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Die Glocke , 02.03.2005 :

"Stolpersteine" als Mahnmale / Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung

Von Doris Pieper

Gütersloh (gl). Mahnmale als "Stolpersteine" - und umgekehrt: Der Kölner Künstler Gunter Demnig legt den Menschen die Erinnerung im wahrsten Sinne des Wortes zu Füßen. Nicht, damit sie von eben diesen achtlos getreten wird, sondern damit das Nicht-Vergessen seine Bodenhaftung behält.

Seit 1996 hat Demnig bundesweit pflastersteingroße Betonwürfel überall dort planmäßig in Bürgersteige und Straßen eingesetzt, wo einst jüdische Mitbürger lebten. Jeder dieser Steine trägt eine Messingtafel mit der Aufschrift "Hier wohnte ... ", "Deportiert am ... " und "Ermordet in ... "

Jedes Objekt ein Unikat, ein gewollte gedanklicher Stolperstein, der den Blick auf das grausame Schicksal Einzelner lenken, den Beginn eines unmenschlichen Weges markieren soll, der in einem Vernichtungslager des NS-Regimes endete. Die Stadt Gütersloh, die sich zugute hält, eine mehr als 30 Jahre andauernde, vielseitige Forschung, Dokumentation und Würdigung des Schicksals seiner jüdischen Bürger vorweisen zu können, hatte im Juli 2004 beschlossen, Demnigs Projekt mitzutragen. Der Anstoß dazu kam von Naomi Zell, der jüngsten Tochter Jehuda Barlevs, Träger des Gütersloher Ehrenrings.

Am 11. März wird es laut Kulturausschuss eine Informationsveranstaltung für Schulen und mögliche Paten geben. 95 Euro kostet jedes der Mini-Mahnmale, die Demnig ab 11. Mai den Güterslohern gleichermaßen in Gehweg, Geschichte und Gedächtnis "pflanzen" will. Der 58-Jährige, der in Berlin und Kassel Kunst studierte und europaweit durch seine Ausstellungen unter anderem in London, Paris, Venedig oder Antwerpen für Aufmerksamkeit sorgte, hat schon in über 40 deutschen Städten mehr als 4.000 seiner Steine installiert.

Mittlerweile haben auch Metropolen wie Warschau, Budapest, Paris oder Mailand ihr Interesse an einer internationalen Fortführung dieses Projekts gegen das Vergessenwollen bekundet. Verlegt werden die Betonwürfel übrigens mit Zustimmung des Zentralrats der Juden und der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem. Gütersloh reiht sich mit dieser politischen Art von Kunst im öffentlichen Raum in eine bemerkenswerte Liste ein.

Platziert werden die Steine unter anderem an der Kirchstraße 2, wo Leonhard, Lieselotte und Rudolf Beifuss sowie Jenny und Paula Daltrop lebten, in der Kirchstraße 3 (Ernst und Martha Löwenbach), in der Königstraße 12 (Klara Herzberg, Mutter von Jehuda Barlev) sowie in der Bismarckstraße 16 und 24 (Ludwig und Grete Kaufmann, Bernhard und Hannchen Levi). Allesamt Gütersloher, deportiert und spätestens 1943 getötet. "Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung" - sagt eine jüdische Weisheit.


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