www.hiergeblieben.de

Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 26.02.2005 :

Menschlich im Unmenschlichen / Hamburger Tandera-Theater spielte "Es war einmal ein Drache": Weihnacht im KZ

Paderborn (urm.) Geht das? Eine wirklich wahre Geschichte von Grausamkeit, Kälte, Hunger und Not auf der Puppenbühne? Das Konzentrationslager als Kasperltheater?

Das Hamburger Tandera-Theater spielt schon seit zehn Jahren die Geschichte vom Frauen-KZ Ravensbrück. Eine Geschichte von Frauen, die im Dezember 1944 heimlich eine Weihnachtsfeier organisierten, denn sie wollten eben nicht aufhören, wie Menschen zu denken und zu fühlen und auch den Kindern ein Gefühl der Hoffnung geben.

Menschlichkeit angesichts organisierter Massenvernichtung, wie funktioniert das als Puppenspiel? Erstmal gar nicht, denn auf der kleinen Amalthea-Bühne saßen zunächst zwei leibhaftige Frauen im 20igsten Jahrhundert im üblichen Weihnachtsstress.

Nichts wird fertig! Dörte Kiehn und Gabriele Parnow-Kloth unterhalten sich, wobei die Gedanken der einen Frau ständig abschweifen und im Winter 1944 hängen bleiben. Sie erzählt von den Kindern Alexandre, Julian, Andor und Marenka, einige von etwa 400 Lagerkindern, die nach fünf Kriegsjahren längst vergessen hatten, wie man Weihnachten feiert. Irgendwann wird das Licht blasser und die Stube merklich kälter und die wenigen Besucher des Amalthea-Theaters befinden sich im Kriegswinter 1944. Bis jetzt gab es immer noch keine Puppen.

Die Dialoge kreisen ums Organisieren von Brot, Marmelade, etwas Wolle und Pappe zum Basteln. Ständig bedroht von imaginären Aufseherinnen, ständig in Todesgefahr. Und irgendwann kommen die Puppen dazu, verhuschte graugestreifte Zipfelmützen, die sich im Wind biegen. Und es ist völlig klar, dass das halbverhungerte frierende Kinder sind.

Zum Weihnachtsfest gibt es dann noch richtiges Kaspertheater mit dem Drachen, aber das ist Theater. Die verhungerten Zipfelmützen sind jedoch echt. So historisch echt wie das ganze KZ-Ravensbrück.

"Es war einmal ein Drache" zeigt ein Stück Menschlichkeit im Unmenschlichen, so wie Robert Benignis Film "Das Leben ist schön" oder "Der Zug des Lebens". Nichts für Kinder, das auf keinen Fall, aber wer die historischen Zusammenhänge kennt, fühlt sich in der Geschichte gut aufgehoben.

Der Applaus war lang und durchaus begeistert. Nur schade, dass die 50 Amalthea-Plätze nur zur Hälfte belegt waren.

26./27.02.2005
lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

zurück