Lippische Landes-Zeitung ,
21.02.2005 :
Luftangriff auf das Eisenbahnnetz / Heute vor 60 Jahren wurde Lage von Bombern der Alliierten verwüstet
Detmold/Lage (rj). "Dass der Bahnhof getroffen würde, damit haben wir gerechnet. Aber dass ganze Straßenzüge zerbombt würden, das glaubten wir nicht", erinnert sich Friedrich-Wilhelm Reuter. Bis zum 21. Februar 1945 kannten die Lagenser die Bomber der Alliierten nur als lärmende Monster auf ihrem Weg nach Osten. Heute vor 60 Jahren aber erfolgte ein Luftangriff auf die Zuckerstadt. Ziel der Alliierten war es, die Eisenbahnlinien zu unterbrechen.
Friedrich-Wilhelm Reuter war damals neun Jahre alt, sein Bruder Eckehard war acht. Er kann sich noch gut an die Zeit erinnern, sammelte früher Literatur und Bildmaterial darüber. Reuter wohnt heute in Detmold, damals jedoch in der Schulstraße 17 in Lage. "Unser Vater war an der Front in Russland", berichtet er. Die Mutter Minni führte das kleine Lebensmittelgeschäft so gut es ging weiter. Da im Haus zwei Betondecken vorhanden waren, wurde der Keller kurzerhand zum Luftschutzbunker erklärt. Ein weiterer Vorteil war, dass es keine Fenster nach draußen gab - so dass ein Splitterschutz gewährleistet war. Immer wieder kamen bei Fliegeralarm die Bewohner der Schulstraße in dem Keller zusammen. So auch an jenem 21. Februar.
Der von einer Vierlingsflak verteidigte Bahnhof war eines der Ziele der Bomber - das wusste man. Doch dann explodierten überall Bomben. "Es hatte den Anschein, als hätten sie einfach ihre Bombenfracht ohne zu zielen herausgeworfen", schildert Reuter. Ganze Straßenzüge seien "platt" gewesen. Glücklicherweise habe es in der Bäckerei keinen direkten Treffer gegeben. So gab es nur Schäden durch die Druckwellen. "Andere ebenso stabile Häuser mit direkten Treffern waren Trümmerhaufen", erzählt Reuter. 36 Tote habe es gegeben. "Unsere Mutter hat uns Jungs geschnappt, und ist wie viele andere aufs Land geflohen." Sie seien zu Verwandten nach Hörste gegangen. "Da wurden damals noch 17- und 18-Jährige an einem Holzpanzer ausgebildet - für den letzten Wiederstand", erinnert sich Reuter kopfschüttelnd.
Die Engländer hatten wohl bemerkt, dass der Bahnhof nicht so große Schäden davongetragen hatte - und so gab es einen weiteren Angriff am 22. Februar - dabei waren neun Tote zu beklagen. Schließlich folgte am 25. Februar ein Tieffliegerangriff, der zwei Tote forderte. Dabei wurde auch die Eisenbahnbrücke an der Pottenhauser Straße zerstört - und der Friedhof. "Die Toten waren aus den Gräbern geschleudert worden, sie hatten ganz lange Haare", berichtet Reuter. Die Mutter habe sie schnell von dem grausigen Ort weggeführt.
Reuters hatten Glück im Unglück: Der Vater, Bäckermeister August Reuter, war verwundet nach Dänemark transportiert worden. Im Juli 1945 kam er bereits nach Lage zurück und brachte einen 18 Jahre alten Kameraden mit, der in der Bäckerei anfangen konnte. Friedrich-Wilhelm Reuter sollte sie später weiterführen.
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