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Schaumburger Zeitung ,
25.02.2005 :
Großes Interesse - aber leider keinerlei Kritik / "Justiz im Nationalsozialismus": Ausstellung erfüllt Erwartungen / 2.000 Besucher, 33 Führungen
Bückeburg (ly). Rund 2.000 Besucher, 33 Führungen, keinerlei negative Kritik: Die fünfwöchige Wanderausstellung "Justiz im Nationalsozialismus" hat in Bückeburg alle Erwartungen erfüllt, zum Teil sogar übertroffen. Gerade Kritik hätte sich Friedrich von Oertzen, Präsident des Landgerichts, allerdings gewünscht. "Ich will mich ja auseinandersetzen."
Umso zufriedener ist von Oertzen dafür mit dem Interesse von Schülern und Soldaten, die zusammen etwa die Hälfte aller Gäste ausgemacht hätten. "Unsere Zielgruppe haben wir damit erreicht", hielt der Präsident am Mittwochabend während der Abschlussveranstaltung im Schwurgerichtssaal fest.
Über die ausgebliebene Kritik an der Schau (40 Stelltafeln, vier Vitrinen) sowie den Vorträgen im Rahmenprogramm zeigte sich auch Wilfried Knauer verwundert. "Wir hatten Widerspruch erwartet", sagte der Leiter der NS-Gedenkstätte Wolfenbüttel auch in Anspielung auf die Feststellung, wonach es im Schaumburger Land vor Gericht etwas moderater zugegangen sei als andernorts.
Als Synonym für die deutsche Nazi-Justiz gelte, dass diese erstens "im Strafmaß sehr weit oben angesetzt" und zweitens "mit Unmengen von Todesurteilen gearbeitet" habe, insgesamt einige zehntausend. "In Bückeburg hält man vergebens nach Todesurteilen Ausschau", so Knauer - obwohl das Landgericht die Strafgewalt dazu gehabt habe.
In anderen Bereichen als der Justiz dagegen "waren die Schaumburger reichsweit vorne weg", erinnerte Knauer. So habe der Rintelner Kreispropagandaleiter Ernst Koch den Boykott jüdischer Geschäfte im Frühjahr 1933 bereits in die Tat umgesetzt, bevor der eigentliche Aufruf dazu erfolgt sei.
Die heutige Justiz hat nach Überzeugung von Oertzens ihre Lehren aus der Vergangenheit gezogen. "Sie ist absolut immun gegen braune Bazillen. Willkür und Unrecht sind ausgeschlossen." Auch dem Staat drohe aus der rechtsradikalen Ecke keine Gefahr.
"Das darf natürlich nicht dazu führen, dass man sich alles gefallen lässt", forderte der Präsident. "Man muss Einhalt gebieten." Es gebe genug "Möglichkeiten, mit der braunen Brut fertig zu werden". Eine ganze Reihe von Strafvorschriften stehe zur Verfügung. Gleichzeitig appellierte von Oertzen an die Zivilcourage der Bevölkerung: "Schreiten sie ein, wenn in ihrer Gegenwart etwa ausländerfeindlich gesprochen wird."
Auch im Schaumburger Land gebe es eine kleine, zum Teil gewalttätige Gruppierung, deren Rädelsführer aber in Haft säßen. "Seitdem", so von Oertzen, "ist Ruhe eingekehrt."
sz@schaumburger-zeitung.de
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