Neonazis das gesellschaftliche Problem, sondern vielmehr ein radikalisiertes Kleinbürgertum. Die AfD wird auch zumeist nicht wegen, sondern trotz ihrer Verbindungen zur extreme Rechte gewählt. Dennoch ist es wichtig genau dieses Überschneidungen aufzuzeigen, ermöglicht dies doch einerseits die Gegenkräfte zu stärken und andererseits mögliche Entwicklungsperspektiven der AfD aufzuzeigen. Das Interesse langjähriger neonazistischer Kader an der AfD ist ein deutliches Zeichen der kontinuierlichen Radikalisierung und Verbreitung völkisch-nationalistischer Positionen in der AfD.

Bildunterschrift: Der Mitbegründer des Vereins "Identitäre Bewegung Deutschland", David Mühlenbein, beim Verteilen von Flyern für den "Alternativen Kulturkongress" am 13. Mai in Paderborn.

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- Donnerstag, 17. März 2016 um 18.00 Uhr -


Demonstration gegen die rassistische Mobilisierung der "Alternative für Deutschland"


Auftaktkundgebung:

Domplatz
Neptunbrunnen
33098 Paderborn


- Aktuelle Informationen unter:

www.bgr-paderborn.de
www.paderbunt.de
www.ostwestfalen-lippe.dgb.de/termine/++co++6ffd97e0-e778-11e5-a41d-52540023ef1a


Die Auftaktkundgebung der dritten AfD-Demonstration in Paderborn ist um 18.30 Uhr auf dem Parkplatz in der Florianstraße. Die Route der Demonstration des DGB-Kreisverbandes Paderborn führt am Kundgebungsort der AfD vorbei.


Hintergrund: Dritte Demonstration der AfD in Paderborn in 2016

Für den 17. März 2016, Auftakt um 18.30 Uhr auf dem Parkplatz in der Florianstraße, hat der extrem rechte Kreisverband Paderborn der "Alternative für Deutschland" (AfD) eine rassistische Demonstration unter dem Motto "Neuwahlen jetzt - Rote Karte für Merkel" in Paderborn angemeldet - die dritte Demonstration in der Paderstadt in diesem Jahr.

Am 15. Januar und 12. Februar 2016 fanden zuvor mit 800 und 475 Teilnehmenden zwei AfD-Demonstrationen in Paderborn unter der Losung "Merkel die Rote Karte zeigen" (15.01.) beziehungsweise "Paderborn wacht auf" (12.02.) statt.

Die extremen Rechte im Umbruch - Parteien in OWL

In Ostwestfalen-Lippe - und auch im Kreis Paderborn - ist seit Monaten ein massiver Anstieg extrem rechter und rassistischer Übergriffe auf Unterkünfte für Asylsuchende sowie auf Geflüchtete zu verzeichnen. Die gesamte extreme Rechte versucht die Diskussionen um Asyl und Flüchtlinge für sich zu nutzen. Während sich die Neonazi-Parteien "Die Rechte" und "Der Dritte Weg", wenn auch nicht in der Fläche, in OWL weiter konsolidieren können, setzt sich der Niedergang der NPD weiterhin fort. Ihre langjährigen Strukturen und Kader bilden jedoch weiterhin das Rückgrat der völkischen Kindererziehung in den Nachfolgestrukturen der verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ). Die rechtspopulistische "Bürgerbewegung pro NRW" existiert im Regierungsbezirk Detmold nicht mehr und die Partei "Die Republikaner" (REP) verfügt in OWL nicht mehr über handlungsfähige Strukturen.

Die AfD hingegen, auch und gerade ihr mitgliederstärkster Kreisverband Paderborn, radikalisiert sich unter Führung des NRW-Landessprechers, dem Bielefelder Marcus Pretzell, stetig weiter. Es war im Übrigen auch Marcus Pretzell, der zuerst, bereits am 1. November 2015, den Gebrauch von Schusswaffen als "Ultima Ratio" zur "Verteidigung der deutschen Grenzen" vor Flüchtlingen einforderte.

"Demonstrationspolitik" der AfD

Bei dieser Radikalisierung übernimmt der traditionell extrem rechte Bezirksverband Detmold um Markus Wagner, Thomas Röckemann, Udo Hemmelgarn, Hans-Ulrich Kalb und Günter Koch bei dem Vorantreiben einer so genannten "Demonstrationspolitik" wiederum eine Vorreiterrolle mit ein. Mit ihren Demonstrationen, am 16. November 2015 in Oelde, in Salzkotten am 4. Dezember 2015 sowie Paderborn am 15. Januar 2016 und 12. Februar 2016, gelang der AfD, woran die früheren Versuche von Pegida-Aufmärschen kläglich scheiterten: Sie vollzieht den Schulterschluss mit rassistischen "Wutbürgerinnen" und "Wutbürgern", Anhängenden der "Reichsideologie", Hooligans und militanten Neonazis - und kann so mehrere hundert Menschen mobilisieren.

Vorsitzender eines Neonazi-Vereins begleitete den Wiederaufbau des AfD-Kreisverbandes

Der bei Paderborner Demonstration am 12. Februar 2016 als Redner aufgetretene stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag Brandenburg, Andreas Kalbitz, ist Vorsitzender des Neonazi-Vereins "Kultur- und Zeitgeschichte - Archiv der Zeit e.V.". Der Politikwissenschaftler Hajo Funke kommentierte zu Kalbitz: "Mit seiner Rolle in seinem Kulturverein zeigt er sich als Rechtsextremer. Das ist eine rechtsextreme Vereinigung."

Nachdem sechs von acht Mitgliedern des Vorstandes des AfD-Kreisverbandes Paderborn nach dem Essener Parteitag im Juli 2015 aus der AfD ausgetreten waren, war Kalbitz Gast beim Paderborner AfD-Kreisparteitag am 7. August 2015 und begleitete dort den Neuaufbau der Parteistrukturen.

Begleitchor zu den Gewalttaten gegen Geflüchtete und Unterkünfte

"Die widerwärtige Hetze auf den Demos von AfD und Pegida ist der Begleitchor zu den Gewalttaten gegen Flüchtlinge und Unterkünfte. Deutschland ist in diesen Tagen leicht entflammbar, wenn wir sehen, dass im Durchschnitt täglich zwei Flüchtlingsunterkünfte angegriffen, mit Hakenkreuzen und Parolen beschmiert oder angezündet werden. Nicht von ungefähr haben sich Neonazis in die AfD-Demos eingereiht. Sorgen wir dafür, dass der Mob mit seiner Angstmache in der Ecke steht."

("Paderbunt"-Aufruf zu den Gegenaktivitäten vom 12. Februar 2016)


paderborn@nw.de

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