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Schaumburger Zeitung , 02.03.2005 :

Zwei Jahre zu spät - jetzt kommen die Neuen / Erster "Tiger" ist im April in der Truppe, NH-90 im Dezember / Weiterer Helikopter-Typ im Gespräch

Bückeburg (rc). An der Heeresfliegerwaffenschule Bückeburg überschlagen sich in diesem Jahr die Ereignisse: Mitte April wird mit der Übergabe der ersten fünf Kampfhubschrauber "Tiger" der binationale Ausbildungsbetrieb im französischen Le Luc beginnen, am 1. Juli kann General Richard Bolz seinen Vorgesetzten den "Full Mission"-Betrieb für die Ausbildung auf dem Schulungshubschrauber EC-135 melden, und Ende des Jahres wird das erste Exemplar des Transporthubschraubers NH-90 an die Schule übergeben. "Allesamt Projekte mit erheblichen Perspektiven für die Zukunft", wie der General der Heeresflieger und Kommandeur der Waffenschule, Brigadegeneral Richard Golz, im Gespräch mit unserer Zeitung sagte.

Allen drei Projekten ist aber auch gemein, dass sie mit erheblicher zeitlicher Verzögerung zum Einsatz kommen: Während es beim NH-90 bereits zweieinhalb Jahre Verzögerung gibt, sind es beim "Tiger" und der EC-135 zwei Jahre. Verzögerungen, die Geld gekostet haben, wie der General sagte. Exakte Zahlen könne er aber nicht nennen.

Die Verzögerungen führt der General darauf zurück, dass in den neuen Typen sehr viel neue Technologie eingebaut werde. Es sei Neuland betreten worden, zudem hätten die Anforderungen verschiedener Nationen in den Projekten koordiniert und umgesetzt werden müssen. Der General verglich den Übergang vom Bell UH-1 D zum NH-90 mit einem "Quantensprung" und "völlig neuen Qualitäten". Der General: "Beim Tiger fliegen wir in einer Sensorwelt." Bildverstärker und Wärmesensoren projizierten dem Piloten die Landschaft auf ein Bildschirm-Visier, gleichzeitig werden darauf auch die Flugdaten dargestellt: Raus- oder Instrumenten-Gucken ist nicht mehr notwendig.

Der erste "Tiger" wird aller Voraussicht nach am 19. .April in Le Luc an die Heeresflieger Deutschlands und Frankreichsübergeben, die in der südfranzösischen Stadt ihr gemeinsames Ausbildungszentrum unterhalten. Die "Tiger" werden zunächst nur für Schulungszwecke eingesetzt. Als Waffensystem stehen sie allerdings noch nicht zur Verfügung.

Die Ausbildung auf dem EC-135 wird am 1. Juli wie im Konzept vorgesehen beginnen. Vier der Simulatoren sind bereits in Betrieb und an die Bundeswehrübergeben, zwei weitere sollen Mitte des Monats, die restlichen beiden Mitte Juni übergeben werden. Bei den derzeit laufenden Abnahmeverfahren wird detailliert geprüft, dass die Simulatoren exakt die gleichen Flugbewegungen machen wie ein EC-135 in der Realität. Mit den beiden Nachtflugsimulatoren für die CH-53 und den zwei Bell-Simulatoren besitzt die Waffenschule insgesamt zwölf Simulatoren. 50 Prozent der Ausbildung können in ihnen geflogen werden.

Die Verzögerung bei den Simulatoren "hat uns viel Geld gekostet", sagte der General. Denn auch bei der CH-53- und der Bell-Ausbildung kam es dadurch zu Verzögerungen. So können auf dem Großhubschrauber CH-53, dem Arbeitspferd der Heeresflieger, derzeit jährlich nur rund 11 000 Stunden geflogen werden, erforderlich wären aber 15 000 Stunden. Noch vier bis fünf Jahre werde es dauern, bis die 15 000 Stunden wieder schrittweise erreicht werden können, schätzt der General.

Die 15 Exemplare des EC-135 haben inzwischen ihre 20 000. Flugstunde hinter sich - bis auf den einen schweren Zwischenfall bei einem Autorotationsverfahren, einem Notlandeverfahren (wir berichteten), ohne Unfälle.

Dieser eine Zwischenfall hat es aber in sich: Seitdem wird die EC-135 nicht mehr für dieses Notlandeverfahren eingesetzt, die fliegerische Grundausbildung musste zurückverlagert werden: zunächst auf das alte Schlachtross Alouette II, das jetzt Ende des Jahres ausgemustert wird; seit kurzem dann auf den Panzerabwehrhubschrauber Bo-105, auf dem derzeit die Flugschüler die ersten 42 Stunden ihrer fliegerischen Grundausbildung absolvieren.

Derweil wird im Verteidigungsministeriumüber die Anschaffung eines weiteren Hubschraubertyps nachgedacht, auf dem dann die Grundausbildung erfolgen kann. Wie lange diese Prüfung noch dauern wird, konnte der General nicht sagen. Das so genannte "Interessenbekundungsverfahren" sei abgeschlossen. Nun müsse in Berlin entschieden werden, ob zivile Vertragspartner für die Bundeswehr die Ausbildung übernehmen. Denkbar wäre ein Modell ähnlich der EC-135, wo Eurocopter die Wartung macht, die Bundeswehr nutzt und ausbildet. Überlegt werden müsse aber auch, die Ausbildung komplett auf der Bo-105 zu lassen.

Nach dem Okay der Politik für die NH-90 Ausbildungszentren geht der General davon aus, dass er für diesen neuen Typ im Jahr 2008 "Full mission" melden kann. Für 256 Millionen Euro baut ein Firmenkonsortium in einem so genannten Betreibermodell zwei neue Simulatoren in Achum: Die Industrie baut und stellt bereit, die Bundeswehr kauft die Leistungen.

Das erste von zwölf Exemplaren des NH-90 wird voraussichtlich Ende des Jahres 2005 in Achum landen. Ursprünglich sollte der NH-90 zur Jahresmitte kommen. Die Bells, die der NH-90 ersetzt, fliegen bereits in Celle.


sz@schaumburger-zeitung.de

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